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Vollmondnächte - eine Story

StoryVollmondnächte
Eine Story

Im Club-Letter Nr. 34 erschien im Mai 1984 eine Story von Uwe Schnabel und Heike Müller.

Auf Wunsch gewisser Leute habz ihr das Vergnügen die Story hier lesen zu können.

Viel Spaß dabei!

VollmondnächteScoth Duran las mit Interesse die Schlagzeilen der Tageszeitung: „Wieder ein grauenvoller Mord an einem jungen Mann! Wer kann Hinweise auf das Opfer oder den Täter geben?“

Aber auch diese Schlagzeile konnte seine trüben Gedanken wegen der Trennung von seiner Freundin nicht vertrei­ben, und so las er den darunterstehenden Bericht gar nicht mehr, sondern blätterte weiter in der Zeitung. Den Sport, den er sonst immer ausgiebig studierte, überschlug er. Um sich ein wenig abzulenken, versuchte er, alle möglichen Spalten zu lesen, aber es half nichts. Erst als er an die Kleinanzeigen gelangte, wurde sein Interesse durch folgendes Inserat geweckt:

„Wer hat Mitleid mit einem 20jährigen Mädchen, das in Vollmond­nächten sehr schlecht einschlafen kann und deshalb nicht allein sein will?"

Nun, Scoth kannte das Problem, denn seine Schwester hatte die gleichen Schwierigkeiten und hatte sie erst verlo­ren, nachdem sie geheiratet hatte. Die­ses Phänomen hatte ihn immer fasziniert. Daß sich auch die Wissenschaft mit den Auswirkungen des Vollmondes auf den Menschen beschäftigte, war für ihn ein Beweis, daß viele Menschen sich mit solchen Problemen herumschlagen mußten.

Während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, beschloß er, auf das Inserat zu antworten. Da nur eine Tele­fonnummer angegeben war, rief er gleich an. Aber es war nur ein Anrufbeantwor­ter eingeschaltet und Scoth hinterließ seine Adresse mit dem Hinweis, daß er ihr gerne helfen würde.

Scoth wartete einige Tage, aber es kam keine Antwort auf seinen Anruf. Mit der Zeit überwand er den Schmerz der Trennung und seine gute Laune kehrte zurück. Bald vergaß er auch die Anzeige und ging ganz in seiner Arbeit auf.

Kurz bevor die Vollmondnächte anfin­gen, lernte Scoth in einem Kino ein hübsches schwarzhaariges Mädchen kennen. Sie warteten beide auf den Beginn des Films „Das letzte Einhorn". Da der Film ausverkauft war, bekamen sie rein zu­fällig zwei Plätze nebeneinander ange­wiesen. Der Film gefiel ihnen beiden und sie kamen auf die Idee, nach dem Kino eine Kleinigkeit zu essen. Die Snackbar war für ihre Wünsche nicht besonders gut sortiert und so gingen sie in einen Drive-ln-Schnellimbiß. Er fragte sie, was sie haben wolle, und sie antwortete: „Ein Steak mit Beilagen, aber das Steak nur ganz kurz angebraten." Er gab die Be­stellungen auf, und nach dem Essen er­zählten sie sich etwas voneinander. Ihre Lebensgeschichte hörte sich nicht schlecht an. Aber als sie erzählte, daß sie in den Vollmondnächten kaum Schlaf finden würde, wurde er plötzlich wieder an die Kleinanzeige erinnert. Mit einem Mal verlor er jedes Interesse an seinem Gegenüber und er erzählte ihr, daß er mal kurz telefonieren müßte.

Zum Glück gab es in dem Imbiß ein Telefon und er rief eine bestimmte Nummer an.

Plötzlich lächelte das Mädchen und ihr Gesicht bekam einen unheimlichen Ausdruck, als sie murmelte: „Da kannst du lange anrufen, denn ich bin ja schon bei dir."

Sie hatte erst einmal herausfinden wollen, wer sich auf ihre Anzeige gemel­det hatte. Seine Stimme klang zwar recht angenehm, als sie den Anrufbeantworter abhörte, aber man konnte ja nie wissen...

