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Kämpfen oder zähmen? - Von OBEN versprach AVATAR ein WUNDERLAND

Das Romanheft, das Universum ... und die Dinge dazwischen - Die Multimedia-KolumneKämpfen oder zähmen?
Von OBEN versprach AVATAR ein WUNDERLAND

Es ist einiges durcheinander geraden in der Filmindustrie. Bei den großen wie den kleinen Studios in Amerika hat sich in den letzten zehn Jahren sich das hauptsächliche Geschäft ihrer Filmvermarktung auf den Heimkinomarkt konzentriert. Seither verkommt der Erfolg an den Kinokassen zum Grundstock für eine exzellente DVD- und Pay-per-View-Auswertung.
Die Höhe der Einnahmen im Kino ist dabei weniger entscheidend als der Werbeeffekt durch Internet-Foren und das Heranziehen einer Fangemeinde.

Das wirkliche Geld mit einem Hollywood-Blockbuster wird in der Zweit- und Drittverwertung gemacht, mit Direct-to-DVD-Fortsetzungen, Senderechten und Lizenzvergaben. Das System hat sich langsam aufgebaut und etabliert. Doch plötzlich verflüchtigt sich für die Studios diese Profitorientierung, weil AVATAR in 3-D nach Pandora aufgebrochen ist.

Man muss oft genug betonen, dass 3-D in seiner heutigen Form lange vor AVATAR existiert und funktioniert hat. ICE AGE 3, U2 3-D, MY BLOODY VALENTINE und natürlich OBEN. Was dem Publikum fehlte, waren das Vertrauen in die digitale Projektion und die Verfügbarkeit richtig ausgestatteter Kinos. Und dann gab es natürlich die Skepsis gegenüber den erhöhten Eintrittsgeldern. Während in Deutschland die 3-D-Zuschläge zwischen einem und fünf Euro stark schwanken, zahlt man in Amerika ziemlich konstant drei Dollar mehr pro Karte, für IMAX-Leinwände gar einen Zuschlag von sieben Dollar.

Warum ausgerechnet AVATAR die Barriere zwischen Zuschauer und Technik aufbrach, ist einzig einer ausgeklügelten und unausweichlichen Medienstrategie zu verdanken. Und vor allem einem Mann: Er war der Regisseur des erfolgreichsten Films aller Zeiten. Er war Regisseur der innovativsten Filme Hollywoods. Er war der Regisseur, der die letzten zehn Jahre für das aktuelle Projekt opferte. Er war der Regisseur, der nicht müde war zu betonen, dass er mit AVATAR Filmgeschichte schreiben würde. Niemand kam an James Cameron vorbei. Und dazu waren keine teuren Werbeanzeigen nötig und auch keine Fernsehspots.

Dass Cameron mit seiner Überheblichkeit allen anderen Regisseure, die in 3-D drehten, ihre künstlerischen Qualitäten absprach, kümmerte die Öffentlichkeit genauso wenig wie das grauenhafteste Drehbuch, das in den letzten Jahren das Mainstream-Kino heimsuchte. Aber James Cameron war auch derjenige, der alles richtig machte. Nicht, indem er den Mund zu weit aufriss, sondern indem er jeden Aspekt der Handlung, Bildgestaltung, Farbgebung, Ausstattung und des Bildschnitts nach dem stereoskopischen Bild ausrichtete.

Dabei darf man nie vergessen, dass 3-D im Kino kein Abbild wirklich räumlichen Sehens sein kann und auch nie sein wird. Es ist lediglich ein Effekt, der Räumlichkeit simuliert. Dieser Effekt ist ausreichend, eine Vorstellung der gezeigten Scheinrealität zu erhalten. Dies bedeutete 2,7 Milliarden Dollar weltweiter Einspielergebnisse für die überteuerte 3-D-Extravaganza. Auch wenn AVATAR noch lange nicht die Zuschauerzahlen erreicht hat, die TITANIC ins Kino lockte, sind es doch ausreichend Besucher, die mit einem Mal bemerkten, was sie mit OBEN oder THE FINAL DESTINATION versäumt hatten.

3DAm 9. April veröffentlichte das Branchenblatt Variety ein Interview mit Jeffrey Katzenberg, dem weißen Ritter des 3-D, der noch vor gar nicht allzu langer Zeit prognostizierte, dass bald alle Filme im stereoskopischen Format gedreht werden würden. Katzenberg sprach sich in dem Interview ganz klar gegen Warners übereilte Konvertierung von KAMPF DER TITANEN aus. 3-D sei ein Format, das vom Zuschauer angenommen und noch unvorbehalten konsumiert wird. Konnte es Katzenberg bis vor kurzem nicht schnell genug gehen, warnte er in diesem Interview vor einem Rückschlag, der mit dem Versuch des schnellen Dollars umgehend eintreten könne.

Die Firma In-Three, die Lucas schon zu einer Wandlung von STAR WARS überzeugt hatte, konvertierte im Sommer des letzten Jahres die beiden TOY-STORY-Filme in 3-D. Der optische Erfolg erklärt sich aus der Zeit, den sich In-Three für das Wandeln nahm, und zudem sind computeranimierte Filme grundsätzlich ein idealeres Ausgangsmaterial für die Erstellung künstlicher, dreidimensionaler Räume. Dabei muss für jede Szene einzeln festgelegt werden, wie jedes einzelne Objekt im Bild räumlich zu den anderen steht.

