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Leftis Plausch # 05: „Sword & Planet“ – Was ist das? - Eine Genrebeschreibung

Sword & PlanetSword & Planet
Was ist das? - Eine Genrebeschreibung
 
Nachdem ich im bisher letzten (meinem vierten) ›Plausch‹ über »John Carter of Mars« von Edgar Rice Burroughs die Genrebezeichnung ...
 
... ›Sword & Planet‹ ...
 
... in die Waagschale geschmissen habe, erhielt ich von mehreren Mitmenschen aus meinem näheren Umfeld unter anderem folgende Statements:
  • „Ey, was schreibst du da für'n Stuss?“

  • „Sword & Planet, was ist denn das?“

  • „So was gibt es doch gar nicht ...“

  • „Das Genre nennt man doch Science Fantasy ...“

  • usw.

Nun, davon abgesehen, dass ich relativ viel Stuss schreibe Wink, möchte ich hier versuchen den Begriff „Sword & Planet“ etwas genauer zu beschreiben und zu erklären.

Der Versuch einer Definition
Sword & Planet!

Was fällt mir dazu ein?

Mal überlegen ...

Edgar Rice BurroghsAch ja: Edgar Rice Burroughs.

Edgar Rice Burroughs, in Deutschland hauptsächlich als geistiger Vater von Tarzan bekannt und Fans auch als ERB (ja, ich weiß, es klingt, als ob man aufstößt) geläufig, begründete 1912 dieses Genre mit seinem ersten Mars-Roman, den er kurz vor dem ersten Tarzan-Roman schrieb.1 (siehe dazu auch Leftis Plausch # 04)

Wie die Bezeichnung „Sword & Planet“ schon sagt, - eigentlich ist dieser Artikel ja total unsinnig, da sich die Bezeichnung des Genre ja selbst erklärt – handelt es sich um eine Trivialität, die auf zumindest einem Planeten angesiedelt ist, auf dem sich die Bewohner hauptsächlich mit Schwertern die Köppe einschlagen. - Warum das so ist, ist erst einmal zweitrangig.

Statt die Geschichte auf irgendeiner, nicht näher beschriebenen, imaginären Fantasywelt anzusiedeln, muss in diesem Falle zumindest ein Planet als Hintergrund der Geschichte herhalten, auch wenn es diesen Planeten gar nicht gibt, dieser also selbst imaginär und vom Verfasser der Geschichte ausgedacht ist.

Auf diesem Planeten herrschen archaische Sitten auf dem man sich – aus welchen Gründen auch immer – hauptsächlich mit dem Schwert bekämpft.

Warum ist das so? Warum mit Schwert?

Nun, erst einmal kann auf diesem Planeten der Entwicklungsstand der Bewohner nicht allzu weit fortgeschritten sein, so dass man diesen mit dem unseres Mittelalters oder noch älter vergleichen kann; oder aber auch, dass der Entwicklungsstand und die Technik viel weiter fortgeschritten waren und die Kulturen, Rassen und Völker, zumindest teilweise, aus irgendeinem Grund einen Rückschritt erlitten.

Warum das passierte, da gibt es unzählige Möglichkeiten, die sich die Autoren ausdenken können.

Da wäre zum Beispiel ein Krieg zu nennen, der die Völker in ihrer Entwicklung zurück fallen oder sich nicht weiter entwickeln lässt. Oder eine riesige Naturkatastrophe. Aber vielleicht liegt es auch an den verschieden Kulturen der Rassen und Völker, dass es zwar durchaus fortschrittliche Technik gibt, die wir als utopisch bezeichnen, aber es eben ein alter Brauch, ein Kodex, ist, Kämpfe und Meinungsverschiedenheiten hauptsächlich mit dem blanken Stahl auszutragen.

Die Erklärung hierfür ist letzten Endes zweitrangig. „Sword & Planet“ ist der PULP-Literatur zuzuordnen, die ihr Hauptaugenmark auf Action, Spannung und Unterhaltung legt, da diese ihren Ursprung in Zeitungen und Zeitschriften als Fortsetzungsgeschichten begründet.

Einige von euch werden jetzt sagen: „Hey, das ist doch Science Fantasy“.

Aber! Da müssen wir erst einmal überlegen, was ist denn Science Fantasy?

Was heißt Science Fantasy eigentlich auf Deutsch?

Antwort: Wissenschaftliche Fantasie.

Gibt es so etwas überhaupt, "wissenschaftliche" Fantasie?

Nun, ich denke mal, dass der wissenschaftlichen Fantasie alles zuzuordnen ist, das sich auf (Pseudo-) Wissenschaft und Technik bezieht, die heutzutage noch nicht erklärbar und noch nicht erfunden, bzw. noch nicht vorhanden ist und/oder real existiert.

Ob es nun der Fluxkompensator aus „Zurück in die Zukunft“, der Beamer aus „Enterprise“ oder das Laserschwert aus „Krieg der Sterne“ ist ...

Aber nein, halt! Werden die eben genannten Beispiele nicht der Science Fiction statt der Science Fantasy zugeschrieben?

Wie kürzt man denn überhaupt Science Fantasy ab? SF? Nein, SF ist ja die Abkürzung für Science Fiction.

