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Der verlorene Tag

StoryDer verlorene Tag

Während meiner Kindheit gab es einen Tag im Jahr, den ich jedesmal als absolute Katastrophe erlebte, und das war der Karfreitag. An diesem Tag sind meine religiösen Eltern erzkonservativ gewesen und haben sich eisern an die Regeln gehalten, und ich natürlich auch - gezwungenermaßen! Das ging schon beim Frühstück los: Es gab keinen Kaffee, sondern nur einen faden Tee, eine Scheibe trockenes Brot mit einem noch faderen Brotaufstrich, und sonst nichts. Fleisch und Wurst waren am Karfreitag typischerweise gestrichen, aber meine Eltern haben den Zucker ebenfalls vom Speiseplan genommen.

Nicht, dass mir das geschadet hätte, aber als Kind versteht man solche drakonischen Regeln leider wenig bis gar nicht, und wenn ich ehrlich bin, dann verstehe ich sie heute immer noch nicht.

Auf jeden Fall musste ich mich wohl oder übel an die Spielregeln halten und an diesem Tag fasten, sowohl körperlich als auch geistig, denn an diesem Tag war schlichtweg alles verboten, was auch nur ansatzweise einen Unterhaltungswert hatte. Ich erinnere mich noch daran, wie ich am Karfreitag nichts Böses ahnend das Lied "Relax" von Frankie Goes To Hollywood auf dem Kassettenrekorder gehört habe. Dann kam mein Vater erzürnt hereingestürmt und hat mich zusammengestaucht: "An so einem Tag wie heute, da hört man so eine Musik nicht!"
Dabei hatte er noch nicht mal eine Ahnung davon, um was es in dem Liedtext überhaupt ging, und ich natürlich auch nicht. Hätte er damals die deutsche Übersetzung von "Relax" vorliegen gehabt, dann hätte er meinen Kassettenrekorder mitsamt der Kassette samt und sonders in den Mülleimer geschmissen und mir das Musikhören für alle Zeiten untersagt, denn streng katholischen und erzkonservativen Eltern hätten die Lyrics von "Relax" ganz sicher nicht gefallen. Ich habe dann meinen Kassettenrekorder ausgemacht und weiter an die Decke gestarrt, denn viel mehr ist mir leider nicht übrig geblieben.

Selbst Jahre später, da war ich schon volljährig, habe ich mir erlaubt, am Karfreitag zur Entspannung den Film "Amityville Horror 4" anzusehen. Dann kam erneut mein Vater hereingestürmt und hat mich zusammengestaucht: "An so einem Tag wie heute, da sieht man solche Filme nicht!"
Recht hatte er, denn der Film war Schrott, den hätte ich mir auch sparen können. Allerdings war ich ziemlich überrascht gewesen, dass mir der Vater selbst im jungen Erwachsenenalter noch immer solche drakonischen Regeln auferlegen wollte. Aber so ist das halt mit strengen Eltern. Amen!

"This is Sparta!"

