Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

An wem würdest Du Dich rächen???

StoryAn wem würdest Du Dich rächen???
 

Wir fühlten uns gut, ehrlich. Was gibt es besseres als an einem Freitagabend mit seinen Freunden rumzuhängen, sich ein paar Biere zu genehmigen und dabei einen guten Film anzusehen? Es gibt nichts Besseres! Dachten wir, und sollten Recht behalten.

Es war Juni. Wir hatten Sommerferien, die Hitzewelle hatte unsere Stadt schon längst erreicht und die Menschen in ihre übliche „Sommerlethargie“ getrieben. Überall wurde gegrillt und gefeiert.

Cover von UltioDer Sommer, hier im mittleren Südwesten der U.S.A., war immer etwas ganz besonderes. Obwohl hier eigentlich die Uhren immer etwas langsamer liefen, war es im Sommer besonders ruhig und beschaulich. Die Atmosphäre, die so ein lauer Sommerabend mit sich brachte, war einfach nicht zu übertreffen. Mann hörte den Grillen zu, wie sie ihre Lieder in die, scheinbar unendliche, Dunkelheit hinaus zirpten und überließ sich ganz und gar den wohligen Temperaturen, die jede überflüssige Bewegung ohnehin vereitelten.

Diese Geschichte ist die Vorlage für das Hörspiel ULTIO aus dem Hause  Studio Jester

Wir saßen alle im Wohnzimmer der Eltern von Paul und Heather Franks. Die beiden Geschwister besuchten, wie wir alle, die Highschool von Grapevine. Wir alle gingen auch in die selbe Klasse, was dazu geführt hatte, das sich aus uns sechs eine Clique bildete. Als Kinder hatten wir schon im  Sandkasten gespielt und unsere ersten Erfahrungen, mit dem Leben als Jugendliche, hatten wir auch gemeinsam durch gestanden. Das schweißte alle noch mehr zusammen und wir hatten deshalb, bei unseren Schulkameraden, den Namen „Die sechs, die Einer sind“ erworben. Was uns aber nicht weiter störte. Wir wussten das wir uns niemals im Leben aus den Augen verlieren würden und das wir immer für einander da wären, egal was auch kommen möge.

 

Der Film den wir gesehen hatten, war einer von diesen typischen „Schrei, denn ich weiß was Du am letzten Muttertag, dem Freitag dem 13, an Halloween getan hast!“. Also nichts was man nicht schon zu Dutzenden gesehen hatte. Es ging einfach nur darum, das sich ein gedemütigter Teenager, auf blutigste Art und Weise, an seinen Peinigern rächte. Einzig und allein der Titel, „An wem würdest Du Dich rächen?“, ließ uns ein wenig länger bei diesem Thema verweilen.

 

Simone, die Freundin von Paul, die auch den Film ausgeliehen hatte, kam auf die Idee, das sich jeder von uns einmal vorstellen sollte an wem er sich rächen würde und warum. Simone selbst wusste niemanden zu nennen. Sie hatte es in ihrem bisherigen Leben sehr schlecht gehabt. Sie kam aus dem Waisenhaus und war von 5 Jahren von Rita und Eric Gibbings, den Besitzern des kleinen Gemischtwarenladens hier in Grapevine, adoptiert worden. Man sagte das Rita nicht in der Lage sei Kinder zu bekommen, aber das tat man mit Respekt und niemals im  Beisein der Personen die es betraf. Wie immer wenn über jemanden aus Grapevine geredet wurde.

 

Man kannte hier noch die Begriffe Respekt und Höflichkeit, was der kleinen Stadt so ihren Reiz verlieh und sie irgendwie altmodisch erscheinen ließ. Das war auch der Grund weshalb sich auch bisher niemand groß Gedanken über die Menschen gemacht hatte, welche aus Grapevine verschwunden waren. Man war davon ausgegangen das sie einfach das Dörfchen verlassen hatten um in die Stadt zu gehen, wo es doch so viel besser war, wie einige der Jüngeren hier dachten. Manchmal hatte man Abschiedsbriefe gefunden in denen zu lesen war das man ein Leben woanders dem in Grapevine vorziehen würde. Da es aber zumeist Personen ohne große familiäre Bindungen gewesen waren, nahm man das als gegeben hin und fragte nicht mehr nach. Jeder sollte sein Leben so verbringen dürfen wie er es für richtig hielt.

