Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Journey 3-D - Reise zum Mittelpunkt der Erde

Journey 3DJourney 3-D
Reise zum Mittelpunkt der Erde

Uwe und Andrew waren wieder im Kino und haben wieder einmal versucht einem Film die gewisse Note abzuringen. Uwe tut das im BLAU hinterlegten Text und Andrew sieht dabei SCHWARZ:  

Ein Hoch auf alle die Kritiker, die bei diesem Film im falschen Glauben das Kino betraten, ein intellektuelles Meisterwerk zu erleben. Wer immer mit dem Film JOURNEY TO THE CENTER OF THE EARTH konfrontiert wird, gibt zum Besten, was er alles Schlechte über diesen Film gelesen, gehört, gesagt bekommen hat.
 
Journey 3DWahrlich, es ist sehr eigenartig, dass einem Film, der lediglich vorgibt, eine Aneinanderreihung von visuellen Effekten zu sein, vorgeworfen wird, eine lose Aneinanderreihung von visuellen Effekten zu sein.

Auch wenn ich weiß, dass ein Film eine reine Effekteschau sein will: Wenn ich mir einen 3-D-Film anschaue, dann regt sich bei mir immer ein wenig ein schlechtes Gewissen: Die Handlung voller Klischees und womöglich sogar langweilig, die Charaktere eigentlich keine Charaktere, sondern Pappkameraden. Warum dafür Geld ausgeben? Aber dann überkommt mich doch alle paar Jahre der Drang, einen Film in der dritten Dimension zu erleben, und ich begebe mich rein. In die Achterbahn zieht es mich aus denselben Gründen schließlich auch immer wieder.

Mit Brendan Fraser kann eigentlich auch ein Regisseur wie Eric Brevig wenig falsch machen. Müsste man meinen. Fraser gibt den All-American-Guy mit Einschlag zum Loser, der über sich hinaus wächst, gewohnt souverän und überaus sympathisch. Auch Josh Hutcherson entpuppt sich Film um Film als einer der ganz wenigen Kinderstars, die nicht nerven. Für ihn hat sich das Drehbuch eine subtilere und sehr freundliche Variante ausgedacht, damit sich seine Figur vom nur halbwegs störrischen Jugendlichen zum umgänglichen Charakter wandeln darf. Das geht sicherlich auf den Drehbuchanteil von Jennifer Flackett zurück, wenn man sich deren Filmographie ansieht. Michael Weiss hingegen, ebenfalls mit Blick auf seine Vita, dürfte dann wohl für die (Achtung: Wortspiel) Zweidimensionalität von Anita Briem zuständig gewesen sein. Die erst seit kurzem im Filmgeschäft tätige Isländerin darf schön aussehen und Klischees erfüllen. Das macht sie zwar sehr gut, viel Aufmerksamkeit erntet sie damit allerdings nicht, denn Regisseur Brevig, eigentlich Veteran in Sachen visueller Spezial-Effekte, legt seinen Schwerpunkt überraschenderweise auf den Action-Faktor.

SzenenfotoREISE ZUM MITTELPUNKT DER ERDE ist dann auch weitestgehend in dieser Kategorie einzuordnen. Von den drei Protagonisten verlieben sich zwei pflichtschuldig ineinander, der dritte dient als Identifikationsfigur für die jüngeren Zuschauer. Die Geschichte orientiert sich lose am Roman von Jules Verne, wobei dieser aber mehr als Steinbruch dient, um für 3-D-Effekte geeignete Szenen zu entwerfen. Diese werden dann an einer Schnur lose aneinandergereiht, bis die "Reise" (eigentlich mehr eine unfreiwillige Kletterpartie als eine richtige Reise) in das Erdinnere geführt hat. Dieses wird als solches auch gleich erkannt, was erstaunt, da hierfür keine wissenschaftlichen Geräte zur Verfügung stehen. Sei es drum, der Film muss ja auch mal zu einem Ende finden. Als er an diesem angelangt ist, hat der Zuschauer einen Film gesehen, der kaum über das 3-D-Erlebnis hinausgeht, das man schon in den 80ern bei der damaligen 3-D-Renaissance hatte. Und der sicher nicht sehr lange im Gedächtnis bleiben wird. Soll er aber auch nicht, wer kann sich schließlich schon an jede einzelne Achterbahnfahrt erinnern?

Die Hoffnung auf eine verfrüht einsetzende Revolution mit 3-D ist wie die sinnbildliche Seifenblase geplatzt. Als sich abzeichnete, dass JOURNEY TO THE CENTER OF THE EARTH nicht mehr viel mit Jules Vernes Roman gemeinsam haben würde, geschweige denn als Remake der 1959 entstandenen Filmfassung gelten konnte, änderten die Amerikaner den Titel schnell zum griffigen JOURNEY 3-D. Es wurde der erste auf HD gedrehte Film in 3-D, was die Nachbearbeitung grundsätzlich vereinfachte. Verantwortlich für die Bilder ist Chuck Shuman, der wie sein Regisseur Brevig aus dem Fach der visuellen Effekte kommt, und bei dieser REISE das erste Mal die Kamera bestimmen durfte. Da haben sich zwei gefunden, die dem Spleen für die neue Technologie kräftig Vorschub leisten sollten. Mit Fraser als Kassengaranten vorne weg und umwerfenden optischen Einfällen hätte es das Kinoereignis sein müssen, das New Line und Walden Media als produzierende Studios im Sinn hatten. Doch wie bereits vorauszusehen war, hatte kaum ein Kino in Amerika digitale Projektoren installiert.