Doch zurück zu meiner Kindheit: Nach dem sparsamen Frühstück war Langeweile angesagt, denn im Gegensatz zu heute gab es damals rein gar nichts im Fernsehen, und mit rein gar nichts meine ich tatsächlich rein gar überhaupt nichts. Heute ist das natürlich anders. An allen hohen Feiertagen überbieten sich die Fernsehsender von 6:00 Uhr an geradezu mit einem breitgefächerten Kinderprogramm, das sich nonstop über den ganzen Tag erstreckt. Aber Anfang der 80er Jahre war davon noch nichts zu spüren. Da gab es am Karfreitag schlichtweg überhaupt nichts für Kinder im Fernsehen, keine einzige Kindersendung weit und breit. Nicht, dass mir das geschadet hätte, aber hart war es trotzdem, wenn man den ganzen Tag über keinerlei Möglichkeiten zur Unterhaltung hatte, vor allem als Kind empfand ich das als richtig schlimm. Mir hat es jedes Jahr vor dem Karfreitag gegraust. Am Nachmittag liefen ein paar alte Monumentalfilme im Fernsehen, die noch langweiliger waren, als aus dem Fenster zu schauen, also habe ich lieber aus dem Fenster geschaut. Zum Mittag- und Abendessen musste ich zwar nicht hungern, aber auch da gab es ein spartanisches Diätprogramm, das mich nicht gerade in Begeisterungsstürme ausbrechen ließ. Die Eltern hätten ja zumindestens eine vegetarische Pizza machen können, oder Spaghetti, aber das war leider keine Fastenmahlzeit, und so blieb mir auch das verwehrt. Einen Tag lang kann man so ein Sparprogramm natürlich schon aushalten, aber mir kam das immer ewig vor. Süßigkeiten waren natürlich auch gestrichen, das versteht sich ja von selbst. Einmal habe ich heimlich ein Stück Traubenzucker gegessen. Ich weiß zwar nicht, ob das erlaubt war, oder ob ich dafür eines Tages in die Hölle kommen werde, aber ich habe mir das trotzdem gegönnt. Schokolade und Gummibärchen natürlich nicht. Ich war ja nicht verrückt. Hätten das meine Eltern spitz gekriegt, hätten sie mir die Leviten gelesen. So saßen wir am Nachmittag stumm herum und harrten der Dinge, die da kommen würden, aber es kam halt leider nichts. Es gab auf dem Videotext noch nicht mal den Witz des Tages. Als ich diesen aufrufen wollte, hieß es dort nur lapidar: "Aus gegebenem Anlaß muss der Witz des Tages an diesem Trauertag leider ausfallen!".

So ein Mist aber auch. Und warum überhaupt trauern? Da konnte ich doch nix dafür, dass sich der Jesus damals so saudumm angestellt hat, dass man ihn deswegen verurteilt und ans Kreuz genagelt hat. Der hätte sich mit seinen großen Sprüchen wohl besser nicht so weit aus dem Fenster gelehnt. Das hatte er jetzt davon! Und ich musste deswegen den ganzen Tag darben. Ich verstand das einfach nicht, warum ich wegen jemandem trauern sollte, den ich noch nicht mal kannte. Aber mir blieb leider gar nichts anderes übrig, und so fügte ich mich in mein Schicksal und ließ die Stunden an mir vorübertröpfeln, bis zum bitteren Ende. Am Abend gab es dann zum "Höhepunkt" des Tages noch einen Jesusfilm mit Kreuzigung. Das war dann immer das traurige Highlight des Karfreitags gewesen. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich an einem Karfreitag die Fernsehzeitung studiert habe, und auf ARTE lief damals am Abend "Der Elefantenmensch" von David Lynch. Dieser Film hätte mich brennend interessiert, aber wir haben damals ja kein ARTE empfangen, also ist auch das unter den Tisch gefallen. Darum bin ich immer früh ins Bett, damit das Elend irgendwann ein Ende hatte.

All You Can Eat

Der Karsamstag war dann schon nicht mehr ganz so schlimm, da gab es zum Frühstück bereits wieder Kaffee mit Zucker, und auch sonst war das Fasten weitestgehend aufgeweicht worden. Selbst das Fernsehprogramm war an diesem Tag schon um einiges besser. Es ging also langsam aufwärts. Der Karsamstag war fast schon wieder ein Tag wie jeder andere auch, und es gab natürlich die Vorfreude auf Ostern. Spätestens am Sonntag gab es dann aber kein Halten mehr, und wir hatten wieder das volle Programm: Fettes Osterfrühstück mit Eier und Schinken, mittags einen noch fetteren Braten, den ganzen Tag über richtig fette Schokoladeneier, und am Abend war ich dann meistens noch so satt, dass ich nicht mehr viel gebraucht habe, aber ein fettes Wurstbrot hatte immer noch Platz. Am Montag war natürlich ebenfalls wieder Völlerei angesagt. Auch die Eltern haben fleißig mitgefuttert, als gäbe es kein Morgen mehr. Kein Wunder, waren wir doch komplett ausgehungert nach dem langen Darben und Fasten. Für mich war das irgendwie trotzdem immer ein wenig scheinheilig gewesen. Warum musste man sich am Karfreitag all das entsagen, was man zwei Tage später doppelt und dreifach wieder reingefressen hat? Das ergab doch alles gar keinen Sinn. Nein, das tat es auch nicht, aber Spaß gemacht hat es trotzdem, sich am Ostersonntag und Montag durch einen Berg an Ostereiern zu fressen. Die Voraussetzung dafür war lediglich, am Karfreitag so intensiv wie möglich zu fasten, körperlich wie auch seelisch. Ich habe immer gebetet, dass sich dieser Tag eines Tages zum Besseren wenden würde. Wenn ich mir nur die langen Stunden ein wenig erträglicher hätte machen können, dann wäre der Tag gar nicht mal so schlimm gewesen. Was also konnte ich tun, um diesem Elend wenigstens ein bißchen zu entkommen? Der Zufall sollte mir zu Hilfe kommen.

