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Red Dwarf: Warten auf Gott

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneRed Dwarf
Warten auf Gott

Science Fiction und Religion sind zwei Dinge, die nicht Hand in Hand gehen wollen. Jedenfalls haben wir auf der einen Seite ein Literaturgenre, dass wissenschaftliche Grundlagen bevorzugt - meistens jedenfalls. Auf der anderen Seite ist haben wir etwas, was sich mit wissenschaftlichen Grundlagen nicht belegen lässt. Was nicht heißt, dass es nicht ab und an durchaus gelingen kann, beide Seiten in einer Art von Balance zu bringen.

Deep Space Nine, Farscape, Dune wären da drei Beispiele. Bei Red Dwarf sieht die Sache etwas anders aus - zumindest auf den ersten Blick.

Drei Millionen Jahre in der Zukunft: Das Bergbau-Schiff Red Dwarf. Die Crew: Der einzige noch lebende Mensch namens Lister, der den Strahlenunfall, der den Rest der Mannschaft ausgelöscht hat, nur durch einen Zufall in Stasis überlebt hat. Rimmer, Listers Zimmergenosse, der allerdings nur noch als Hologramm vorhanden ist und der genau für diesen Strahlenunfall verantwortlich war. Holly, der Bordcomputer, der nicht gerade sehr intelligent ist und dann hätten wir noch Cat, eine menschenähnliche Lebensform, die sich aus Listers ehemaliger Katze Frankenstein entwickelt hat. Das Ziel der Crew: Die Rückkehr zur Erde. So unmöglich oder unwahrscheinlich sie auch sein mag. Drei Millionen Jahre sind durchaus keine Kleinigkeit.

In Waiting for God geschehen nun drei Dinge: Holly entdeckt einen unidentifizierbaren Container, was Rimmer in konstante Hysterie versetzt. Schließlich könnte das der Beweis dafür sein, dass es Aliens im Universum gibt. Bisher ist die Crew zwar noch auf keines gestoßen, aber Rimmers Enthusiasmus kennt keine Grenzen.
Lister hat sich von Cat einige Bücher ausgeliehen und erfährt dabei, dass die Katzenzivilisation sich wegen eines religiösen Disputes in zwei Lager gespalten hatte. Dabei fand dann ein Exodus von Red Dwarf statt. Nur die Kranken, Gebrechlichen und - nicht so ganz Intelligenten sind auf Red Dwarf verblieben. Zu den nicht ganz Intelligenten gehörte dann der Vater von Cat und ein im Sterben liegender Hohepriester, von dem Lister und Rimmer bisher aber nichts gewußt haben. Und dann wäre da noch ein intelligenter Toaster, der allerdings in dieser Folge nicht dazu kommt irgendwas zu toasten.

Der wichtigere Handlungsstrang ist natürlich der um Lister, Cat und die Katzenzivilisation. Wobei Lister zwar schon vorher etwas von einem Cloister The Stupid gehört hat, bisher aber nicht auf die Idee gekommen ist, dass er damit gemeint sein konnte. Allerdings passt das alles: Die Heilige Mutter namens Frankenstein, die dank Lister - Cloister - den Strahlenunfall überleben konnte. Und aus der sich alle anderen Katzen entwickelt haben. Lister erfährt ferner, dass der religiöse Disput zwischen den beiden Lagern in einer Kleinigkeit begründet liegt. So komisch es auch sein mag: Ob ein Hut für religiöse Zeremonien Rot oder Grün zu sein hat, hat einen Religionskrieg ausgelöst. Ist Lister zuerst amüsiert darüber, dass er zu einem Gott geworden ist, ist er später zutiefst ernüchtert. Vor allem, weil das versprochene Paradies zwar durchaus reale Wurzeln hat - in der ersten Folge träumt Lister davon, eine Farm bzw. einen Hotdog-Shop auf den Fidschie-Inseln zu eröffnen, wenn er genügend Geld zusammengespart hat - allerdings ist durch die Jahrtausende lange Überlieferung die Fidschie-Insel zu einem illusionärem Ort geworden. Dass beide Lager der Katzenzivilisation sich mit ihren Raumschiffen später auf die Suche nach diesem Ort begeben haben, den es so nicht gibt, scheint die Zwecklosigkeit von Religion aufzuzeigen.

Der im Sterben liegende blinde Hohepriester, von bisher nur Cat selbst etwas wusste, zweifelt ebenfalls an seiner Religion. Soweit, dass der die Insignien seines Amtes verbrennen lassen möchte - und wenn Cat versichert, dass diese verbrannt sind, ist das für ihn erstmal wahr. Auch wenn Cat natürlich nichts verbrannt hat. Der Hohepriester, der auf seinen Gott wartet, der nicht kommt, erinnert natürlich an zwei Clowns namens Estragon und Waldimir, beide warten bekanntlich vergeblich auf Godot. Wenn Lister schlussendlich zu Cat und dem Hohepriester dazustößt, hätte er durchaus die Möglichkeit den Hohepriester mit seinen Zweifeln sterben zu lassen. Ein Statement abzugeben, dass Holly in einer anderen Folge so zusammenfasst: "Wir müssen uns damit abfinden, dass wir in einem chaotischem und kaltem Universum leben." Das könnte Lister an dieser Stelle durchaus.