Er kam mit einem etwas langen Gesicht wieder und fluchte. Sie fragte: „Was ist denn los?" Wieder fluchte er und sagte: „Hat sich nur um einen be­ruflichen Termin gehandelt. Aber, wol­len wir uns nicht morgen wiedersehen?"

Sie beschloß, ihm noch einige Zeit zu verheimlichen, daß sie das Mädchen war, das das Inserat aufgegeben hatte, und antwortete: „Nein, nicht morgen, aber ich werde dich in zwei Tagen besuchen, wenn du willst."

Er willigte ein und gab ihr seine Ad­resse. Er sah zwar ihr Schmunzeln, dachte sich aber nichts dabei.

Endlich war es soweit. Das freundli­che Mädchen, von dem er nur den Vornamen kannte, würde in einer halben Stunde hier sein. Er hatte seine Junggesellenwohnung auf Vordermann gebracht; es sah sehr gemütlich aus, wie er sie ge­staltet hatte. Er freute sich schon rich­tig darauf, daß sie kam, aber irgendwie hatte er auch ein ungutes Gefühl, er wußte nur nicht, warum.

Es klingelte und er nahm den Tele­fonhörer ab. Sie war dran und entschuldigte sich, daß sie erst gegen Mitternacht kommen könne. Früher ginge es leider nicht, da sie noch einen wichtigen Termin habe und den auf keinen Fall versäumen könne. Er war etwas nachdenklich, stimmte aber trotzdem zu, daß sie dann eben später kommen sollte.

Er überlegte; ihre Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor, aber das konnte ja nicht sein, schließlich telefonierte er das erste Mal mit ihr.

VollmondnächteDie Zeit bis 24 Uhr schien gar nicht zu vergehen, aber als seine Stand­uhr 12 schlug, klingelte es auch an der Tür. Er öffnete, und das Mädchen stand in einem traumhaften Kleid vor ihm. Es gab eigentlich alles; aber auch nichts preis. Sie sah darin wie eine Königin aus. Ihr schwarzes Haar fiel locker über ihre Schulter und sie lächelte ihn vielverspre­chend an.

Er konnte sich gar nicht an ihr sattsehen und sie merkte es auch. Er fragte sich zwar innerlich, warum sie bei der Kälte keinen Mantel trug, aber der lag ja vielleicht in ihrem Auto. Er führte sie zum Sofa, bot ihr etwas zu trinken an und nach kurzer Zeit schon tauschten sie Zärtlichkeiten aus. Nachdem er sie ausgezogen hatte, trug er sie zu seinem rie­sigen Bett, das direkt unter dem großen Fenster stand. Er legte sie behutsam nie­der und wollte dann den Rolladen herun­terlassen. Aber sie flüsterte ihm zu:

„Bitte nicht, ich möchte gern den Mond sehen. Hier in deinem Penthouse kann uns ja niemand beobachten. Also laß ihn oben.“ Ihm war es egal und er legte sich zu ihr.

Nachdem sie sich stürmisch geliebt hatten, steckte er sich eine Zigarette an und legte sich auf den Bauch. Sie setzte sich auf seinen Rücken und massierte ihn. Er schnurrte wie eine Katze. Und da sah er plötzlich, daß sein Freund, ein Ka­ter, vor dem Fenster saß.

Er wollte aufstehen, aber Thoy, so war ihr Name, ließ es nicht zu. Sie sag­te nur: „Diesen schmutzigen Kater läßt du hier nicht herein, solange ich da bin. Ich kann Katzen nicht ausstehen, sie sind mir zuwider."

Er schaute erst sie an, dann den Ka­ter. Was sollte er machen? Es stimmte zwar, der Kater war dreckig, aber das kam nur von dem naßkalten Wetter. Das Tier tat ihm leid. Außerdem war der Kater sein wirklicher Freund und so versuchte er nochmals aufzustehen. Wieder­um ließ sie ihn nicht hochkommen und zischte: „Entweder der Kater oder ich! Entscheide dich, aber schnell! Du kannst nur eines von beiden haben!"