Wie man eine Niederlage in einen Erfolg verwandelt

Für Romane konnte ich mich als Kind nie begeistern. Diese Bleiwüste war mir damals immer zu suspekt gewesen. In jungen Jahren habe ich ausschließlich Comics gelesen. Und ich hatte damals schon eine unbändige Sehnsucht nach Gruselgeschichten. Ich habe die Fernsehzeitung jede Woche nach Gruselfilmen abgesucht, wohl wissend, dass ich diese ohnehin nicht sehen durfte, weil wir damals noch keinen Videorekorder hatten und ich zudem jeden Tag früh ins Bett gehen musste. Von daher keine Chance auf Gruselfilme. Manchmal habe ich mir die Gruselcomics "Gespenster-Geschichten" oder "Spuk-Geschichten" gekauft, aber die waren nicht billig und auch immer viel zu schnell gelesen. Stand ja eh nichts drin in diesen Comics. Gruselhörspiele hätte es zwar gegeben, aber die waren damals teuer und für mich fast unerschwinglich, die schieden ebenfalls aus. Was also tun, wenn man Gruselgeschichten konsumieren möchte, man aber an Filme nicht rankommt und die entsprechenden Comics sowie Hörspiele zu kostspielig waren? Tja, da war guter Rat teuer!

Eines Freitagnachmittags am Ende des Februars 1986, als ich mit meiner Mutter beim Einkaufen war, habe ich beim Stöbern im Printmedien-Regal einen Dreierpack mit Gruselromanen gesehen. Dann habe ich mir spontan gedacht: Der muss her! Ich bin kurzerhand über meinen Schatten gesprungen, habe meine Abneigung gegen Romane zur Seite geschoben und mir den Dreierpack von meinem Taschengeld gekauft. Meine Mutter war zwar nicht begeistert, aber da die drei Hefte sehr günstig waren, hatte sie nichts dagegen einzuwenden. Leider entpuppte sich das mittlere der drei Hefte als Krimi, was ich aber erst beim Öffnen der Klarsichtfolie bemerkt hatte, denn von außen war das nicht zu sehen gewesen. Eine typische Mogelpackung also. Die anderen beiden Hefte dagegen waren Remittenden von der zu diesem Zeitpunkt schon längst eingestellten Romanserie "Geister-Krimi". Voller Neugier entschied ich mich für das erste Heft, dessen Titelbild mich bereits zum Kauf animiert hatte, und das war der Roman "Druidenpriester gehn aufs Ganze". Ich hatte zunächst schon Bedenken, ob ich der Geschichte überhaupt würde folgen können, denn ich war zu diesem Zeitpunkt nicht geübt im Lesen von Romanen, aber meine Bedenken waren unbegründet, denn die Geschichte war superspannend. Zwischenzeitlich haben an diesem Freitagabend auch meine Eltern kurz in das Heft reingelesen. Meinem Vater war aber das Fernsehprogramm letztendlich wichtiger gewesen, und meine Mutter hat die Lektüre verächtlich zur Seite geschoben mit den Worten: "Das ist ein völlig kitschiger Liebesroman!"