Ebenso wie Lister schon vorher eigentlich Rimmer erklären könnte, dass der gefundene Container nichts weiter als ein Müllcontainer des Schiffes ist. Rimmer dagegen glaubt felsenfest daran, dass sich im Container eine Nachricht von Aliens oder sogar Aliens selbst befinden könnten. Im Laufe der Folge erstellt er immer waghalsigere Theorien aufgrund von Indizien und ist damit im Grunde von einer Religion so weit nun auch nicht entfernt. Da Rimmer aufgrund seines Charakters immer die Schuld für Etwas bei Anderen oder das Heil in anderen Personen oder Charakteren sucht, ist es nur natürlich, dass er aus diesem Container eine Art Heiligtum macht. In dem letzten Endes die Lösung für alle Probleme liegt.

Während Lister Rimmer selbst erkennen lässt, dass er die ganze Zeit an einer abstrusen Idee gefeilt hat, tut er das beim Katzen-Hohepriester nicht. Warum eigentlich? Schließlich ist Lister nicht gerade religiös. In einer späteren Folge wird er sich als Pantheist bezeichnen, aber als ausgesprochen gläubig könnte man Lister nicht bezeichnen. Lister schlüpft angesichts des sterbenden Hohepriesters aber in die Rolle von Cloister, der am Ende der Tage wiederkommt und dem Hohepriester damit auch bestätigt, dass es das Paradies gibt. Sogar durch das Wunder der vermeintlich verbrannten Insignien. Wenn Religion wirklich zwecklos ist, wie Red Dwarf das andeutet, warum sagt Lister hier nicht die Wahrheit? Wäre das nicht besser als den Hohepriester zu belügen? Besser vielleicht, aber wäre es auch menschlicher?

Allerdings könnte Lister das gegenüber Rimmer nun auch tun. Wobei allerdings die Dynamik zwischen den Beiden nicht gerade freundschaftlich ist: Lister kann Rimmer nicht ausstehen und umgekehrt. Gegensätzlicher können die Beiden wirklich nicht sein. Daher hat Lister an dieser Stelle kein Mitgefühl für Rimmer und lässt ihn daher in sein Unglück laufen. Dabei zeigt allerdings auch eine Szene, dass Rimmer durchaus auch seine Gründe dafür hat, sich so zu verhalten. Gerade weil Rimmer nicht genügend Selbstbewusstsein besitzt, braucht er in gewisser Weise etwas zu dem er aufsehen kann. Und selbst wenn Lister in dieser Szene einigermaßen zu begreifen scheint, was Rimmer bewegt - das führt nicht dazu, dass Lister Mitleid mit ihm hat.

Lister spielt am Ende Gott, weil er Mitgefühl mit dem Hohepriester hat. So zwecklos vielleicht auch Religion für ihn sein mag, letzten Endes vermag er es nicht übers Herz bringen die Scharade als solche zu entlarven. Damit ist Lister zutiefst Mensch - er respektiert letzten Endes, dass die Religion an die der Hohepriester glaubt zwar erfunden ist, dass es aber für diesen durchaus Sinn ergibt. Und dass es ziemlich erbärmlich wäre jemanden den letzten Trost verweigern.

Während die Lebenden nach dem Sinn des Lebens suchen, hat der intelligente Toaster diesen schon gefunden. "Ich toaste, also bin ich", wiederholt der Toaster einen bekannten Gedankengang von Descartes. Da der intelligente Toaster sich bewußt ist, dass der nur für diesen Zweck gebaut worden ist, muss er allerdings gar nicht am Sinn des Lebens zweifeln. Außer, wenn jemand ihm genau diesen Sinn untersagt. Wie Lister. Während Rimmer ein ganzes Gedankengebäude aufgrund einer angenommenen Tatsache entwirft und die Katzenzivilisation eine Religion aufgrund von Listers Einkaufsliste entwirft, so hat der Toaster Religion in diesem Sinne gar nicht nötig. Andererseits: Ohne Toast, keine Existenz.

Die menschliche Existenz ist ohne Religion natürlich möglich. Dass Red Dwarf Religion etwas ins Lächerliche zieht ist auch unbestritten. Denn wer zettelt schon einen Dschihad nur wegen der Farbe eines Huts an? Allerdings haben sich Menschen nun auch schon wegen lächerlichen Gründen befehdet, Nachbarschaftsstreits wegen eine Baumastes, der über die Hecke hängt sind nun wirklich keine Seltenheiten. Wir Menschen neigen manchmal dazu, Petitessen zum Lebensinhalt zu erheben. Oder anders gesagt: Wir sind manchmal ziemlich kleinlich. Aber zum Schluss der Folge scheinen die Autoren der Serie dann doch etwas zu predigen, was man als Toleranz begreifen könnte. Man muss die Religion oder den Glauben des Anderen nicht teilen. Es ist auch nicht so, dass man nicht über Religion streiten kann und darf. Nur sollte das mit einer Grundhaltung des Respektes gegenüber dem Anderen geschehen. 

Seltsamerweise passt das auch zum Verhalten Listers gegenüber Rimmer: Lister weiß zwar, dass sich im Container nur Abfälle befinden - und natürlich genießt er es, seinem nervigen Zimmergenossen eins auszuwischen - letzten Endes aber lässt er Rimmer selber herausfinden, dass der Container keine Bundeslade ist. Wir dagegen als Zuschauer können weiterhin darüber schmunzeln oder angesichts der vorherigen Szene mit dem Hohepriester durchaus auch fragen, wann wir eigentlich das letzte Mal wie Lister gehandelt haben.

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