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Anspruchsvolle Genrekost - »House of the Dragon«

House of the DragonMehr als nur »Gulity Pleasure«
»House of the Dragon«

König Viserys Targaryen herrscht mit eiserner Faust über Westeros, seine Nachfolge ist allerdings ungeklärt, weshalb zwischen den Mitgliedern der Targaryen-Dynastie ein erbitterter Machtkampf um den Eisernen Thron beginnt.

Das Fantasy-Genre wurde im Serienformat lange Zeit von einem Hauch von Guilty-Pleasure umweht.

House of the DragonDas ist wenig verwunderlich, wenn man einen Blick auf die zahlreichen Fantasy-TV-Produktionen  der 90er-Jahre wirft: Kevin Sorbo kämpfte sich als Herkules in der gleichnamigen Serie durch dünne Plots und wackelige Pappkulissen (Lucy Lawless tat im Spin-Off „Xena“ im Prinzip nichts anderes), die Serien „Beastmaster“ und „Highlander“ eiferten dem jeweiligen Kinofilm nach ohne an deren Klasse heranzureichen – von der geradezu lachhaft schlechten „Conan“-Serie mit Ralf Moeller als schwertschwingenden Schwarzenegger-Verschnitt ganz zu schwiegen. Nach der Jahrtausendwende stieg zwar die Produktionsqualität von Fantasy-Serien merklich an, große epische Geschichten wurden aber weiterhin nicht erzählt, sondern eher abgeschlossene Handlungsstränge für jede Episode mit einer groben Rahmenhandlung in der die Staffel eingebettet ist – klassisches Beispiel wäre hierfür die BBC-Serie „Merlin“. Auch die sehr empfehlenswerte (aber leider recht unbekannte) Fantasy-Serie „Legend of the Seeker“ fällt in diese Kategorie.

Dies alles änderte sich grundlegend im Jahre 2011 als „Game of Thrones“ bei HBO startete. Die Adaption der „Das Lied von Eis und Feuer“ Buchreihe von George R. R. Martin sorgte für einen radikalen Bruch mit bekannten Sehgewohnheiten und führte gemeinsam mit der kurz zuvor gestarteten Zombie-Serie „The Walking Dead“ zu eine Revolution im seriellen Erzählen: Plötzlich war kein Charakter mehr vor dem Ableben sicher (so überlebte in „Game of Thrones“ der große Star der Serie Sean Bean, der den Hauptcharakter Ned Stark verkörperte, die erste Staffel nicht), man durfte keine Episode verpassen, ohne den Anschluss zu verlieren und die Produktionsqualität erreichte gerade in den späteren Staffeln absolutes Kino-Niveau. Daneben konnte „Game of Thrones“ mit einem Top-Casting (nicht umsonst wurden Emilia Clarke, Kit Harrington, Richard Madden, Peter Dinklage, Lena Headey und Nikolaj Coster-Waldau durch die Serie zu absoluten Stars), genial geschriebenen Dialogen (unerreicht etwa die Wortduelle zwischen Littlefinger und Varys vor dem Eisernen Thron), grandiosen Schlacht-Szenen (etwa die Schlacht der Bastarde) und natürlich die vielschichtigen und sehr komplexen Charaktere (ohne klaren Gut/Böse Zuschreibungen) überzeugen. Der Lohn: Rekord-Einschaltquoten, eine weltweite Fanbase und unglaubliche 59 Emmy-Awards. Zwar enttäuschte die finale Staffel und das Ende der Serie im Jahr 2019 viele Fans und hinterließ einen bitteren Beigeschmack für die Zuseher, dennoch gab man bei HBO schnellstmöglich grünes Licht für Nachfolge-Projekte und diverse Spin-Offs.