 

Auch, und gerade deshalb, wünschte Simone niemandem etwas böses, da sie nur zu genau wusste wie es war, wenn es einem schlecht erging. Paul nahm sie in den Arm und meinte das es wohl niemand sonst auf der Welt geben würde der so selbstlos war wie Simone und küsste sie, was uns anderen einen Buh-Ruf entlockte um die beiden zu ärgern.

 

Heather war die nächste in der Reihe. Sie wusste schon genau an wem sie sich rächen würde. Nicht so blutig und rigoros wie der Kerl in dem Film, aber doch recht unangenehm. Miss van Nuis, unsere Lehrerin für amerikanische Geschichte, war, vorsichtig ausgedrückt, so etwas wie eine Furie des Wissens. Jeder der sich auch nur den kleinsten Fehltritt, sei es nun das falsche Datum eines wichtigen Ereignisses, oder sonst was leistete, wurde von ihr mit Stürmen der Empörung belohnt.

 

Heather war dabei eines ihrer liebsten „Opfer“. Sie hatte gerade wieder einmal die falsche Reihenfolge der amerikanischen Präsidenten aufgezählt, wobei sie sich nur einmal um eine einzige Jahreszahl vertan hatte, als Miss van Nuis schon zuschlug. Heather wäre ja wohl eine Schande für unser Land und wenn sie schon nicht in der Lage sei die Präsidenten richtig zu benennen, was soll dann nur aus ihrem restlichen Leben werden? Am besten würde sie in die Stadt gehen und dort in einem Lokal als Serviererin ihren Unterhalt verdienen, dazu wäre sie eventuell in der Lage, obwohl daran auch starke Zweifel beständen. Die van Nuis war unerbittlich, mal wieder.

 

Als Rache, dachte sich Heather, wäre es doch recht lustig, wenn man Miss van Nuis, oben ohne in einem Lokal bedienen lassen würde. Das wäre die gerechte Strafe für soviel Hochmut. Dies trieb jedoch Paul, Jerome und mir, William Easterhouse (allerdings nur als Billy bekannt, was ich hasste, aber nur nebenbei), die Tränen des Ekels in die Augen. Das wäre wohl das letzte was wir zu sehen wünschten, bemerkte Jerome Kingsley, den wir allen nur King nannten.

 

Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten war Paul dran. Paul hatte, das wussten alle in Grapevine, einen ganz speziellen Erzfeind, Phillip Monroe. Phillip, seines Zeichens Sohn reicher Eltern, von denen nur noch sein Vater Abraham lebte, war die Arroganz in Person. Er hatte alles das was sich ein Teenager zu wünschen fähig war.  Mit sechzehn hatte er sein erstes Auto bekommen. Ein europäische Nobelkarosse, deren Namen wir nicht in der Lage waren, fehlerfrei auszusprechen. Damit protzte er natürlich bei jeder Gelegenheit. Besonders wenn Paul in der Nähe war. Phillip hatte es bisher nicht verkraftet das er von Simone einen Korb bekommen hatte. Das sie dann auch noch mit Paul zusammen war, ließ das Fass überlaufen. Wo immer Phillip auch konnte, warf er Paul Steine in den Weg. Bei Vorstellungsgesprächen, die Paul für einen Sommerjob hatte, sorgte Phillip dafür das sein Vater dahin gehend intervenierte, das Paul nicht genommen wurde. Auch uns anderen hatte Phillip schon das ein oder andere Mal böse mitgespielt. Immer wieder versuchte er uns in Verruf und Misskredit bei allen anderen zu bringen. Es war anscheinend zuviel für ihn das wir Freunde waren und er sich die Gesellschaft der anderen teilweise erkaufen musste da niemand, ohne eine entsprechende Motivation, sich mit ihm abgab.