"3-D, geht das auch mit etwas mehr Anspruch?" Nun gut, James Cameron wird es uns zeigen. Wie das geht, einen 3-D-Film zu machen, bei dem uns die Darsteller nicht das Wasser ins Gesicht spucken, mit ihren Zeigefingern sinnlos in den Augen herumbohren und auch sonst keine Albernheit auslassen, die von diesem Genre bisher erfunden wurde. Ich könnte das jetzt ja ganz einfach ergoogeln, aber gibt es für 3-D-Filme andere Autoren? Selbst SPY KIDS 3-D hatte viel weniger Handlung als die ersten beiden Spy-Kids-Teile. Warum, bitteschön? Wenn man einen 3-D-Film gesehen hat, könnte man meinen, Adam Sandler dreht nur Shakespeare-Verfilmungen. Hat denn überhaupt jemand seit Hitchcocks 3-D-Thriller DIAL M FOR MURDER – BEI ANRUF MORD versucht, die technischen Möglichkeiten mit Sinn und Verstand anzuwenden? Wenn Grace Kelly fast erwürgt wird und ihre Hand ins Publikum streckt, dann will der Kinozuschauer ihr unwillkürlich zu Hilfe eilen, das eigene Taschenmesser in die Hand drücken, er wird zum Täter. Ironischerweise kann man gerade diesen 3-D-Film heutzutage nicht mehr in 3-D sehen. Dabei würde das vielleicht mehr Sinn machen, als immer wieder Neues zu drehen. Man traut 3-D einfach nichts anderes zu, als reines Popcorn-Kino zu sein. Und so bleibt 3-D mit Anspruch ein unerfüllter Wunsch. Na gut, warten wir mal eben noch Camerons AVATAR ab.

Um 3-D an den Mann zu bringen, und an die Frau ebenso, muss man einfach Gas geben. JOURNEY ist keine Romanverfilmung und kein Remake. Man könnte es vielleicht einen losen, verschrobenen 2. Teil nennen, in dem die Protagonisten auf den Spuren des Originals wandern (ob Buch oder Film). Und während man von der Geschichte her allen Gefahren entgegentritt, ihnen trotzt, sie meistert, stechen dem Zuschauer die Unzulänglichkeiten der technischen Umsetzung in die Augen. Das Filmbild ist, gerade in der ersten halben Stunde, viel zu eng kadriert, und im Laufe des gesamten Filmes fallen ausgestreckte Gliedmaßen oder im Vordergrund befindliche Dinge ständig aus der Schärfe. Der Umgang mit dieser anderen Art des Mediums Film wirkt sehr oft sehr unbeholfen. Die Funktion des 3-D-Beraters Ed Marsh relativiert sich mit dem Endergebnis. Inszeniert und geschnitten ist JOURNEY wie ein sehr obligatorisches Beispiel eines konventionellen Abenteuerfilmes. Der 3-D-Effekt verstärkt an manchen Stellen sogar die misslungenen Versuche von qualitativem Kino. Dass ein Film dieser Sparte nicht Kinokunst, sondern reinen Kommerz bedeutet, sollte jedem klar sein, und dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Man kommt um der Effekte willen, und der Effekte wegen ist dieser Film entstanden. Das ist absolut in Ordnung. Nur ist allzu deutlich, dass sich niemand der Macher wirklich mit der Wirkung und den Notwendigkeiten dieser Unterhaltungsform auseinander gesetzt hat.

"Wo bitte bleibt die Atmosphäre?" Dass sich laut Film eine Luftblase in der Erde gebildet und erhalten hat, die den drei Menschen auf ihrer Reise zum Mittelpunkt das Überleben ermöglicht, mag nicht wahrscheinlich, aber eben notwendig sein. Schade nur, dass das so ziemlich die einzige Atmosphäre ist, die der Film bietet. Es stimmt schon, wenn der Film seinen Blick auf einer weiten Höhlenlandschaft ruhen lässt, dann sind das dank 3-D beeindruckende Momente. Ansonsten aber hat man nicht wirklich das Gefühl, immer tiefer ins Erdinnere vorzudringen. Eine eigene Filmsprache zu erfinden, versucht der Regisseur erst gar nicht. Es muss einfach reichen, dass uns immer mal wieder was um die Ohren fliegt. Und dass man uns brav erzählt, dass man im Inneren angekommen ist.

