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Das nächste deutsche Facebook, Amazon, Apple ...

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDas nächste deutsche Facebook, Amazon, Apple ...

Erinnert sich noch jemand an Clubhouse? Die Hype-App, die so etwas wie Telefonkonferenzen in Echtzeit als Soziales Netzwerk startete - also Konferenzen in Echtzeit? Die wurde die ganze Zeit als das nächste heiße Dinge behandelt. Schließlich, so tönen ja Influencer*innen seit Jahren, wird Audio immer wichtiger und sowas wie Clubhouse sollte das ja zeigen. Nur: So ganz geklappt hat das irgendwie nicht. Anstatt sich als weitere Standard-App zu etablieren, ist Clubhouse wieder in der Versenkung verschwunden. Vermutlich, weil man feststellte:

Ich muss ja wirklich immer in Echtzeit dabei sein und habe dann keine Zeit für andere Inhalte, ich muss ja schließlich konzentriert zuhören. War also nichts mit dem neuen heißem Scheiß.

Es ist nicht so, dass es nicht gelingen könnte. Instagram war ja so ein Überraschungskandidat ebenso wie Snapchat - Snapchat hat sich seine Nische erhalten, Instagram ist heute nicht mehr wegzudenken. Beide Apps waren auf einmal da und beide Apps haben ein grundlegendes Problem der digitalen Kommunikation gelöst: Instagram ermöglicht das Posten von Schnappschüssen - oder auch hochkünstlerischen Bildern plus Text. Snapchat hatte als Erstes die Story-Funktion, Inhalte waren nach einiger Zeit nicht mehr abrufbar und somit eine „sichere“ Kommunikation möglich. Ob die Inhalte wird gelöscht werden oder nur auf dem Server als nicht mehr verfügbar markiert werden … Zudem gibts immer die Möglichkeit eines Screenshots. In der letzten Zeit ist eigentlich nur noch OnlyFans so richtig bemerkenswert gewesen: Was bei Instagram schon teilweise ein Problem sein kann, nämlich Brüste oder Ärsche, ist bei OnlyFans habe ich mir sagen lassen ja ziemlich normal. Also nicht, dass ich da einen Account hätte. Aber auch hier merkt man: Die App löst ein Problem oder bietet eine bequeme Art und Weise um Dinge zu erledigen. Also existiert sie und ist einigermaßen erfolgreich.

Die Annahme, dass man einen Erfolg wie Facebook oder Amazon einfach wiederholen kann, in dem man Kinder ab der Grundschule ermutigt, sich doch mal mit lustigen bunten Programmiersoftware-Spielen auseinanderzusetzen ist eine Illusion, der die Politik gerne anhängt. Erinnern darf ich auch an dieser Stelle an die hervorragenden Bemühungen einer EU-Suchmaschine, die schlussendlich scheitern musste weil es schon genügend Alternativen neben Google gibt. Aber Politiker*innen träumen immer gerne davon, dass in einer kleinen Garage in Hinterbürzelskirchen jemand jetzt schon an der neuesten App aus deutschen Landen sitzt, die dann endlich Deutschland nach vorne bringt. Ein Land, in dem noch nicht mal der angekündigte digitale Impfpass so richtig startet, ein Land, in dem wir nicht über die ausreichende Versorgung auf dem Land mit schnellem Internet reden sollten - es würde nur deprimierend - ein Land, das in der aktuellen Pandemie deutlich zeigt, dass es digital gesehen am Schluss und am Ende ist. Boshaft gesagt soll am deutschen Wesen halt die Welt genesen. Dieses Motto ist allerdings in heutigen Zeiten längst nicht mehr pc. Glücklicherweise.

Natürlich könnte es sein, dass jetzt jemand DIE Idee hat, die das Internet revolutioniert. Eine Idee, die aus Deutschland kommt. Die einen Gegenpol zur amerikanischen Übermacht der Tech-Giganten schafft. Allerdings: Wenn wir uns das nüchtern betrachten, müssen wir uns fragen: Gibt es eigentlich die Voraussetzungen dazu? Damit meine ich nicht die Vermittlung von Programmierkenntnissen für Kindergarten-Kinder - und dann zu Ungunsten der musischen Fächer. Wir müssen uns fragen: Wo sind wir als Gesellschaft unterstützend? Solange die aktuelle Technik in Schulen nur den oberen Zehntausend gewährt wird, können wir nicht unbedingt davon ausgehen, dass wir alle Kinder unterstützen. Der nächste Amazon-Killer kann ja durchaus einen Hauptschulabschluss haben oder aus einer benachteiligten Schicht kommen. Und es ist enorm schwer als Arbeiterkind an die Uni zu kommen. Immer noch. Ganz einfach: Weil unser Bildungssystem nicht durchlässig genug dafür ist. Dass darüber kaum gesprochen wird, wenn es um die neuen Technik-Giganten gehen soll ist bezeichnend.

Wie auch immer es ist: Viel zu oft scheint man sich nicht zu fragen, ob ein Produkt eine Lösung bieten kann. Oft genug reicht eine schicke Verpackung - und das ist bei Clubhouse auch passiert. Die App selber ist schick, aber dann wiederum hakt es an einigen Stellen dann doch wieder. Zudem löst Clubhouse kein Problem. Sondern bringt nur die Telefonkonferenz ins Social Web. Sie erzeugt zudem ein Problem: Sie frisst Zeit. Wir sind daran gewohnt Audio-Inhalte auf Abruf zu bekommen. Dazu haben uns Podcasts erzogen. Dinge nachzuholen ist selbstverständlich. Das kann man bei Clubhouse nun nicht.

Und bevor ich jetzt noch länger auf der App herumreite: Es gibt auch genügend andere Apps, bei denen definitiv nicht die Lösung eines Problems im Vordergrund steht sondern einfach nur die Gewinnerzielung. Vielleicht sollten wir in Deutschland nachdem wir die Grundlagen geschaffen haben nicht auf programmierende Kinder konzentrieren. Nicht jedes Kind wird programmieren lernen.

Vielleicht sollten wir uns einfach fragen: Haben wir eigentlich das passende Ökosystem, um Erfinder*innen zu tragen, forschen zu lassen. Vor allem: Dinge brauchen Zeit. Und das ist etwas Wesentliches. Was wir vielleicht auch endlich mal begreifen sollten. Der Blitz in der Flasche ist ein einmaliges Ereignis. Ein glückliches. Aber normalerweise ist das nächste Amazon nicht einfach so da. Irgendwie logisch, liebe Politik, oder?

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