 

***

 

Den alten Monroe hatte niemals jemand wirklich zu Gesicht bekommen und seine Frau, Helen, war schon vor 8 Jahren verstorben. Mann wusste nur das Monroe eine Menge Geld hatte und großen Einfluss auf alles in Grapevine, und drüber hinaus, besaß. Aber Neugierde kannten hier die wenigsten. Also beließ man es dabei bewenden.

 

Paul malte, in den schrecklichsten Bildern, aus was er Phillip antun würde, sofern man ihn dafür nicht belangen könnte. Er redet sich immer mehr in Wut und Rage. Er würde Phillip schon zeigen was er von ihm hielte und das würde nicht mit Kleinigkeiten abgehen. Wir versuchten ihn zu beruhigen, erreichten aber mit unseren Versuchen nur das genaue Gegenteil von dem was wir wollten.

 

Plötzlich sprang Paul auf und rannte nach draußen. King, der neben ihm saß, gelang es nicht ihn  aufzuhalten. Selina, unser „liebes Dummchen“, wie wir sie nannten, schrie das Paul eine Dummheit begehen würde und das wir ihn stoppen sollten. Alle sprangen auf und rannten hinter Paul her. Draußen angekommen sahen wir nur noch die Rücklichter seines alten Pick-Up´s um die Ecke verschwinden. Heather und Simone waren außer sich vor Panik. King war der erste der reagierte. Er lief zu seinem Wagen und ließ den Motor aufheulen. Aus der geöffneten Beifahrertüre rief er uns zu ob wir dort Wurzeln schlagen wollten oder ob wir mitkommen würden ? Selina, Simone, Heather und ich setzten uns in Bewegung. Ich hatte die Türe noch nicht ganz geschlossen, als King schon Vollgas gab und mit protestierenden Reifen lospeitschte.

 

Wir wussten wohin es Paul trieb ! Die Monroes besaßen ein großes Grundstück weit außerhalb ihres normalen Besitzes. Abraham Monroe hatte es damals der Witwe des alten Jameson abgekauft, die nach dem Tod ihres Mannes zu ihrer Tochter in die Stadt gezogen war. Er hatte dort einen großzügigen Gartenpalast bauen lassen, der zum Teil mit Elfenbein verziert war. Deshalb hatte das Gebäude den Namen „Elfenbeinturm“ bekommen. Phillip verbrachte dort, in der Regel, die Wochenenden mit seinen Freunden, was stets zu einer große Party ausartete. Keiner von uns wurde jemals dazu eingeladen. Nicht das wir darauf Wert gelegt hätten, aber er machte uns damit klar, das er beabsichtigte uns als „gesellschaftliche Außenseiter“ abzustempeln. Damit kamen wir aber alle gut zurecht. Wer legte schon Wert auf solch einen Idioten?

 

King bog gerade in die Westbridge Road ein, die zum „Elfenbeinturm“ führte. Das Grundstück lag komplett in einem Waldgebiet, das gigantische Ausmaße besaß. Es war im Besitz der Gemeinde, obwohl Abraham Monroe schon mehrfach versucht hatte es zu kaufen. Bürgermeister Jameson, nicht mit dem alten Jameson verwandt, hatte sich aber bisher nicht bereit erklärt den Wald abzutreten, da dort ein Grossteil des Bauholzes geschlagen wurde.

 

Die Auffahrt zum Gelände der Monroes verlief schnurgeradeaus. Deshalb konnten wir auch Pauls Auto sofort entdecken. Er hatte es mit offener Fahrertür vor dem verschlossenen Tor des Garten-Palastes geparkt. Auffälliger hätte man es kaum machen können. King hielt an und wir stiegen aus. Paul stand vor der weißen Mauer die das Grundstück umzäunte und schien zu überlegen wie er sie überwinden könne. Atemlos kamen wir bei ihm an. Ich stellte Paul zur Rede, was denn diese Aktion zu bedeuten hätte? Er sah mich nur verwundert an. Ob ich etwas hören würde, fragte er mich. Ich lauschte, jedoch hörte ich nichts außer den normalen Geräuschen die ein Wald nachts so von sich gibt. Das sagte ich ihm auch. Er drehte sich zu uns hin und lächelte uns an. Hier würde seine Rache stattfinden! Hier würde er nun endlich seine Genugtuung bekommen!

