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Thanos-Zweiteiler und WandaVision: MCU-Müdigkeit gegen MCU-Frische

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»Thanos«-Zweiteiler und »WandaVision«:
MCU-Müdigkeit gegen MCU-Frische

Wenn sie sich jetzt bloß nicht übernehmen … Das ist immer der Stoßseufzer von Fans, wenn ein erfolgreiches Franchise auf die Idee kommt noch breiter und besser und gigantischer zu werden als zuvor. Nach dem Erfolg von The Mandalorian etwa kündigte man eine Unmenge von Star-Wars-Serien an. Und für das MCU, dessen neue Stufe jetzt mit WandaVision beginnt, hatte man vorher ja auch schon eine Unmenge von Inhalten angekündigt.

Serien über Serien. Dass in einer großen Menge von Inhalten nicht alle das Niveau haben werden, dass die Fans befriedigen wird ist logisch. Und wenn es zu viele Inhalte gibt, dann ermüdet das Interesse auch ein wenig. Etwas, was man bei den letzten zwei Filmen rund um Thanos schon bemerkte. Warum WandaVision derzeit da erfrischend wirkt?

Räumt man sich einen Nachmittag frei, so bekommt man locker beide Filme rund um Thanos - Infity War, Endgame - in knapp fünfeinhalb Stunden durch. Vielleicht noch ein wenig eher, wenn man die letzten dreißig Minuten von Endgame vorspult. Denn wenn ich ehrlich bin: Das ist zwar ein sehr ausklingendes Ende, aber es ist halt auch so ein „Hätte man auch kürzen können“-Ende. Wesentlich Neues kann in dieser halben Stunde nun auch nicht passieren und wenn man die Unvermitteltheit von WandaVisions Beginn betrachtet, dann ist klar, dass es hier auch keine Überleitung gibt. Das wäre ja auch nicht im Sinne der Serie, die ja mit dem Geheimnis und dem Mysterium spielt: Vision lebt? Wir sind in einer Sitcom? Und offenbar ist das nicht die Realität?

Wer sich dann die beiden Teile der letzten Marvel-Phase anschaut, der wird zudem auch eine gewisse Fatigue, eine gewisse erhöhte Form von Müdigkeit verspüren. Warum ist das so? Haben wir nicht enthusiastisch bisher alle Marvel-Filme mehr oder weniger konsumiert? 

Die Antwort liegt bereits schon in der Frage. Marvel-Filme haben eine gewisse Formel. Ich spreche hier nicht von der üblichen Hintergrundgeschichte eines Helden, die in Comicverfilmungen ja gerne als Startpunkt genommen wird und das ist bei Marvel ja nun auch so. Der erste Iron Man, der erste Captain America, der erste Ant-Man, der erste Guardian of the Universe … wie der Held zu dem wurde, was er ist wird in diesen Filmen üblicherweise erzählt, bevor dann weitere Handlungen eröffnet werden, in denen Helden auftauchen, die dann schon in anderen Filmen zu sehen gewesen sind. Ab und an verzichtet man dann später darauf: Hollands Spider-Man kommt ohne die Visualisierung von Onkel Bens Mord aus. Der Hulk bekam zwar zwei Filme mit der Ursprungsgeschichte spendiert, allerdings sind die - soweit ich das weiß - außerhalb des MCU angesiedelt. Im eigentlichen Universum selber ist er einfach anwesend. Das funktioniert, weil wir die Vorlagen kennen.

Wenn ich Formel in Bezug auf das MCU meinte, dann auch nicht die übliche Drei-Akt-Struktur, die sich in Hollywood bewährt hat. Marvel-Filme gelingt eher die Mischung zwischen sehr ernsten, pathetischen Momenten und der Komik. Zwischen Szenen, in denen die Beziehung der Charaktere im Vordergrund steht und dann den Actionszenen. Schließlich sind wir immer noch im Comic-Universum: Ohne Action geht es da eher selten. Diese Formel ist manchmal sehr sichtbar, manchmal eher unter der Oberfläche. Dass es zudem immer darum geht, einen Erzbösewicht in die Schranken zu weisen ist klar. Und es geht - bis auf einige Ausnahmen - immer um das Große. Das Ganze. Wenn es nicht die Welt ist, die gerettet werden muss, dann das Universum. Oder die Hälfte der Bevölkerung des Universums.

