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Der Mann, der sein Gehirn austauschte - Über den menschlichen Geist

Der Mann, der sein Gehirn austauschte

Über den menschlichen Geist

 

In der goldenen Ära klassischer Grusel- und Horrorfilme inszenierte Robert Stevenson in Großbritannien nach originärem Drehbuch den Schwarz-Weiß-Film „Der Mann, der sein Gehirn austauschte“, in dem Horror-Ikone Boris Karloff einmal mehr in der sinistren Titelrolle glänzte. Nun ist der Film in der Reihe „Pidax Film-Klassiker“ weltweit erstmals auf BluRay und parallel noch einmal in remasterter Form auf DVD erschienen.

Obwohl er 1887 in London geboren wurde, hat Boris Karloff im Laufe seiner sechs Jahrzehnte umspannenden Filmkarriere, in der er über 200 Rollen übernahm, lediglich ein knappes Dutzend britischer Filme gedreht. Diese entstanden in den Jahren 1933 bis 1968, und der nun erstmals auf BluRay erschienene „Der Mann, der sein Gehirn austauschte“ aus dem Jahr 1936 ist einer der ersten davon. Karloff hatte sich etliche Jahre als Nebendarsteller in Stummfilmen durchgeschlagen, bis sich 1931 über Nacht alles änderte. Damals hatte ihn James Whale in der ikonischen Rolle des Monsters in „Frankenstein“ besetzt – und die Darstellung des 1,80 Meter-Mannes in Kombination mit dem gelungenen Make-up von Jack P. Pierce sorgte dafür, dass Karloff dem eigentlichen Hauptdarsteller Colin Clive den Rang abkaufte und zu einem kassenträchtigen Filmstar wurde. Da es sich bei „Frankenstein“ um einen Horrorfilm gehandelt hatte, war Karloff zwar zeitlebens überwiegend auf dieses Filmgenre festgelegt, konnte aber noch in etlichen weiteren Klassikern von seinem Talent überzeugen und den Studios gutes Geld einspielen. Nachdem Karloff mit „The Ghoul“ 1933 unter T. Hayes Hunter seinen ersten britischen Film gedreht hatte, kamen innerhalb nur weniger Tage 1936 direkt zwei weitere in die britischen Kinos: „Juggernaut“ von Henry Edwards und „Der Mann, der sein Gehirn austauschte“ von Robert Stevenson. Letzterer sollte insbesondere durch seine Disney-Filme ab den 1960er Jahren in Erinnerung bleiben. Dazu zählen nämlich so bekannte Filme wie „Mary Poppins“, „Der fliegende Pauker“ und „Ein toller Käfer“ (der erste Herbie-Film).

Dr. Laurience (Boris Karloff) ist ein genialer Wissenschaftler, der wegen seiner exzentrischen Charaktereigenschaften von den Menschen gemieden wird. Als er die junge Wissenschaftlerin Dr. Clare Wyatt (Anna Lee) bittet, zu ihm aufs Land zu ziehen und ihn bei seinen Forschungen zu unterstützen, ist besonders deren Freund Dick Haslewood (John Loder) skeptisch. Er will seine Verlobte nicht aus den Augen lassen und begleitet sie ebenfalls in die Provinz. Dicks Vater Lord Haslewood (Frank Cellier) ist ein Medienmogul und Impresario, der nun ebenfalls auf Dr. Laurience aufmerksam wird. Er gestattet ihm, mit üppigem Budget in seinen Räumen in London weiterzuforschen. Laurience hat die fixe Idee, das Erinnerungsvermögen eines Lebewesens extrahieren und in ein anderes Wesen hineinverpflanzen zu können. Gemeinsam mit Clare gelingt ihm das bei zwei Schimpansen, die danach sozusagen vertauschte Persönlichkeiten haben. Die Kollegen machen sich dennoch über den Gehirnspezialisten lustig, Lord Haslewood droht sogar damit, ihn aus seinem Labor zu werfen. In die Enge getrieben, entschließt sich Dr. Laurience zu einem Experiment an Menschen: Er vertauscht das Erinnerungsvermögen Lord Haslewoods mit dem von Clayton (Donald Calthrop), einem seiner seit Jahrzehnten unter einer tödlichen Krankheit leidenden Patienten, den er nur mit Medikamenten am Leben hält.

In überzeugenden Settings und mit einem genialen Hauptdarsteller ist es Robert Stevenson in „Der Mann, der sein Gehirn austauschte“ gut gelungen, eine stimmungsvolle Gruselatmosphäre zu schaffen. Sein Film ist nicht sonderlich explizit und bewegt sich überwiegend auf einem technisch-rationalen Level, was mit dem eigentlichen Bewusstseinsaustausch natürlich in den Bereich der Science-Fiction abdriftet. Referenzen an Frankensteins Experimente sind nicht von der Hand zu weisen, aber hier geht es in erster Linie um die psychologischen Komponenten. Darüber hinaus liefert die Geschichte Frank Cellier und Boris Karloff die Möglichkeit, ihre Figuren mit unterschiedlichen Persönlichkeiten differenziert darzustellen. Für Genreliebhaber eine sehenswerte Entdeckung, zumal der Film erst 1996 seine deutsche Erstaufführung (für eine Ausstrahlung auf West3) erfuhr. Die BluRay-Erstveröffentlichung bietet ein gutes Bild (im Vollbildformat 1,33:1) und einen angemessenen Ton (Deutsch und Englisch im DTS HD Master Audio 2.0). Erstmals erscheint der Film nun auch mit Bonusmaterial. Dieses besteht aus einem Audiokommentar von Filmwissenschaftler Lars Dreyer-Winkelmann, einer kleinen animierten Bildergalerie und dem Interview „Daughter of Frankenstein“ mit Karloffs Tochter Sara (14 Minuten), in dem es aber in erster Linie um dessen Film „Das alte finstere Haus“ geht. Außerdem ist als Bonusfilm die deutsche TV-Produktion „Die Rückkehr der Zeitmaschine“ (114 Minuten) aus dem Jahr 1984 mit Klaus Schwarzkopf und Peter Pasetti mit aufgespielt, ein kammerspielartiger Diskurs über Eingriffe in den natürlichen Zeitablauf, trotz bescheidener Produktionsbedingungen ein tricktechnisch überzeugend bewerkstelligtes Dialogstück.

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