 

Heather versuchte ihn zu überzeugen das dies alles dummes Zeug wäre und er keine Chance hätte damit durch zu kommen. Er solle doch wieder mit uns zurück fahren, es wäre jetzt genug. Simone griff nach seinem Arm und wollte ihn an sich ziehen. Paul stieß sie jedoch rüde zur Seite. Ob wir denn alles vergessen hätten, fragte er uns. Ob wir denn vergessen hätten wie sehr Phillip Monroe und  seine Familie uns beleidigt und gedemütigt hatten. Die hätten mal einen Denkzettel verdient. Wenn wir ihm nicht helfen würden, sollten wir uns zum Teufel scheren. Mit diesen Worten schwang sich Paul über die Mauer.

 

Wir schauten uns nur verdutzt und ratlos an. Keiner sagte ein Wort. Wieder war es King der als erster reagierte. Er ging zur Mauer und sprang hinauf. Paul habe Recht, rief er uns zu, diese Arschlöcher würden jetzt mal so einen richtigen Tritt in die Eier bekommen. Er sei es Leid von dieser selbsternannten Elite herumgeschubst zu werden. Schon war er hinter der Mauer verschwunden.

 

Wir anderen schauten uns an und wussten genau was der andere dachte. Niemand war hier. Niemand würde uns beobachten. Niemand würde jemals erfahren das wir hier gewesen waren. Nacheinander kletterten wir über die Mauer.

 

Es war fast stockdunkel. Nur der fahle Sommermond erhellte ein wenig die ganze Szenerie. Von weitem konnten wir schon das klirren von Glas hören. Paul und King hatten sich scheinbar schon ans Werk gemacht.

 

Als wir bei ihnen ankamen war Paul gerade dabei den großen Glastisch, der in der Mitte des vorderen Raumes stand, mit einem Stuhl in seine Einzelteile zu zerlegen. Irgendwie steckte uns die Aggressivität die von Paul und King ausging an und wir begannen ebenfalls damit Gegenstände zu zerstören. Wir fanden regelrecht Gefallen an dieser Orgie der Gewalt. Nichts war vor uns sicher. Keines der Gemälde überlebte diese Nacht unbeschadet. Kein Stuhl würde je wieder zu gebrauchen sein. Wir verteilten den Alkohol, den wir in der riesigen Bar fanden, gleichmäßig auf dem Boden und zündeten ihn an. Zuletzt schleuderte Selina noch eine Flasche Whisky in den Spiegel der über der Bar abgebracht war.

 

Das Feuer griff nun langsam um sich und wir flüchteten nach draußen. Noch einmal einen Blick zurück werfend und schallend lachend rannten wir zur Mauer, stiegen in unsere Autos und rasten davon. Vor dem Haus der Franks´ trennten wir uns, nicht ohne vorher den Schwur abzulegen niemals jemandem auch nur ein Wort hiervon verlauten zulassen. King brachte noch Selina und mich nach Hause. Dann ging ein Tag zu Ende wie er schrecklicher nicht hätte sein können. In der Ferne hörte ich, von meinem Zimmerfenster aus, die Sirenen der Feuerwehr.

 

***

 

Der neue Tag begann mit einem Sonnenaufgang wie aus einem kitschigen Roman. Ich hatte mit Paul und Selina telefoniert und machte mich auf den Weg in die Milchbar, die direkt am Rathausplatz, in der Mitte von Garpevine lag. Die anderen waren bereits da. Alle waren wir bester Laune und keiner erwähnte, auch nicht hinter erhobener Hand, was wir gestern getan hatten. Der Brand im „Elfenbeinturm“ der Monroes war natürlich das Gespräch des Tages. Keiner konnte sich erklären wer zu solch einer Tat in der Lage gewesen wäre. Die meisten vermuteten ohnehin einen Kurzschluss in der Elektrik des Hauses.