House of the DragonAuch andere Streaminganbieter versuchten etwas von diesem Hype abzukriegen, wodurch das Fantasy-Genre im TV-Segment einen wahren Boom erlebte: Einige Serien ahmten dabei die komplexe Erzählweise von „Game of Thrones“ in einem historischen Setting nach, verzichteten aber auf klassische Fantasy-Elemente (dazu zählen etwa der Wikinger-Serien-Hit „Vikings“ und die rockige Kelten-Serie „Britannia“), andere Serien wiederum erschufen ein klassisches Fantasy-Setting, meistens basierend auf einer Buchvorlage (darunter fallen die Netflix Serien „The Witcher“, „Shadow and Bone“ und „Cursed“, die Amazon Prime Serien „The Shanara Chronicles und „The Wheel of Time“ sowie die BBC Serie „His Dark Materials). Die Qualität zwischen den einzelnen Serien schwankte dabei stark, viele hatten zwar eine hohe Produktionsqualität, versprühten aber eher Guilty-Pleasure-Charme und konnten die große „Game of Thrones“ Lücke nur bedingt schließen. Nun soll das Prequel „House of The Dragon“ das „Game of Thrones“ Vermächtnis weiterführen – kein leichtes Unterfangen, gilt es doch in beachtliche Fußstapfen zu treten.

Auf Basis der Pilotfolge von „House of the Dragon“ kann allerdings klar festgehalten werden, dass die Serie die hohen Erwartungen wirklich zu erfüllen scheint. Regie bei der Pilotepisode führte niemand Geringeres als Miguel Sapochnik, der für einige der wichtigsten „Game of Thrones“ Episoden verantwortlich war (etwa „Hardhome“ und „The Long Night“) und er schafft es gleich in einer der ersten Szenen einen als Zuschauer wieder in der magischen Welt von Westeros willkommen zu heißen, indem wir einen Drachenausritt von Prinzessin Rhaenyra miterleben - die CGI-Effekte könne sich dabei wirklich sehen lassen und brauchen sich vor großen Kinofilmen nicht zu verstecken. Wie so üblich bei Pilotepisoden werden die wichtigsten Charaktere und grundlegenden Konfliktlinien eingeführt. Sapochnik gibt sich dabei alle Mühe auch potenzielle Neueinsteiger in das „Game of Thrones“ Serienuniversum nicht zu überfordern, allerdings schaden gewisse Vorkenntnisse sicherlich nicht, da mit Namen und Herrschaftshäusern um sich geschmissen wird, die als bekannt vorausgesetzt werden.

House of the DragonWährend die Pilotepisode von „Game of Thrones“ viele verschiedene Schauplätze einführte (Von der Mauer über Winterfell und Königsmund bis nach Pentos) so bleibt „House of the Dragon“ sehr statisch und bewegt sich hauptsächlich der Hauptstadt des Reiches Königsmund. Dort befinden sich nämlich alle grundlegenden Player, welche sich um den Eisernen Thron duellieren. Im Unterschied zu „Game of Thrones“ sind es aber nicht unterschiedliche Adelshäuser, welche sich bekriegen, sondern die wichtigsten Konflikte spielen sich alle innerhalb der Targaryen Familie ab – allesamt verkörpert von Darstellerinnen und Darstellern welche ihre jeweilige Rolle mit viel Grandezza ausfüllen. Besonders prägnant sind dabei Paddy Considine als König Viserys, der aus „The Crown“ bekannte Matt Smith als dessen Bruder Daemon und Rhys Ifans als Hand des Königs Otto Hightower, dessen Absichten und Intentionen ähnlich unklar sind, wie einst beim kongenial von Aidan Gillen verkörperten Meister-Manipulator bei „Game of Thrones“, Littlefinger.

„Game of Thrones“ sorgte mit seinen Gewaltszenen und insbesondere den ausufernden sexuellen Darstellungen für einige Kontroverse, dennoch erhielten alle Episoden stets eine FSK 16 Freigabe. Dies änderte sich mit „House of the Dragon“, dessen Pilot ist nämlich direkt erst ab 18 freigegeben und das absolut zurecht: Bei einem sehr aufwendig ins Szene gesetzten Turnier werden Schädel zertreten, Knochen zertrümmert sowie allerhand Gliedmaßen abgetrennt und eine sehr blutige und explizite Darstellung einer Geburtsszene weckt gar Erinnerungen an den französischen Skandalfilm „Inside“ – diese Szenen sind definitiv nichts für schwache Nerven (oder Mägen). Die exzessive Gewaltdarstellung stellt allerdings niemals einen reinen Selbstzweck dar, sondern steht stets im Dienste der tragischen Geschichte, welche sich in der Pilotepisode zu entfalten beginnt
Fazit:

House of the DragonDie Pilotepisode von „House of the Dragon“ hat es absolut in sich und bietet schon in dieser ersten Stunde alles, was „Game of Thrones“ zu seinem Erfolg verholfen hat: Intrigen, Verrat, Tragödien, Dramatik, Spannung, umwerfende Sets und detailverliebtes Produktionsdesign, perfekt gecastete Darstellerinnen und Darsteller, komplexe Charaktere und kein klassisches Gut/Böse Schema, rasiermesserscharfe Dialoge und vor allem die nagende Ungewissheit, welcher Charakter überhaupt bis zum Episodenabspann überlebt – kurz gesagt: Das Spiel der Throne hat endlich wieder begonnen. Und wie sagte Cersei Lennister einst so passend in der ersten Staffel „Game of Thrones“ zu Ned Stark:

„Wenn man das Spiel um Throne spielt, gewinnt man, oder man stirbt. Dazwischen gibt es nichts.“

Kommentare  

#1 Cartwing 2022-09-02 06:14
Sehr gute, aufschlussreiche Review.
Kann die Serie leider nicht schauen bzw muss warten, bis sie vielleicht mal bei Netflix ankommt.

Wollte mir deshalb die Vorlage gönnen, aber bei der handelt es sich nicht um einen Roman, sondern eher um ein 800 Seiten starkes Geschichtsbuch...
#2 Niklas Klocker 2022-09-02 23:35
zitiere Cartwing:
Sehr gute, aufschlussreiche Review.
Kann die Serie leider nicht schauen bzw muss warten, bis sie vielleicht mal bei Netflix ankommt.

Wollte mir deshalb die Vorlage gönnen, aber bei der handelt es sich nicht um einen Roman, sondern eher um ein 800 Seiten starkes Geschichtsbuch...


Danke für deine netten Worte! Als HBO Serie wird die Serie aber leider nie bei Netflix erscheinen, da es erbitterte Streaming Konkurrenten sind. Und ja die Buchvorlage hat es definitiv in sich und ist recht zäh zu lesen, da es tatsächlich im Stile eines zeitgenössisches Lehrbuch über (mittelalterliche) Geschichte verfasst wurde.
#3 Cartwing 2022-09-03 06:00
Ja, stimmt wohl, man müsste schon alle Dienste abonnieren, wenn man alle Serien, die einen interessieren, schauen will.

Ich gehöre übrigens zu denen, die das Ende von Game of thrones nicht enttäuschend sondern äußerst gelungen fanden...
#4 Niklas Klocker 2022-09-05 21:22
Ich gehöre übrigens zu denen, die das Ende von Game of thrones nicht enttäuschend sondern äußerst gelungen fanden...

Das kann ich leider nicht von mir selber behaupten, dafür hat mich nicht nur das Ende an sich, sondern die gesamte 8. Staffel zu sehr enttäuscht. Freut mich aber, dass die Serie zumindest für einige Zuseher:innen ein zufriedenstellendes Ende genommen hat :-)
#5 Cartwing 2022-09-06 05:49
Am Ende der achten Staffel gab es einige Schlüsselfiguren, deren Beitrag zur Auflösung am Ende ich konsequent und befriedigend fand.
Auch und vor allem in Bezug auf ihren Werdegang
Aber ich verstehe schon, warum viele z. B von dem einfachen und unerwarteten Sieg enttäuscht waren.
#6 Ingo Löchel 2022-09-06 16:40
Das Problem waren ja nicht nur das unglaubwürdige Verhalten vieler Figuren der Serie in der achten Staffel, sondern auch die unlogische Handlung dieser letzten Staffel von "GAME OF THRONES", die von Logiklöchern nur so strotzte.
Von dieser seltsamen Schlacht um Winterfell will ich an dieser Stelle erst gar nicht reden.
Ich erinnere mich da insbesondere an eine Schlüssel-Szene, in der Arya Stark den, wie heißt er doch gleich, ach ja Nachtkönig anspringt und ihn mit dem valyrischen Dolch vernichtet.
Doch von wo aus springt Arya denn den Nachkönig an?
Denn zum einen sind zwischen ihr und dem Nachkrönig weitere Gegner und zum anderen stellt man sich schon die Frage, von welcher erhöhten Stelle sie denn den Nachtkönig angesprungen haben soll, zumal es sich um eine offene Fläche handelt, bei der es keine erhöhte Stelle gibt, von der aus sie springen kann!
#7 Ingo Löchel 2022-09-06 16:44
Jedenfalls habe ich bisher die ersten drei Folgen von "HOUSE OF THE DRAGON" gesehen und ich muss sagen, die Fantasy-Serie gefällt mir bisher sehr gut. Eine zweite Staffel ist ja bereits in Produktion!

