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»The Cry of Mann«: Zwischen Soap und Kunst

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»The Cry of Mann«
Zwischen Soap und Kunst

Manchmal ist es nicht so ganz einfach eine Serie richtig zu erfassen. Das kann daran liegen, dass die Serie einfach eine sehr konfuse Handlung besitzt. Es kann daran liegen, dass die Macher auch einfach bewußt sich der Konvention einer normalen Serie verweigern. Oder es liegt einfach daran, dass die Macher viel zu viel gewollt haben. Bei "The Cry of Mann" gelingt die Balance zwischen Kunst und Soap. Wobei...

Zuerst: Hinter der Serie steckt das "Wham Collective", ein Künstlerkollektiv aus Baltimore. Sie selbst bezeichnen sich als Comedians, wobei es nicht die Art von Comedy ist, die man gewöhnt ist. Wer ein Feuerwerk der guten Laune erwartet, der wird von ihren Videoarbeiten mehr als nur irritiert sein. Was nun kein schlechtes Zeichen sein muss, aber die Erwartungen dessen, was wir unter Comedy verbuchen, durchkreuzt das Collective sicherlich. (Wer einen kurzen Blick auf "allantutorial" oder "The House has People in it" wirft, wird das bestimmt feststellen.)

An der Oberfläche ist "The Cry of Mann" eine achtteilige Soap-Opera, die bei Adult Swimm ausgestrahlt wurde. Dabei wurde die Serie live gestreamt, so dass Zuschauer per Chat interagieren konnten, allerdings gab es auch die Möglichkeit live im Studio anzurufen. Inwieweit diese Interaktionen die Handlung beeinflusst haben ist schwer zu sagen - vermutlich wird es fest eingeplante Ereignisse gegeben und die Zuschauer werden wohl nur minimal Dinge beigetragen haben. Die erste Folge von "The House of Mann" bringt uns jedenfalls die Prämisse näher: Wir befinden uns im Haus der Familie Mann. Deren Oberhaupt - genannt Tank - hat vor einiger Zeit das Weite gesucht und kommuniziert mit dem Rest der Familie durch lange Monologe auf Kassetten. Dabei könnte die Familie seinen Beistand dringend brauchen, denn das Firmenimperium der Manns ist in Gefahr: Nur noch eine einzige Firma ist richtig produktiv, eine Übernahme steht kurz bevor. Während Berry, die Tochter, versucht noch einigermaßen alles zu regeln, ist ihre Stiefmutter zusammen mit ihrem Assistenten Frank dabei, die Firma in Stück zu zerschlagen. Zum Ensemble gesellen sich noch die beiden Söhne - der eine Künstler, der andere Soldat - und die Ermittlerin, die versucht Tank Manns Verschwinden aufzuklären.

So weit, so gut, so oberflächlich. Die Irritation beginnt schon in der ersten Folge damit, dass eine in orange gekleidete Dame sich dem Zuschauer zuwendet und meint, dass die Familie angerufen werden kann - die Nummer wird dann eingeblendet - und dass die Familie allerdings nicht weiß, was Telefone sind. Zudem wird diese Dame auch von den Mitgliedern der Familie nicht gesehen. Desweiteren sind die Dialoge sicherlich in der Form, die man von einer Soap-Opera erwartet, aber irgendwie sind sie - merkwürdig. Auch die Art und Weise, wie bestimmte Familienmitglieder miteinander reden ist - abstrus. Die Ermittlerin bewegt sich manchmal wie ein Roboter. Und dann taucht noch eine Figur auf, die offenbar übernatürliche Kräfte besitzt und irgendwie mit dem Assistenten Frank zusammenhängt. Nimmt man noch den Vorspann dazu, der einem Modellzug in einer künstlichen Landschaft folgt, dann merkt man: Eine normale Soap ist das nicht.

Wer jetzt "Twin Peaks" denkt - sicherlich hat die Serie hier als Vorbild gedient. Wie bei "Twin Peaks" gibt es neben der Handlung, die man verfolgt, auch noch eine andere Ebene. Wobei: Ebenen wären hier eigentlich richtiger. Es fängt schon mit der Frage an, was die Farbensymbolik zu bedeuten hat. Sämtliche Telefone sind orange, Blau spielt eine wichtige Rolle. Dann: Was ist das eigentlich für ein Krieg, aus dem der älteste Sohn zurückkehrt? Was ist der Trool-Day, auf den sich alle vorbereiten? Warum gibt es in einer Folge minutenlange Dialoge der Figuren und warum ist Tank verschwunden? Abgesehen davon: Monologe auf Kassetten? Und wir haben noch nicht mal das angekratzt, was in der eigentlichen Handlung an sich noch passiert...

"The Cry of Mann" ist nicht einfach zu deuten, was es mit "Twin Peaks" gemeinsam hat. Man kann sich einerseits von der Handlung fesseln lassen, wobei die Handlung bisweilen auch etliche Haken schlägt, aber unter der Oberfläche hat das "Wham Collecitive" etliches angesiedelt, das einem nach dem Anschauen der 8 Folgen noch nachhängen wird. Vermutlich wird der Ein oder Andere schon nach Folge 2 aufgeben, weil man sich zu Recht fragen kann: "Was in aller Welt soll das obskure Zeug eigentlich bedeuten?"

Das muss allerdings jeder für sich selbst entscheiden; sicherlich ist es nicht verkehrt, das Wort Kommunikation und die grundlegende Frage, wie Menschen miteinander reden oder was auch nicht klappen kann, in den Ring zu werfen. Es ist auf der Metaebene auch sicherlich eine Betrachtung über die Rolle des Künstlers in der aktuellen Zeit, sicherlich auch mit drin ist die Frage nach dem Außen und dem Innen. Schließlich spielt sich fast alles im Haus der Manns ab, wir sehen kaum etwas von der Außenwelt, wenn, dann eher indirekt durch Tanks Monologe. Zwar gibt es die ein oder andere Szene in der Post, aber davon abgesehen ist alles eher in sich geschlossen. Die Symbolik des Zugs, des Reisens, des Ankommens ist sicherlich auch noch etwas, was man nach dem Anschauen der Serie untersuchen kann.

"The Cry of Mann" ist nicht für Jeden. Der Serie gelingt es allerdings, die Handlung voranzutreiben und gleichzeitig verstörend zu sein. Auf einer vielleicht noch tieferen Ebene als "Twin Peaks" sogar. Dass "Adult Swim", Heimat von "Rick und Morty" das Wagnis einging auch Zuschauer direkt mit einzubeziehen, das ist etwas, was diese Serie sicherlich von anderen abhebt. Ob das immer geklappt hat, das ist fraglich. Sicher aber bleibt "The Cry of Mann" auch nach dem Ende im Gedächtnis. Oder vielleicht gerade wegen des Endes? Also, ich möchte jetzt nicht spoilern, wenn man sich bis zum Ende durchgesehen hat, wird man sicherlich mehr als nur überrascht sein. Vor allem, was die eigentliche Handlung angeht... (Und wer Verständnisprobleme hat: Es gibt ein Reddit und Night Mind hat eine Analyse in Videoform abgeliefert. Gerne.)

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