Ich weiß zwar nicht, wie sie zu dieser wenig geistreichen Beurteilung gekommen ist, aber ein Liebesroman war das mit Sicherheit nicht, sondern eine klassische Gruselgeschichte, wie sie im Buche steht. Ich war total begeistert von der Erzählung, und ich war auch ein wenig stolz darauf, dass ich meinen allerersten Roman gelesen und verstanden hatte. Danach versuchte ich mich an dem zweiten Geister-Krimi, doch der war unglaublich schlecht und furchtbar langweilig. Die Ausbeute aus diesem Dreierpack war deshalb ziemlich mager gewesen, aber ich hatte Blut geleckt, und das war die Hauptsache.

"Die Liebe ist ein wildes Tier, sie atmet dich, sie sucht nach dir."

Im März 1986 begab ich mich wieder in den Supermarkt und stöberte im Romanregal, was für mich ein völlig neues Terrain gewesen ist, denn bislang hatte ich mich ausschließlich bei den Comics aufgehalten. Folglich kannte ich mich mit Romanserien auch überhaupt nicht aus, und ich suchte erstmal nach weiteren Geister-Krimis, aber diese Serie gab es bereits seit 1981 nicht mehr, was ich zum damaligen Zeitpunkt aber nicht wusste. Zum Glück gab es aber noch andere Gruselserien, und ich hatte mir bald eine ausgesucht, die auf mich einen äußerst vielversprechenden Eindruck machte. Das Heft trug den Titel "Die Höllenfahrt des Geisterzuges" und stammte aus der Serie Dämonenkiller. Der Schriftzug Dämonenkiller hat mich damals sofort angesprochen, denn das hörte sich einfach klasse an. Das Heft musste ich haben! Dieser Tag war ein Wendepunkt in meinem Leben, den ich hatte die literarische Liebe meines Lebens gefunden, nur wusste ich das damals ebenfalls noch nicht. Die Lektüre des Geisterzuges war jedenfalls genial. Jetzt war ich erst recht begeistert, und urplötzlich hatte ich die beste Idee meiner Kindheit: In zwei Wochen war doch Ostern, und da stand mir wieder dieser unsäglich langweilige Karfreitag bevor. Aber diesmal würde das anders laufen, dachte ich mir, denn dieses Jahr würde ich mir zwei Dämonenkiller für den Karfreitag aufheben, und so kaufte ich mir die nächsten beiden Hefte dieser Serie, ließ sie aber unangetastet und ungelesen liegen. Dadurch freute ich mich diesmal so richtig auf den Karfreitag, denn jetzt hatte ich ja einen wirklich guten Grund zur Vorfreude.

Und was das für ein guter Grund gewesen war, denn die beiden Dämonenkiller-Romane, die ich mir aufgehoben hatte, waren der Hammer. Die Hefte hießen "Condano, der Magier" und "Jagd auf den Zeitkristall" und stammten von G. Hastur. Zu meiner Überraschung war das ein Zweiteiler, und was ich damals erst recht noch nicht wusste, war, dass diese Romane von meinem späteren und heutigen Lieblings-Heftromanautor geschrieben worden waren, nämlich von Werner Kurt Giesa, einem Großmeister seines Fachs. Dass sich hinter dem Pseudonym G. Hastur der gute alte Giesa verbarg, das war mir lange Zeit nicht bewusst gewesen. Wie denn auch? Ohne Internet war das damals fast ein Ding der Unmöglichkeit, die realen Namen hinter den Heftroman-Pseudonymen herauszufinden.

Am 28.03.1986 war es dann soweit: Der Karfreitag war endlich gekommen, und es war das erste Mal, dass ich mich auf diesen Tag so richtig freute. Selbst das öde Fastenfrühstück konnte mich nicht von dieser Freude abhalten. Am Vormittag zog ich mich in mein Zimmer zurück, denn ich konnte mich vor lauer Neugier kaum noch  bremsen. Im Wohnzimmer wollte ich das Heft erstmal lieber nicht lesen, denn was hätte ich dann aller Wahrscheinlichkeit nach wieder zu hören bekommen? Richtig, mein Vater wäre erzürnt hereingestürmt und hätte geschimpft: "An so einem Tag wie heute, da liest man solche Heft nicht!"