Jetzt reichte es ihm und er drückte sich mit aller Gewalt hoch. Sie fiel von seinem Rücken und kreischte: „Laß ja das Katzenvieh draußen...“"

Er aber hörte gar nicht mehr hin, denn ein Mädchen, das seinen Kater nicht akzeptieren wollte, war sowieso für ihn gestorben. Er hatte fast den Fen­stergriff erreicht, als er in der Glas­scheibe hinter sich ein behaartes Wesen stehen sah...

Er drehte sich schockiert um, da sprang das Wesen auch schon auf ihn zu. Es bekam immer mehr Haare und der Rücken krümmte sich. Aus dem Gesicht wuchs ein Wolfsmaul und knurrte schau­rig los. Und schon sprang der Werwolf auf ihn und riß ihn wieder aufs Bett zu­rück.

VollmondnächteScoth schrie verzweifelt auf, und seine Stimme rief gellend: Nicht, Thoy!“ Es kam ihm makaber vor, dieses unheimliche Wesen mit dem Namen des hübschen Mädchens anzurufen. Aber schon spürte er, wie die scharfen Krallen tiefe Risse in seine Haut zogen, es brannte wie Feuer, als sie ihre Spur hinterließen. Er wehrte sich verzweifelt, und mitten im Kampf fiel ihm mit einem Mal ein, woher er Thoys Stimme kannte. Es war die Stimme vom Anrufbeantworter des Mädchens, das Schlafschwierigkeiten in Vollmondnächten hatte!         Ausgerechnet jetzt fiel ihm ein, daß er die Geschich­ten Ober Werwölfe immer als Phantaste­reien abgetan hatte, wenn er beim Stu­dium der Artikel über Auswirkungen des Vollmonds auf den Menschen darauf gestoßen war. Thoy - war sie es wirklich? - sah ihn überlegen an und fragte tückisch: „Na, weißt du endlich, wer ich bin?"

Er nickte verängstigt und gleichzeitig kamen ihm die Bilder aus der Zeitung in den Sinn, auf denen die Leiche eines schrecklich verstümmelten jungen Man­nes zu sehen war. In der gleichen Zeit­ung war auch ihr Inserat gewesen. Jetzt könnte er Hinweise auf den Täter bzw. die Täterin geben, aber dazu wurde er beim besten Willen nicht mehr kommen. Schon spurte er ihren kalten Atem an seinem Hals und sie biß zu...

Dabei schien der Vollmond direkt auf das große Bett und der Kater spielte am Fenster verrückt. Aber auch er konnte seinem Herrn nicht mehr helfen.

Drei Tage später fand man die übel zugerichtete Leiche, aber vom Täter wiederum keine Spur.

Erwähnenswert sei noch, daß das In­serat mit dem gleichen Text kurze Zeit später in einer anderen Großstadt erschien.

Sollten Sie also irgendwann einmal dieses oder ein ähnliches Inserat lesen, so lesen Sie es zuende, aber dann ver­gessen Sie es sofort. Irgendetwas an dieser Geschichte könnte ja wahr sein...

(Jede Ähnlichkeit mit wahren Begeben­heiten wäre zufällig beabsichtigt.)

© by Uwe Schnabel & Heike Müller 1984

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2021-11-19 13:44
Nostalgisch.
#2 Robert Martschinke 2021-11-19 22:36
Hätte der gute Scoth mal besser "American Werewolf" geguckt. - Dann hätt´ ihm vielleicht was geschwant ...
#3 matthias 2021-11-20 15:27
Da ich in einem Kommentar den Uwe bat, mal sowas zu veröffentlichen (und er es jetzt tat) möchte ich mich dafür bedanken.
Die Story hat mir gefallen. Sie war natürlich vorhersehbar, aber der Part mit dem Kater war nicht schlecht.
Gerne mehr davon!

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