Brendan Fraser und der SaurierEntgegen allen Prognosen, die sich schon in der Produktionszeit des Films abzeichneten, haben die Macher jede Chance auf eine Vorführung im normalen 2-D-Kinoformat in den Wind geblasen. Unablässig wird der Film seinen Ansprüchen gerecht, schleudert einem Dinge ins Gesicht, zeigt grandiose Landschaften, bietet Action ohne Unterlass und nutzt pausenlos die dritte Dimension als reinen Schauwert. Das gefällt dem, der alles so sieht, wie es angedacht war. Doch um das Schlimmste an finanziellem Fiasko zu vermeiden startete der Film in Amerika, genauso wie jetzt in Europa, in den meisten Kinos als profane 35mm-Kopie. Das ist nicht einfach nur eine Mogelpackung, sondern auch noch der optische Supergau. Was in 3-D extrem unterhaltend und perspektivisch einwandfrei funktioniert, ist in 2-D unerträglich. Kaum eine Effekt-Szene erklärt sich oder macht Sinn, wenn diese flach projiziert wird. Und dabei ist der Film eine endlose Aneinanderreihung von Effekt-Szenen. Der Film ist zum Scheitern verurteilt produziert worden, weil man ignorierte, dass es nicht genügend adäquate Vorführstationen geben wird.

"Wie gut wurde der Drehbuchautor bezahlt?" Hitchcocks DIAL M FOR MURDER wirkt auch in 2-D. Da hatte der große Regisseur wohl mal wieder weitergedacht. Aber gut, nicht jeder 3-D-Film muss auch in 2-D wirken. Insofern ist es natürlich JOURNEY nicht vorzuwerfen, dass er in 2-D untergeht. Doch er funktioniert eben auch als Effekte-Spektakel nicht, da er sich zu wenig Mühe gibt. Wenn Szenen so wahllos aneinander gereiht werden, dass man den Verdacht hat, man könnte sie alle in einen Würfelbecher stecken, durcheinander schütteln und wieder zusammenfügen, ohne dass man eine Veränderung merkt, dann läuft auch bei einem Effekte-Film was falsch. Denn dummerweise hat man hier den Spannungsbogen vergessen, den auch so ein Film unbedingt braucht. Wenn wir irgendwann am Mittelpunkt der Erde angekommen sind, dessen Erreichen wir angesichts des Titels nie in Frage gestellt haben, wünschen uns eigentlich nur noch eine schnelle Rückkehr. Und die bekommen wir gnädigerweise auch. Und wenn wir dann aus dem Kino kommen, wollen wir nicht mehr zurück. Ein paar gute Gags, ein paar gute Effekte, ein paar sympathische Darsteller. Der Film insgesamt gestückelt, alles schon mal dagewesen. Also doch ein Remake im wahrsten Sinne des Wortes. Ich warte immer noch auf einen guten 3-D-Film. Ich warte auf AVATAR.

Noch hat alles den Charme von Jahrmarktszauber. Das Filmformat, das Erlebnis und vielleicht sogar die Nachhaltigkeit. Doch es sollte nicht mit einem Schlag als verwerflich gelten, wenn uns Hollywood einen Vorgeschmack darauf gibt, was den Zuschauer zukünftig weiterhin ins Kino ziehen soll. Selbstverständlich zum Zweck des Geldscheffelns, aber auch zugunsten eines nach Unterhaltung dürstenden Publikums. Und gute Unterhaltung ist JOURNEY 3-D auf alle Fälle. Er ist schnell, sinnbefreit und mit 92 Minuten ungewöhnlich, aber angenehm kurz. Selbstverständlich hebt das die Kritik an der schlampigen Regie und dem unsinnigen Drehbuch nicht auf. Aber darf Kino nicht auch einmal ganz bewusst Sinn und Zweck beiseite schieben? Ob es nun ausgerechnet von allen Ur-Echsen der T. Rex sein muss oder der Geysir, der Menschen eigentlich umgehend zerquetschen würde. Ob es das Ringen und K.-o.-Schlagen von fleischfressenden Pflanzen sein muss oder nicht zu vergessen die schamlos geklaute und noch immer unsinnige Lorenfahrt, all das darf man schon in Frage stellen. Aber der Film funktioniert, weil die Technik funktioniert. Wer möchte denn da wirklich Richter sein, nur weil Populärkino ganz einfach es selbst sein will? Von allen Filmen, die unter dem Deckmantel des Anspruchs den Zuschauer an der Nase herumführen, wird ausgerechnet der am meisten gescholten, der offen zugibt, eine lose Aneinanderreihung von visuellen Effekten zu sein.

 

Reise zum Mittelpunkt der Erde - Journey to the Center of the Earth
Darsteller: Brendan Fraser, Anita Briem, Josh Hutcherson, Seth Meyers, Jean-Michel Pare, Jane Wheeler, Frank Fontaine u.a.
Regie: Eric Brevig – Drehbuch: Michael Weiss, Jennifer Flackett, Mark Levin – Kamera: Chuck Shuman – Bildschnitt: Paul Martin Smith, Dirk Westervelt, Steven Rosenblum – Musik: Andrew Lockington – Visuelle Effekte: Christopher Townsend – 3-D Berater: Ed W. Marsh
USA / 2008 – circa 92 Minuten

 

Bildquelle: New Line, Walden Media

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.