Diese Formel funktioniert. Keine Frage. Schließlich waren Infinity War und Endgame Blockbuster, die Massen in die Kinos zogen. Bei Endgame sollte das nicht wundern, man will ja wissen wie es weitergeht mit den Avengern, Thanos und den Charakteren, die man während der letzten Jahre begleitet hat. Wobei: Die Marvel-Formel ist hier zwar noch schlagkräftig, sie ist aber als das erkennbar, was sie ist. Zudem ist die Struktur der beiden Filme ja ähnlich: Superhelden-Teams suchen irgendwas. Wir springen als Zuschauer also von Welt zu Welt, von Team zu Team, bleiben dabei selten länger als für die Handlung notwendig. Das gilt auch für die Beziehungsmomente: Hier mal ein tierfergehendes Gespräch, dort mal eine langsame Szene - aber dann geht es wieder weiter, denn das Finale, das gute Ende muss ja erreicht werden. Darunter leiden beide Filme etwas - Infinity War noch eher als Endgame, der ja durchaus reichlich langsam und sentimental beginnt. Und auch so endet. So sehr es dann Spaß macht die bekannten Charaktere in teils neuer Teamzusammensetzung zu erleben - die Freude ist immer nur kurz. Zu kurz. Und wenn es fast nur eine Abfolge von Einzelseznen gibt, die Charaktere kaum Zeit haben sich finden oder die neuen Umstände zu akzeptieren … selbst in Endgame dauert das nicht lange bis Ant-Man auf den Plan tritt und dann das Karussell in Gang setzt … wenn das alles am Ende eher zu einem Kaleidoskop führt, dann stellt sich eine gewisse Müdigkeit ein. Zudem: Schon wieder mal muss das Universum gerettet werden … Gehts nicht eine Spur kleiner?

Genau das deuten die Teaser und Trailer von WandaVision an. Nun, ja, okay. Es geht wohl um den Erhalt einer Welt, die nicht die reale ist. Schön. Jedoch scheint es wenigstens eine Spur kleiner zu gehen. Es geht um die Bewahrung einer Idylle. Nach zwei Folgen ist es natürlich schwierig zu sagen, ob es um die Bewahrung der guten häuslichen Welt geht - da die Folgen offenbar in der Sitcom-Geschichte vorwärts springen, können traditionelle Werte wenigstens nicht dauernd eine Rolle spielen. Aber es wird zumindest angedeutet, dass die Bewahrung dieser Sitcom-Bubble in weiteren Folgen eine Rolle spielen wird. Sehen wir mal von den ganzen Spekulationen ab, von dem Einfluss der Miniserie von House of M oder anderen Dingen - und vergessen wir auch einmal, dass die Serie eigentlich nur ein Prequel für den dritten Doctor-Strange-Film ist … Dann dreht es sich bei WandaVision nicht um das Große, das Ganze. Sondern um die persönliche Welt von Wanda und Vision. Obwohl die Folgen bisher nur um die dreißig Minuten lang sind, vermitteln sie besser als die Filme, wie die Beziehung zwischen Wanda und Vision gestaltet ist. Was eher eine Randnotiz in den Thanos-Zweiteilern ist - ja, schön, die Szene in Irland, danach gehts aber wieder hochdramatisch weiter - wird hier in den Mittelpunkt gestellt.

Natürlich wirkt WandaVision auch durch das kuriose Format der Sitcom frisch und unverbraucht. Man muss die Ausstatter loben: Die zwei bisherigen Folgen sehen wirklich aus, als hätte man die Sets der Dick-van-Dyke-Show oder „Verliebt in eine Hexe“ - die offensichtlichste Anspielung bisher - aus dem Fundus geholt und einfach nur wieder aufgebaut. Dass auch die Tricks ohne CGI auskommen ist ebenso eine Wohltat. Schließlich haben wir ja eine Menge von CGI in den letzten Filmen zu Gesicht bekommen. Auch das vielleicht ein Anlass für die Fatigue, die sich da einstellte. Durch die Spalten der Sitcom-Welt dringt aber auch immer wieder die Normalität. Also die Normalität des MCU, wie normal ein Universum mit Superhelden sein kann ist ja auch noch eine andere Frage. Das Gegeneinander, das in den ersten beiden Folgen noch relativ zahm ist, macht ebenfalls den Reiz des Ganzen aus. Wir sind hier zwar nicht bei „Stranger Things“ und dem Upside-Down - jedoch wird es interessant sein zu beobachten, wie die beiden Realitäten zueinander stehen. Und die Frage, ob Vision nun wirklich nur eine - ähm - Vision ist oder ob er wirklich wieder lebt - ist auch eine, die noch beantwortet werden muss.

Es ist jedenfalls wohltuend, dass die nächste Phase des MCU nun dank Corona mit WandaVision beginnt. Geplant waren ja eigentlich noch zwei Filme vorher, aber die Frage ist: Wären wir nach der Pause des MCUs wirklich wieder bereit gewesen, uns wieder bombastischem Spektakel zu widmen? Auch ohne Corona? Vielleicht ist daher der intimere Auftakt für die nächste Phase des MCU durchaus passend.

Kommentare  

#1 Advok 2021-01-22 13:50
Christian, ich habe deinen Beitrag als Grundlage genommen, um in die Tasten zu klopfen – hat sich im Folgenden mitunter etwas verselbständigt …

Hm, zu viele Inhalte ermüdend?

