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Buchblogger und die Professionalisierung oder wie Karla Paul in Leipzig die Blogger verschreckte

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne

Buchblogger und die Professionalisierung ...
... oder wie Karla Paul in Leipzig die Blogger verschreckte

Da hat die Karla Paul die an sich doch recht flauschige und nette Buchblogger-Szene aufgeweckt. Nein: Regelrecht verschreckt hat sie sie bei der Buchmesse Leipzig. Denn sie lieferte zu der blogger:sessions-Konferenz - über die ich im Vorfeld irgendwie nicht so richtig was mitbekommen habe, man erinnert sich noch an meine Fragen zum Thema Buchblogger und Buchmesse so einige Wochen vor der Buchmesse Leipzig selbst? - einen Impulsvortrag.


Heute heißt sowas Keynote. Und die hat eine ganze Menge von Buchbloggern aufgeschreckt und verschreckt, ja, es gab empörte Beiträge sogar. Warum eigentlich?

In der Keynote hat Karla Paul erst mal festgestellt, dass das Feuilleton und Buchblogger sich seit einiger Zeit nicht gerade in den Armen liegen. Das Feuilleton, das natürlich auch digital anwesend ist, Portale wie Nachtkritik etwa oder der Perlentaucher zeugen davon, abgesehen davon dass die Zeitungsfeuilletons natürlich online zugänglich sind. Also meistens. Wenn man nicht gerade an eine Paywall gerät, aber dann ist das Thema eh durch. Dass das Feuilleton sozusagen gnädig und etwas abschätzend auf die Buchblogger blickt ist allerdings nun nichts Neues, denn schon immer haben Journalisten und Blogger ein Problem. Miteinander. Wobei eher Journalisten das Problem mit Blogs haben und hatten und seit 2004 immer wieder darum gestritten wird, was denn nun Blogs für den Journalismus sein können. Selbst nachdem Blogs in den Verlagshäusern angekommen sind. Aber Grundsatzdebatten führen wir Deutschen immer gerne. Und lange.

Nun nimmt Karla Paul das Biotop des Buchbloggers ein wenig auf die Spitze: Flauschig, Katzenliebhaber, sortieren Bücher nach Farben - ja, natürlich tun Blogger das. Denn ein Blog ist etwas Persönliches und Leser lieben Geschichten. Und der passende Tee zum Buch und Bloggerstöckchen mögen in den Augen der Verlage etwas obskur wirken, aber gerade das macht das Flair von Blogs aus. Das Persönliche. Sarkastisch kommentiert Karla Paul die Ansicht von den professionellen Buchverlegern: "Wo kommen wir denn da hin, im Land der Dichter und Denker, wenn jetzt jeder lesen und schreiben und veröffentlichen und ohne Germanistikstudium sogar noch rezensieren kann?!" Und legt eine Schippe drauf, wenn sie von Zäunen im Denken spricht. Hier das gebildete Feuilleton und dort die abgeranzten Gassenkinder - diese Ansicht ist nun nicht gerade wenig verbreitet.

Karla Paul nimmt dagegen die Buchblogger in Schutz. Bevor das böse Wort fällt, dass die Buchblogger so aufregt - "Professionalisierung" - scheinen diese überhaupt nicht den ganzen Teil vorher gelesen zu haben, in dem Karla Paul gegen die Meinung angeht, man dürfe nur Bücher rezensieren wenn man einen gewissen Bildungsgrad habe oder gar wisse, was der Autor wirklich in Zeile 5 auf Seite 7 gemeint habe, weil man die wissenschaftlichen Forschungsarbeiten durchgeackert hat. Auf einmal kann und darf jeder rezensieren. Das ist ungefähr die Lage, wie wir sie schon - ja - doch - 2004 hatten. Auf einmal ist die Rolle des Gatekeepers - damals der Journalist - durch die Blogs in Frage gestellt worden und gerät ins Wanken. Dass das Ganze eine Sinnkrise im Feuilleton auslöst war klar. Aber irgendwie ist die Buchbranche mal wieder eine Bastion, die als letzte in den Sog der Digitalisierung gerät - und mit ihr das Feuilleton, das auf einmal Aufmerksamkeit mit dem kleinen Buchblogger um die Ecke teilen muss, der halt Herzchen und Emotionen als Wertmaßstab nimmt. Ich weiß ja nicht, was an Emotionen so schlecht sein soll...