 
 

Die Türe der Milchbar öffnete sich und eine junge Frau, von circa Mitte bis Ende Zwanzig, betrat den Raum. Irgendetwas ging von ihr aus das sofort die Blicke aller hier anwesenden auf sich zog. Sie sah sich um, wobei ihr langes schwarzes Haar um ihren Kopf hin und her wogte.

 

Als sie Simone, welche gerade von der Toilette zurückkam, erblickte ging sie direkt auf sie zu, fing sie ab, und begann ein Gespräch mit ihr. Wir konnten sehen wie die Frau Simone eine Karte zusteckte. Danach drehte sie sich zum Ausgang um - und verschwand.

 

Simone kam zum Tisch herüber und erklärte uns das die Frau sie nach dem Feuer ausgefragt hätte und ob sie etwas darüber wissen würde. Sie zeigte uns die Karte die sie zugesteckt bekommen hatte. Es stand nur ein Name darauf. Annabell Gisbert, sonst nichts. Keine Telefonnummer, keine Adresse, nichts. Nur der Name. Wir lachten und taten es als Spinnerei ab. Alle außer Paul. Der wurde immer stiller und drängte uns - nach ein paar Minuten - zum gehen. Also verließen wir „Ceasars Milkpalace“, wie die Milchbar hieß.

 

Paul bedeutete uns draußen, das wir zu ihm fahren sollten. Auf meine Frage, was er denn habe, gab er mir keine Antwort.

 

Bei den Franks angekommen, begaben wir uns direkt ins Pauls Zimmer. Dort erklärte er uns, mit bleichem Gesicht, das er befürchte das irgendjemand von uns etwas verloren haben könnte oder das es sonst wie Hinweise auf uns gäbe. Die Frau wäre ja wohl kaum zufällig auf Simone gekommen. Das wäre zu zielstrebig gewesen, als das es hätte unbeabsichtigt sein können. Wir versuchten ihm das auszureden, aber er war nicht zu überzeugen. Wir beschlossen, in dieser Nacht noch einmal in den „Elfenbeinturm“ zurück zu gehen und nachzusehen ob an Pauls „Hirngespinst“, wie King es nannte, etwas dran war.

 

Wir trafen uns um punkt 22.00 Uhr vor dem Haus der Kingsleys. King wartete schon in seinem Wagen auf uns. Er bemerkte nochmals, das er sich besseres vorstellen könnte als Pauls Geistern hinterher zu jagen, schwieg aber dann als er Pauls Gesichtsausdruck sah. Den Täter zieht es immer wieder zum Tatort zurück, habe ich einmal gelesen. Das war auch mit uns nun der Fall.

 

Wir fuhren dieselbe Strecke die wir auch am vorigen Abend genommen hatten. Nur diesmal mit normaler Geschwindigkeit, da wir keinerlei Aufsehen erregen wollten. Diesmal parkten wir den Wagen jedoch in einer kleinen Nische die wir im Wald entdeckten und legten den restlichen Weg, von circa zwei Minuten, zu Fuß zurück.

 

Bei der Mauer angekommen spähten King und ich herüber. Die Feuerwache hatte das Gelände längst verlassen, da keinerlei Gefahr einer Neuentfachung des Feuers mehr bestand. Langsam kletterten wir alle den Weg den wir gestern bereits einmal gegangen waren. Vom Gartenhaus stand noch relativ viel Substanz, was uns ein wenig verwunderte. Die Feuerwehr war wohl schnell genug gewesen um das meiste noch retten zu können.

 

Paul ging auf den Eingang zu und verschwand darin. Er wolle erst einmal alleine gehen und nachsehen, hatte er verkündet. Wir anderen hatten dagegen nichts einzuwenden.

 

Es war totenstill. Noch nicht einmal die Geräusche des Waldes, die gestern noch zu hören gewesen waren, konnte man vernehmen.