Ein Argument, das bei manchen Geschmäckern gegen das MCU sprechen mag, ist, dass natürlich die Optik immer die gleiche ist: Die Technik als Hintergrund mag zwar in der regionalen Darstellung unterschiedlich sein (Erde – Planeten, Wakanda), aber es wird schon deutlich, dass es sich um eine Film-Serie handelt, deren Setting nicht immer neu erfunden wird. Das finden einige tröge oder gar langweilig – mir persönlich gefällt gerade diese Kontinuität. Egal, welche Meinung man vertritt: Die Produzenten können es hier also nachvollziehbar nicht allen recht machen.

Avenger 4 ist ein guter Film, leidet aber tatsächlich ein wenig (deutlich stärker als Avenger 3, dass er trotz der Zeitsprünge sehr chronologisch abläuft. Einzelne Ziele werden definiert, und diese werden der Reihe nach (bzw. parallel) abgehandelt. Diese Erzählweise mag man durchaus als ermüdend empfinden und stellt für mich einen der zwei Schwachpunkte des Films dar.

Bei deiner Betrachtung der letzten 2 Teile der 3. Phase übersiehst du: Spider Man 2 gehört ebenfalls noch zu Phase 3. Ich finde den Teil sehr wichtig, da er mit Peters Trauer eine Würdigung für Iron Man nachreicht und dem MCU insgesamt mehr Tiefe gibt.
Das Einbauen Spider Mans ins MCU hat mir bislang ausgesprochen gut gefallen: Tony Stark als Mentor, bereits ab Captain America – Civil War. Die Konstellation wurde dann in Spider Man 1 ausgebaut (wenngleich mit dem großen Schwachpunkt, dass Starks Distanz zu Peter sehr aufgesetzt wirkt und eine Abgehobenheit Starks zeigt, der er zu diesem Zeitpunkt bereits entwachsen sein müsste).

Black Widows Tod in Avenger 4 ging ebenfalls etwas unter. Ich hoffe, dass da in der Hawkeye-Serie noch etwas kommt oder gar im Film „Black Widow“ nachgereicht wird. Ich fürchte zudem, dass „Black Widow“ unabhängig von Corona relativ geringe Einspielergebnisse erzielen wird – niemand mag tote Heldinnen sehen. Ich halte es durchaus für möglich, dass Winnetous Tod in den 60ern das Auslaufen des Erfolgsmodells „Karl May-Filme“ sehr beschleunigt hat.

Insgesamt finde ich es im MCU aber gut, dass auch die „kleinen“ Helden ihre Filme weiterhin bekommen: Ant-Man, Spider-Man, Guardians oft he Galaxy, … Obwohl da wesentlich weniger Eintrittsgelder umgesetzt werden halte ich diese Filme sehr wichtig – sie bieten den Kontrast zu den actiongewaltigen (Noch-Mehr-)Blockbustern.

Bei Hulk und Spider-Man: Ich vermute, auf die Einführungsgeschichte wurde verzichtet, da ja bei beiden bereits mehrfach cineastisch zeitlich nicht weit zurückliegend gebracht. Ich denke, dass war eine gute Entscheidung.

Beim Universum-Retten bin ich nicht ganz bei Dir: Nö, das Universum stand nicht zur Debatte. Nur 50 % der Personen. Dadurch, dass Thanos erst als Gewinner aussah, ergeben sich mit der 5 Jahre später angeleiferten Lösung sehr spannende Möglichkeiten:
- Personen, die einander kennen und sich nach 5 Jahren neu treffen (wobei der eine Teil um Jahre älter ist),
- eine Änderung der Grundkonstante: Möglich, dass die X-Man nun auch im MCU eingeführt werden können und es stimmig bleibt (Blade und Deadpool 3 sind ja nun im MCU angesiedelt), und nicht zuletzt das
- Multiversum, dass mit „WandaVision“, „Dr. Strange 2“ und wohl auch „Spider-Man 3“ sehr fokussiert angegangen werden soll.

Ich finde es weiterhin sehr spannend. Auch wenn das Multiversum sicherlich in Richtung „größer“ tendieren wird.
Ich bin aber bei Dir, dass das MCU sehr gut auch kleinere Themen integrieren kann und dies gut verkraftet.

Beim Multiversum möchte ich aber auf eine sehr große Gefahr aufmerksam machen:
Bei „Spider-Man 3“ ist ja die Integrierung der bislang nicht dem MCU zugeordneten Filmen mittels übernommener Figuren (incl. früherer Spider Man‘) angedacht.

Wenn die Idee um sich greift, mal ernsthaft: Schon klar, dass Samuel Jackson nicht der einzige Nick Fury als Realfigur ist? Guardians oft he Galaxy 2 hat ja bereits gezeigt – es gibt Verbindungen zum Vorgängerschauspieler …

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