Jetzt aber, jetzt kommen wir zum Empörungsteil: Karla Paul fordert die Professionalisierung der Branche. Entsetzt schreien da Manche auf: Professionalisierung? Für etwas, was man aus Liebe tut Geld verlangen? Sich verkaufen? "Buchblogger müssen einen Scheiß" formuliert sich da die Kritik am Drastischsten. Stimmt. Blogger müssen erstmal gar nichts. Und natürlich spielt die Sicht einer Verlagsfrau, die Karla Paul ist, sicherlich auch mit. Und ja, im ersten Teil des Absatzes klingt es nach der Forderung, raus aus der Flauschzone zu kommen nun wirklich so, als müsse man jetzt mit allen Mitteln und aller Macht Geld machen mit dem Blog. Zu kritisieren ist jedenfalls, dass das von ihr genannte Herzblut nicht bei jedem die Miete bezahlt - das haben Blogger aber auch in der Regel nicht unbedingt nötig. Also dass das Blog die Miete bezahlt. Und selbst wenn: Nur wenige können davon leben. Wir haben das doch schon in der letzten Zeit bei den Youtube-Stars mitbekommen, oder? Natürlich haben wir das. Und wenn jemand nicht von seinem Blog leben kann oder möchte ist Karla Paul nicht diejenige, die nun bestimmen kann und darf, was Professionalisierung eigentlich ist. Oder heißt. Außerdem hat sich da mal ein gewisser Sascha Lobo mit der "Professionalisierung der Blogosphäre" gewaltig in die Nesseln gesetzt. Sollte man nicht tun. Nesseln tun weh.

Womit Karla Paul aber durchaus Recht hat: Buchblogger sollten sich mit SEO und Statistiken beschäftigen. Die meisten System liefern ja schon mal eine Funktion dafür mit. Und nun mögen die Barcamps und Konferenzen, die ich besuche nicht das Feld für Buchblogger sein, aber ich habe noch keinen - selbst beim sehr offenen BarcampRuhr übrigens - Buchblogger oder Buchtuber dort getroffen. Nun, ich gehe auch nicht unbedingt auf jede Buchmesse, daher ist das nicht repräsentativ, aber die Aufforderung Konferenzen zu besuchen kann ich nur weitergeben.

Aber eigentlich möchte Karla Paul auf etwas anderes hinaus und ich glaube, darüber kann man nachdenken: Kann es nicht sein, dass die Buchblogger - nicht alle, natürlich nicht - sich momentan noch unter Wert verkaufen? Ich möchte hier nicht erneut - ich bin wirklich alt, seufz - die Diskussion über eine Buchbloggergesellschaft anstoßen, das hatten wir auch alles schon mal - aber Karla Paul ermuntert im letzten Absatz der Keynote die Buchblogger durchaus, sich selbstbewußter darzustellen, sich mit dem eigenen Wert zu beschäftigen und natürlich kann man den eigenen Wert mit Zahlen untermauern. Dabei helfen Statistiken auf jeden Fall. Und vielleicht hilft es dann gegenüber Verlagen mit erhobenen Häuptern aufzutreten und sich nicht nur mit Gimmicks zufrieden zu geben. Darüber kann man nachdenken. Und auch über das Verhältnis zwischen Feuilleton und Buchbloggern. Und wenn wir dann mal festhalte, was Professionalisierung eigentlich ist und bedeutet, dann können wir vielleicht auch etwas unaufgeregter über solche Dinge diskutieren. Die Meinungen waren nach der Buchmesse ja durchaus vielfältig. Was eigentlich nicht so schlecht ist. Welchen Tee würdet ihr mir übrigens zu "Der Papyrus des Cäsar" empfehlen? Ich finde da keine Anregungen im Internet zu.

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