 

Urplötzlich hörten wir einen erstickten Schrei. Das konnte nur Paul gewesen sein ! King schlich sich langsam an den Eingang heran und rief leise Pauls Namen. Keine Antwort. Nicht das geringste Geräusch. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Den anderen schien es ähnlich zu ergehen, das konnte ich deutlich erkennen. Wir müssen da rein, war Kings Schlussfolgerung, die keinem von uns behagte. Aber es half nichts. Da Paul kein Zeichen von sich gab mussten wir nachsehen was mit ihm los war. Wir beschlossen alle zusammen zu gehen.

 

Nach einigen Minuten näherten wir uns vorsichtig der angesengten Eingangstüre. Es roch so streng nach Rauch, dass es uns fast den Atem raubte. Wir bewegten uns langsam vorwärts und versuchten nicht über die Überreste der Einrichtung, die wir zertrümmert hatten, zu stolpern.

 

King, der vor mit ging, strauchelte plötzlich und fiel hin. Leise fluchend erhob er sich wieder und tastete den Boden vor sich ab. Es war ein großer Ring aus Eisen über den er gestolpert war. Seltsamerweise war er uns gestern nicht aufgefallen. King zog daran und eine, circa einen Quadratmeter große, Falltüre ließ sich anheben. Wir horchten in die Dunkelheit hinein. Immer noch war nichts von Paul zu hören. King tastete sich weiter und stellte fest das eine Treppe nach unten führte. Paul könne ja auch hier gewesen sein und sich beim klettern nach unter verletzt haben, bemerkte Heather unruhig. Also beschlossen wir nachzusehen. Wir hatten eine Taschenlampe mitgenommen, deren Einsatz uns nun ungefährlich genug erschien. Es wäre wenig wahrscheinlich, dass jemand hier unten den Lichtschein sehen würde. Vorsichtshalber schlossen wir aber die Falltüre hinter uns wieder. King schaltete die Taschenlampe an und ging voraus.

 

Der Raum, welchen wir betraten, sah wie eine Art Weinkeller aus. Zumindest das was wir im Licht der Lampe sehen konnten. Überall an den Wänden befanden sich Regale die mit Flaschen gefüllt waren. Keine der Flaschen besaß allerdings ein Etikett, stellte Selina fest nachdem sie einige aus dem Regal herausgeholt hatte. Wir gingen langsam weiter, als wir hinter uns ein Geräusch vernahmen.

 

King fuhr herum und wir erschraken halb zu Tode. Im Kegel der Taschenlampe stand vor uns die Gestalt von Phillip Monroe. Nun hatte man uns erwischt, schoss es mir siedend heiß durch den Kopf. Das war es dann.

 

Phillip lächelte uns an. Er hätte sich so etwas schon denken können und es hätte ihn nicht verwundert als wir eben das Grundstück betreten hatten, waren seine ersten Worte. Wir versuchten uns heraus zu reden, aber Phillip tat dies alles mit einer wegwischenden Handbewegung ab. Wir sollten ihm doch bitte folgen. Er würde sich hier nicht so gerne mit uns unterhalten wollen, das könne man draußen doch viel besser tun. Er ging vor. Allerdings nicht in Richtung der Falltüre sondern entgegengesetzt. Als King ihn darauf ansprach erwiderte er nur, dass es hier noch einen zweiten Ausgang geben würde, zu dem er uns nun führte. Wir folgten ihm wortlos und ergeben in unser Schicksal. Jetzt würde man uns der Polizei ausliefern und wir würden gehörigen Ärger bekommen.

 

Phillip führte uns zu einer Eisentüre die er nun unter quietschenden Geräuschen öffnete. Aus dem Türspalt drang uns ein leichter Lichtschein, wie von Kerzen, entgegen. Auch meinten wir Stimmen von jenseits der Türe her wahrzunehmen. Phillip forderte uns auf einzutreten. Wir folgten seiner Bitte, obwohl keinem recht Wohl zu Mute war.