Auf diesen Spruch konnte ich diesmal aber getrost verzichten, weshalb ich in meinem Zimmer zu lesen begonnen habe, und ich war total fasziniert von der Handlung. Den ersten Teil hatte ich im Laufe des Tages komplett fertig gelesen, und vom zweiten Teil habe ich den Anfang geschafft, und dann war der Tag auch schon vorbei. Das war diesmal aber ungewöhnlich schnell gegangen, dachte ich mir. Ich war ganz überrascht, wie zügig ich meinen bisherigen Alptraumtag überbrücken konnte, und seit diesem Jahr hatte der Karfreitag für mich jeglichen Schrecken verloren. Den angefangenen Roman las ich über die Osterfeiertage noch zu Ende, und zu diesem Zeitpunkt stand für mich schon lange fest, dass ich den Dämonenkiller fortan regelmäßig lesen würde, und ein paar andere Gruselheftromanserien sollten sich später noch hinzugesellen. Erstmals konnte ich meine große Leidenschaft für Gruselgeschichten so richtig ausleben, denn Heftromane zu lesen war so ganz anders als das Lesen von Comics. Die Comic-Leserei war irgendwie passiv, man musste sich praktisch nur ein paar Bilder angucken, aber Romane zu lesen fand dagegen auf einem ganz anderen Level statt, denn hier musste man die komplette Geschichte in seinem Kopf entstehen lassen. Das war für einen reinen Comic-Leser, wie ich damals einer war, zwar erstmal anstrengend, aber ich hatte mich schnell daran gewöhnt, und die Comics gerieten ab diesem Zeitpunkt so langsam aber sicher immer weiter ins Hintertreffen. Fortan las ich in den Osterferien, und vor allem natürlich am Karfreitag, meine Lieblingsserie Dämonenkiller. Später wurden dann auch noch die Weihnachtsferien standardmäßig mit Dämonenkiller-Lektüre ausgestattet. Da diese Serie zu meinem Leidwesen im Herbst 1986 eingestellt worden war, musste ich mir die noch verbliebenen Hefte einteilen. Deshalb las ich den Dämonenkiller ausschließlich in den besagten Schulferien. Da ich mir aber im Nachhinein viele alte Hefte der Serie zugelegt hatte, konnte ich in den Ferien so richtig aus dem Vollen schöpfen. Als ich dann später berufstätig geworden bin, hat sich das aber schlagartig aufgehört. Es gab schließlich keine Osterferien mehr, und ich hatte irgendwie auch die Lust daran verloren, diese Tradition weiter fortzusetzen. Ich habe dann am Karfreitag lieber was anderes gemacht, nur nicht gefastet. Das kommt mir nicht mehr in die Tüte.

Alte Liebe rostet nicht!

30 Jahre später wollte ich es dann aber doch nochmal wissen. Dazu habe ich mir im Herbst 2015 meine beiden allerersten Heftromane nochmal gekauft, denn die alten Ausgaben hatte ich nicht mehr, und zwar waren das die Romane "Druidenpriester gehn aufs Ganze" und "Die Höllenfahrt des Geisterzuges". Ich war skeptisch, ob mir diese Geschichten nach so langer Zeit überhaupt noch gefallen würden, doch Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe schützt bis zu einem gewissen Grad vor Alter, und genau deshalb war ich bei der wiederholten Lektüre fast genauso euphorisch wie damals als 13jähriger Schüler. Zwar nur fast, aber immerhin, denn damit hatte ich nicht gerechnet, dass mir diese alten, angestaubten Gruselgeschichten noch gefallen würden, aber der Spannungsaufbau in diesen Heften war nach wie vor perfekt, und die Erzählungen konnten mich hervorragend unterhalten. Mir war es aber selbst zu diesem Zeitpunkt noch immer total unverständlich, warum meine Mutter diese Geschichte damals als "völlig kitschigen Liebesroman" bezeichnet hatte, zumal sie das Heft einst ja auch nur flüchtig angelesen hatte. Diese Meinung teilte ich nach wie vor nicht, denn mit einem Liebesroman hatte die Erzählung rein gar nichts zu tun. Aber selbsternannte Literaturkritikerinnen darf man halt nicht allzu ernst nehmen.

