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Ein Hoch auf Community

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneEin Hoch auf Community

Herzlich Willkommen am Greendale Community College. Falls Sie mal ein Geräusch in den Luftschächten hören sollten: Das kommt von dem Affen, der in ihnen lebt. Die Anthopologie-Dozentin ist nicht nur ein klein wenig, sondern ganz irre.

Der Psychologie-Dozent ist ein Trinker, der Spanisch-Dozent ist eigentlich kein Spanisch-Dozent. Oder kurz und knapp: Herzlich Willkommen in Dan Harmons Sitcom Community, die derzeit auf Netflix zu sehen ist.

Was ist eigentlich ein Community College? Vielleicht sollte man diese Frage erstmal klären, bevor man tiefer einsteigt in die von Dan Harmon erschaffene Serie über eine Lerngruppe am Greendale Community College. Ein Community College bietet anders als die Elitecolleges Studenten aus allen Gesellschaftsschichten an innerhalb von zwei Jahren einen Associate Degree abzuschließen. Damit bereiten Community Colleges die Studenten auf das dritte Jahr an einer Uni vor. Die Studiengebühren sind billiger, der Gedanke, dass Bildung möglichst allen zugänglich sein soll steckt hinter dem System.

Es ist daher kein Wunder, dass nicht gerade die Creme de la Creme der Gesellschaft sich in einer Lerngruppe zusammenfindet. Der ehemalige Anwalt Jeff Winger muss erneut die Schulbank drücken, nachdem festgestellt wurde, dass sein Abschluss gefälscht war. Die frühere Anarchistin Britta Perry versucht ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Pierce Hawthorne hätte es eigentlich nicht nötig, Greendale zu besuchen - der Multimillionär fühlt sich aber einsam und braucht die Kontakte. Abed Nadir, Filmstudent, hat Probleme Freundschaften zu schließen, sein Popkulturwissen ist allerdings unübertroffen - nur, dass er manchmal die Wirklichkeit für eine Fernsehserie hält ist etwas befremdlich. Shirley Bennett ist überzeugte Christin und trennte sich gerade von ihrem Mann. Abeds Freund Troy Barnes war früher Quarterback, musste aber wegen einer vermeintlichen Verletzung das College wechseln. Und dann ist da noch Annie Edison, betont ehrgeizig, ehemals abhängig von Adderall und ständig bemüht, sich hervorzutun.

Schon nach den ersten Folgen ist klar, dass wir uns in einer Sitcom befinden. Allerdings keine, die nach dem gewohnten Vier-Kamera-Prinzip mit Livepublikum aufgezeichnet wird. Das ermöglicht den Machern natürlich einige Freiheit, die sie auch nutzen wenn es darum geht, die Episoden in Szene zu setzen. Diese nutzen sie auch: In einer Folge klettern Jeff und der Spanischlehrer Chang in die Ventilation des Gebäudes, in einer anderen fährt die Lerngruppe einen Lastkraftwagen aufs Gelände. Zudem können die Macher auch Spezialeffekte nutzen, die sie in den Paintball-Folgen genüßlich zelebrieren.

Genüßlich zelebriert wird in Community aber neben den zahlreichen Anspielungen auf die Popkultur - Star Wars, Cowboys, Actionfilme, die Palette ist vielfältiger als man es beim ersten Anschauen der Folgen bemerkt - aber dann auch Werte. Was bemerkenswert ist, denn schließlich schien die Zeit der moralischen Sitcoms lange Zeit vorbei zu sein. Eine Sitcom wie die »Golden Girls«, wie »Mary Tyler Moore«, wie »Die Bill Cosby Show« wurde durch die anarchistisch-sarkastischen Sitcoms der Neunziger und der Nuller-Jahre abgelöst. »Married - with Children« aka die Bundys, »Auf Schlimme und Ewig«, »Scrubs«, »Malcolm in the Middle«, »Big Bang Theory«, »Sex and the City« - sie alle waren nicht mehr damit beschäftigt, dem Zuschauer eine Moral am Ende der Folge zu liefern. Sie unterhielten durch die irrwitzigen Situationen und Typen, weniger dadurch, dass der Zuschauer am Ende sich selbst erkennen sollte. Wenn dies passierte, dann eher unterschwellig. Aber nicht mehr in der gewohnten Art: Ein Problem, dass am Anfang einer Folge präsentiert wurde, wurde am Ende gelöst und dabei gleichzeitig ein moralischer Wert mitgeteilt.

Nun ist das Prinzip an sich gleich geblieben: Auch in Community gibt es das Problem, das gelöst werden muss - ansonsten hätten wir keine Spannung. Es gibt allerdings in der Serie auch keine Moralkeule am Ende der Folge. Community vermittelt Werte, vermittelt diese aber nebenbei. Während wir Zuschauer Pierce nicht gerade mögen werden ist es gerade Pierce, der in einem Nebensatz, in einer fallen gelassenden Bemerkung Dinge auf den Punkt bringt. Dieses kurze Aufleuchten, dieses kurze Erkennen ist etwas, was Community auszeichnet. Es gibt durchaus auch Folgen, die nur unterhalten möchten - die Paint-Ball-Folgen gehören wohl dazu, wobei auch in denen eine Menge Stoff zum Nachdenken steckt.

Was Community letztendlich zelebriert ist die Freundschaft. Wenngleich: Es ist mit Vorsicht zu genießen. Die Lerngruppe mag sich untereinander fetzen, an die Gurgel gehen, mag Dinge tun, die nachteilig für die Anderen sind: Sie halten wie Pech und Schwefel zusammen. Das hat durchaus positive Züge, allerdings - wie die Folge »Todd ist schuld« aufzeigt - ist diese Gemeinschaft, die sich herausbildet,  gegenüber Kritik von Außen nicht zugänglich. Kritik von Außen blockt die Gruppe sofort ab. Wenn Todd seine Wutrede hält, in der er fragt, was für eine Art von Freundschaft das sein soll und empört abgeht ist das nichts, was die Gruppe zur Einsicht bringt. Im Gegenteil: Am Ende der Folge haben sie herausgefunden, wer der Schuldige ist - Todd natürlich - und sofort ist das Einvernehmen wieder hergestellt. Dan Harmon, der später »Rick und Morty« erfinden wird, hat da durchaus einen skeptischen und sarkastischen Blick auf die Menschen an sich.

Allerdings: Wäre Community nur eine bittere Abrechnung mit dem menschlichem Ideal an sich - wobei, diese Komponente ist ja durch den alkoholkranken Psychologie-Lehrer durchaus geben - würde man sie sich nicht anschauen. Community gelingt es, den Charakteren auch liebevolle Seiten abzugewinnen. Und neben dein Einzelfolgen legt Community einen Storybogen über die Staffel und greift Themen und Fragestellungen auch in späteren Folgen immer wieder auf. Dass das Spaß beim Zuschauen macht, keine Frage. Dass man die Rededuelle zwischen den Charakteren amüsant verfolgt, keine Frage. Dass manch Folgen eine großartige Hommage an ein Genre ist - Western, Star Wars, Actionfilme der Achtziger - macht die Serie noch sehenswerter. Daher: Ein Hoch auf Greendale. Sechs Staffeln hat die Serie immerhin geschafft, vielleicht kommt ja doch noch mal ein Film …

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