Der für Warner Bros. typische Zwang, alles maximal auszuschöpfen, hatte ein Zeitfenster von gerade mal zwei Monaten gelassen, um KAMPF DER TITANEN in 3-D zu konvertiere. Die ausführende Firma Prime Focus zeigt sich auf ihrer Internetseite begeistert und zitiert auch einen sehr zufriedenen KAMPF-Regisseur Louis Letterier. Noch einmal muss Jeffrey Katzenberg zitiert werden, der sich merklich besorgt äußerte, dass man nichts machen könne, das niederer an Qualität wäre, als das, was man mit KAMPF DER TITANEN gemacht hatte.

Hatte AVATAR noch genügend Zeit, sich auf sämtlichen für 3-D umgerüstete Leinwände zu tummeln, drängen sich jetzt in viel zu geringem Abstand immer mehr Filme auf viel zu wenigen 3-D-Plätzen. Und der Zuschauer ist keineswegs so dumm, wie die Studios es gerne hätten. Dabei erfährt der geneigte Fan des wiederentdeckten, aber verbesserten Formats alle Facetten der neuen zu melkenden Geldkuh.

AVATAR war in allen technischen wie künstlerischen Aspekten für 3-D konzipiert und auch komplett in diesem Format gedreht. Dafür hatte er auch vier Jahre Zeit, was bei keinem anderen Film möglich wäre. Für ALICE IM WUNDERLAND weigerte sich zwar Tim Burton in 3-D zu drehen, aber er inszenierte bestimmte Sequenzen und Einstellungen speziell für eine 3-D-Version, in der der Film nach einer Konvertierung dann auch in den Kinos startete. DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT ist für 3-D konzipiert und im Format gerechnet, genau wie OBEN verzichtet der Film dabei auf vordergründige Effekte. KAMPF DER TITANEN war in keiner Szene für 3-D konzipiert, folglich auch konventionell gefilmt.

Das Publikum von AVATAR setzt sich aus einer Zuschauerschicht zusammen, die eher für KAMPF DER TITANEN zahlen würde, als das Erlebnis von 3-D mit einem Kinderfilm wie DRACHENZÄHMEN zu wiederholen. Dazwischen quetschte sich erfolgreich ALICE. Der Kampf um die Leinwand ist entbrannt. Paramount war entsetzt, als Warner kurzfristig die TITANEN nur eine Woche nach den DRACHEN an den Start ließ.

Die Washington Post zitierte dazu in einem Artikel am 21. März, dass Repressalien fürchtende, deswegen namentlich nicht genannte Kinobetreiber offen von Paramount unter Druck gesetzt wurden. Wer die DRACHEN nicht in 3-D spiele, solle auch nicht die 2-D-Variante vorführen dürfen. Da viele Theater mit mehreren Kinos erst eine für 3-D gerüstete Leinwand haben, ist der Erpressungsversuch nicht unbedeutend. Aber die Washington Post berichtete auch, dass Disney ähnlich auf die Kinobetreiber einzuwirken versuchte, damit ALICE weiter gespielt würde, anstatt zugunsten der DRACHEN aus dem Programm zu fliegen. Dass da Warner nicht hinten ansteht, war zu erwarten, und der überraschende Starterfolg der TITANEN lässt vermuten, dass ein kleines bisschen Druck bei den Vorführstätten durchaus nachgeholfen hat, die DRACHEN etwas zu vernachlässigen.

3-D hat aus dem in den letzten Jahren zum Werbeträger verkommenen Kinofilm mit einem Schlag das Erlebnis Kino gemacht. Der Profit beschränkt sich noch immer nicht einzig auf die Kinoauswertung, aber diese ist mit einem Mal der entscheidende Faktor. Weder Fernsehen noch DVD können das Erlebnis 3-D in dieser Form rekonstruieren. Je fixierter der Zuschauer auf das Format 3-D wird, desto wahrscheinlicher sinken die privaten Investitionen bei DVD-Käufen. Bisher profitable Direct-to-Produkte werden, außer im Spiele-Bereich, kaum angenommen werden.

Nichts von all dem ist zugunsten des Zuschauers. Dieser hat vielleicht das ein oder andere Aha-Erlebnis bei zwei Stunden unbeschwerter Kino-Unterhaltung. Aber Katzenberg könnte sehr schnell recht bekommen, dass die Seifenblase platzt, bevor man sie richtig bewundern konnte. AVATAR selbst thront dabei über all dem, lächelte milde von oben herab und verspricht das Wunderland der Geldvermehrung. Das könnte durchaus funktionieren, wenn man ganz schnell ein Miteinander finden würde. Anstatt unkluge Kämpfe auszutragen, sollten sich gerade die Großen etwas zähmen.

Neunzehn 3-D-Filme waren für 2010 avisiert. Der Zuschauer lässt sich ja sehr gerne das Geld aus den Taschen ziehen, aber er möchte dafür nicht in den Arsch getreten werden. Oder warum muss nach sechs wunderbar anzusehenden Teilen der letzte HARRY POTTER an den Kassen erheblich teurer werden?


3DUwe Kraus über
Kampf der Titanen (21. April 2010)
Drachenzähmen leicht gemacht (23. April 2010)

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