Easter-Eggs am Karfreitag

Nachdem die beiden Romane im Herbst 2015 ihre Nagelprobe bestanden hatten, plante ich die Lektüre für Ostern 2016, insbesondere natürlich für den Karfreitag 2016. Das war praktisch mein dreißigjähriges Dämonenkiller-Jubiläum. Das musste ich unbedingt gebührend feiern, und so wartete ich geduldig auf diesen Tag. Nach einem leckeren Frühstück startete ich den Karfreitag 2016 erneut mit der Lektüre von "Condano, der Magier", und ich war nahezu genauso begeistert wie vor 30 Jahren, denn dieser Roman war einfach sehr gut geschrieben und zudem noch sauspannend. Ich war erstaunt, dass mich diese Art der Lektüre nach wie vor so gut unterhalten konnte, und ich las voller Euphorie fleißig weiter. Bis zum Abend war ich damit fertig, und von der Fortsetzung gönnte ich mir noch den Anfang, genau wie damals auch, und dann machte ich eine Pause, denn für den Abend hatte ich schon die nächste Überraschung parat. Mir ist nämlich wieder eingefallen, wie ich einst als Kind sehnsüchtig die Fernsehzeitung studiert habe, als am Karfreitag "Der Elefantenmensch" auf ARTE ausgestrahlt wurde, und den ich damals nicht sehen konnte, obwohl ich den so gerne gesehen hätte. Aber 2016 waren die Karten anders gemischt, da konnte ich den Film sehen, wenn auch nicht auf ARTE, aber ich hatte mir den Film im Vorfeld vom Osterhasen bringen lassen und mir extra für den Karfreitag 2016 aufgehoben. "Der Elefantenmensch" ist ein Meisterwerk, einer der besten Filme von David Lynch, und nicht umsonst ist dieser Film 1981 für acht Oscars nominiert worden.

Und so war es mir möglich gewesen, am 25.03.2016, fast auf den Tag genau 30 Jahre nach meiner allerersten Karfreitags-Sternstunde, nicht nur zwei meiner absoluten Lieblingsheftromane erneut zu lesen, sondern sogar nochmal einen obendrauf zu setzen und auch gleich einen meiner Lieblingsfilme erneut zu sehen. Das war ein Glückstag, wie er mir ewig in Erinnerung bleiben wird. Es heißt zwar immer, dass man Spitzenerlebnisse nicht wiederholen kann, aber an diesem Tag ist es mir gelungen, und ich habe es in vollen Zügen ausgekostet.

Fazit: Glücksmomente darf man nicht dem Zufall überlassen. Man muss sie sich ganz bewusst schaffen. Das funktioniert zwar nicht immer, aber das ist immer noch besser, als es gar nicht erst zu versuchen, denn manchmal klappt es eben doch, und dann ist die Freude umso größer. Man darf sich nur nicht von Enttäuschungen ins Bockshorn jagen lassen. Stattdessen sollte man Fehlschläge gleich von vornherein mit einplanen, dann fallen sie auch nicht allzu schwer ins Gewicht, wenn sie denn auftreten, schließlich hatte man ja damit gerechnet. Das ist zwar leichter gesagt als getan, aber mit ein wenig Vorbereitung lassen sich damit durchaus gute Ergebnisse erzielen. Und am allerwichtigsten ist es, dass man darauf pfeift, wenn einem jemand einzureden versucht, dass man an einem bestimmten Tag diese oder jene harmlose Tätigkeit nicht machen darf. Was ich am Karfreitag mache, ist immer noch meine Sache, und solange man andere nicht damit stört, kann jeder das machen, was er für richtig hält, selbst an hohen und heiligen Feiertagen wie dem Karfreitag. Gefastet wird an diesem Tag aber schon lange nicht mehr. Und jetzt her mit den Schnapseiern!

 

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