Ganz im Gegensatz zu den beiden Schwachsinns-Serien "DAS RAD DER ZEIT" und "RINGE DER MACHT", die so gut wie nichts mit den Romanen und Werken von Richard Jordan bzw. J. R. R. Tolkien zu tun haben.
#8 Cartwing 2022-09-06 16:54
Warum genau ist die "Ringe der Macht" - Serie denn schwachsinnig? Habe viel gutes darüber gehört, kritisiert wurde ja vor allem nebensächliches.
Es ist ja auch ein Prequel, mit den Romanen muss die Serie also abgesehen von einigen bestehenden Fakten, Figuren usw. nicht allzuviel zu tun haben, im Gegnsatz zu "Rad der Zeit"
#9 Ingo Löchel 2022-09-06 17:25
Das ist so nicht richtig. Die Serie "DIE RINGE DER MACHT" spielt im Zweiten Zeitalter, also in der Zeit in der Sauron die Ringe der Macht schmiedete.
Zu dieser Thematik gibt es genügend Material von Tolkien. Zum einen der Anhang zu "HERR DER RINGE" sowie unter anderem "NACHRICHTEN AUS MITTELERDE" und "UNVOLLENDETE GESCHICHTEN".

Also Material dazu ist genügend vorhanden, um eine vernünftige Handlung zu schreiben. Leider habe es die Drehbuchautoren mal wieder nicht hingekriegt, denn die Handlung der ersten Folgen wirkt kitschig, unglaubwürdig und ziemlich spannungsarm und langatmig und hat nur noch den Namen nach noch etwas mit Tolkien zu tun.

Hinzu kommt, dass die Figuren der Serie - auch die zusätzich erfundenen - nicht wirklich in die Geschichte hineinpassen und die Besetzung der Rollen ebenfalls völlig daneben ist.

Die Macher der Serie hätten sich zudem, auch was die Aufmachung ihrer Serie betrifft (Kostüme, Frisuren, Figuren usw. usf.) an die sehr realistische "HERR DER RINGE" - Trilogie von Peter Jackson orientieren sollen, der sich mit dem Material von Tolkien eingehend beschäftigt hat, obwohl auch hier einige Änderugnen vorgenommen wurden.

Das haben die Macher von "DIE RINGE DER MACHT" leider versäumt bzw. nicht gemacht. Denn schon die Frisuren und Kostüme der Figuren in der Serie wirken viel zu modern und passen nicht in eine Fantasy-Welt wie Mittelerde.

Nachdem ich mir zwei Folgen von "DIE RINGE DER MACHT" angesehen habe, habe ich das Handtuch geschmissen. Wie ich es auch schon bei der Schwachsinns-Serie "DAS RAD DER ZEIT" getan habe.

Da bleibe ich lieber bei "HOUSE OF THE DRAGON". Ein qualitativ hochwertig produzierte Serie, die sehr stimmig wirkt und wo die Macher wussten, was sie taten.
#10 Cartwing 2022-09-06 17:51
Zitat:
Also Material dazu ist genügend vorhanden, um eine vernünftige Handlung zu schreiben.
Okay, ich dachte, du meintest die Trilogie...
leider kann ich zu den beiden Folgen nicht viel sagen, da ich kein Prime Abonnent bin...

Fand die Trailer aber sehr ansprechend.
Schien interessanter als die Hobbit - Filme, die ich gar nicht mochte.

Die Tolkien - Fans und Kenner sehen das wohl eh mit anderen Augen. Ich selbst würde das eher aus einer neutralen Perspektive heraus beurteilen. Und auch nicht unbedingt nach nur zwei Folgen

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