 
 

Als wir alle eingetreten waren schloss Phillip hinter uns die Türe. Zu unser aller Erstaunen verriegelte er sie sogar. Wir sahen uns im Raum um und was wir entdeckten ließ uns den Atem stocken. Vor uns, in einem Rollstuhl, saß ein Mann dessen Alter man nur hätte schätzen können. Hinter ihm stand die schwarzhaarige Frau die Simone in der Milchbar angesprochen hatte und lächelte uns an.

 

Phillip begann uns vorzustellen, einem nach dem andern. Danach stellte er auch unsere Gegenüber vor. Es handelte sich dabei um seinen Vater Abraham Monroe und um seine Schwester Annabell Gisbert.

 

Der alte Monroe begann uns eine Geschichte zu erzählen die wir nie geglaubt hätten, wenn er uns danach nicht den Beweis vor Augen geführt hätte.

 

Er erzählte uns, dass wir, am gestrigen Abend, beobachtet worden wären und das man uns hätte gewähren lassen. Es wäre klar gewesen das wir zurückkehren würden, das wäre bei jedem Täter so. Um dies zu gewährleisten hätte er uns seine Tochter geschickt die Zweifel in uns hätte sähen sollen, was ja auch geglückt wäre.

 

Simone fragte nach Paul, wurde aber vertröstet, dass man ihr gleich weiterhelfen würde.

 

Abraham Monroe fragte uns ob wir an Vampire glauben würden. Wir verneinten lächelnd, was dem Alten missfiel, denn er begann uns anzubrüllen. Wir wären ja so dumm und würden uns für die Krone der Schöpfung halten. Warum hätte er wohl zugelassen das wir sein Eigentum vernichtet hätten ? Ihm würde es nur um die Sache gehen, das Haus könne er mit Leichtigkeit wieder aufbauen. Nur der Nachschub würde langsam knapp.

 

Wir verstanden nun kein Wort mehr. Er redete etwas von einer neuen Generation der seine Kinder angehören würden. Diese könne sich auch am Tage und bei Sonnenlicht unter den Menschen bewegen. Diese wären unser aller Untergang.

 

Nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte fragte uns was wir denn denken würden das sich draußen in den Flaschen befände. Keiner von uns gab Antwort. Wenn wir es nicht wüssten würde er uns einen Hinweis geben. Er wies Phillip an eine Türe, die sich schräg hinter ihm befand, zu öffnen. Phillip gehorchte. Als sich die Türe geöffnet hatte und Phillip das Licht im Raum einschaltete, erblickten wir etwas, das uns an unser aller Verstand zweifeln ließ.

 

An einem dicken Tau von der Decke hing, an den Füßen und Händen gefesselt, den Kopf nach unten, ein menschlicher Körper. Phillip näherte sich der Gestalt und drehte sie so das wir ihn von vorne sehen konnten. Es war Paul. Seine Kehle war, von einem Ohr zum anderen, aufgeschlitzt worden. Das Blut lief in Strömen über sein Gesicht und fing sich in einem steinernen Bottich der genau unter ihm stand.

 

Simone brach schreiend zusammen, Selina und Heather schluchzten zitternd. Nun war mir die Frage nach den Vampiren und der Erwähnung des „Nachschubes“ klar. Auch der Inhalt der Flaschen war kein Geheimnis mehr. Ich übergab mich.

 

Der alte Monroe lachte und ließ sich von Phillip einen, frisch aus dem Bottich unter Pauls Leiche, gefüllten Kelch geben. Er lehrte ihn in einem Zug aus. Sein Gesichtsausdruck glich dem höchster Ekstase.

 

Keiner von uns war zu etwas fähig. King stand nur da und lachte. Er schien seinen Verstand verloren zu haben. Die drei Mädchen hielten sich gegenseitig jammernd und zitternd umklammert. Keiner brachte mehr Gegenwehr gegen Phillip auf, als er uns im einen anderen Nebenraum führte und auch dessen Türe verschloss.

 

Ich höre ihn gerade wieder kommen. Die Schreie der andern sind schon lange verstummt. Nun ist es wohl an mir, durch die Türe zu gehen.

Ende

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.