Ergo: die Bezeichnung Science Fantasy ist doch ganz schön verwirrend und nicht aussagekräftig, zumindest für mich. Innocent

Darüber hinaus werden Romane der Science Fantasy zugeordnet, deren Gegenwart und Kultur – ich meine damit die Zeit in der die Geschichte des Romans spielt – einen Rückschritt gegenüber der (vor allem technisch fortschrittlicheren) Vergangenheit vollzogen haben und Technik aus der Vergangenheit nur noch als Relikte übrig geblieben sind.

Das ist beispielsweise bei „Shannara“ und „Dragon – Söhne von Atlantis“ der Fall.

Inwieweit muss diese antike Technik – und evtl. auch Wissenschaft – noch vorhanden sein?

Welchen Umfang, welche tragende Rolle muss die antike Technik im Roman inne haben, um diesen Roman als Science Fantasy zu deklarieren?

Aha! Der aufmerksame Leser wird eben bemerkt haben, dass es doch ein paar kleine Parallelen zwischen „Sword & Planet“ und „Science Fantasy“ gibt.

(Rein theoretisch wäre ein Roman, der im frühen Mittelalter spielt – inklusive irgend eines fantastischen Schnullefax – auch dem Genre der Science Fantasy zuzuordnen, da die Menschen im realen Mittelalter gegenüber der Wissenschaft, Kultur und Technik der Antike einen erheblichen Rückschritt in die Barbarei vollzogen und übrig gebliebene zerfallende technische Relikte aus der Antike gesehen haben: Gepflasterte Straßen, Pyramiden, Aquädukte, um nur einige zu nennen.)

Oder aber auch, dass eine technologisch fortschrittliche Rasse/Volk mit einem Raumschiff auf einem Planeten landet, auf dem die einheimischen Völker eine geringere (oft mit dem Mittelalter vergleichbare) Entwicklungsstufe innehaben. Beispiele dafür wären L. Sprague de Camps „Zei-Zyklus“ und Marion Zimmer-Bradleys „Darkover-Zyklus“.

Aber „Shannara“, „Dragon – Söhne von Atlantis“ und der „Zei-Zyklus“ werden doch eigentlich der reinen Fantasy zugeordnet, oder irre ich da?

Den Darkover-Zyklus würde ich eher als „Planetary Romance“ bezeichnen.

Kann man einen Roman, in dem der Protagonist mit einem Raumschiff auf einem - sagen wir mal – mittelalterlichen Planeten landet und strandet und das Raumschiff in dem Roman keine weitere relevante Rolle spielt, Science Fantasy nennen?

Ich weiß es nicht.

Nun, damals in den 1960ern und 1970ern (und auch schon vorher) war man sich bei manchen Romanen auch gar nicht mal so sicher, welchem Genre sie denn nun eigentlich zuzuordnen sind. Science Fiction, Science Fantasy oder nur Fantasy? Um auf Nummer sicher zu gehen brachte man eine weitere, allumfassende Genrebezeichnung in Umlauf. Kennt die vielleicht noch jemand? Wink Den Sammelbegriff schlecht hin. Kenner, die vor 1970 geboren wurden kennen die Bezeichnung auf jeden Fall. Kleiner Tipp: ich nannte sie auch schon weiter oben.

Na? Drauf gekommen? Smile

Richtig! Die Utopi, bzw. den "utopischen" Roman.

Aber ich schweife ab.

Kommen wir wieder zurück auf den Boden der Tatsachen: Sword & Planet.

„Sword & Planet!“ Sagt diese Worte mal laut vor euch hin. Lasst euch diese Worte mal g-a-n-z  l-a-n-g-s-a-m und genüsslich auf der Zunge zergehen: „S-w-o-r-d   &    P-l-a-n-e-t!“

Hört sich doch irgendwie cool an, oder? Laughing

Habt ihr Mut? Oder: Mut allein genügt nicht!

Jetzt stellt euch doch mal vor, ihr geht in die Fachbuchhandlung eures Vertrauens – die Betonung liegt auf „Fach“. Also, so eine richtige Fachbuchhandlung, dort, wo sich die ganzen Science Fiction- und Fantasy-Fans, -Cracks, -Nerds und -Geeks herumtreiben und sich ein Stelldichein geben.

Und dann geht ihr an den Counter, also an den Tresen, also zur Kasse hin, bzw. dort hin, wo gerade der Verkäufer 'rum kreucht und fleucht.

Und dann! Dann ruft ihr lauthals im Ton der inbrünstigen Überzeugung und des Stolzes heraus: „Ich suche Sword & Planet!“ Laughing

Tja, Freunde! Und schon seid ihr mittendrin!

Was meint ihr, wie hellhörig die ganzen Nerds werden und was für große Ohren die kriegen. Ich sage euch: „Dumbo ist nichts dagegen!“ Wink

Anhand der euch nun entgegengebrachten Reaktion des Verkäufers seht ihr gleich, ob jener vom „Fach“ ist, oder ob dieser dumm aus der Wäsche guckt, ihm die Kinnlade 'runterfällt und ggf. vielleicht noch ein „Hää...?“ über die Lippen kommt.

Aber da die Genrebezeichnung "Sword & Planet" ja quasi selbsterklärend ist, müsste sich der Verkäufer normaler Weise als Fachmann outen und wie aus der Pistole geschossen: „Klar, Flash Gordon!“ (oder so etwas in der Art) ausrufen; worauf ihr gekonnt mit dem Finger schnippt und mit: „Genau! Der Mann (oder Frau) hat Ahnung!“ (oder so ähnlich) antwortet. - Probiert das ruhig mal aus.

Wer von euch ganz derbe drauf ist, also die richtig Abgekochten unter euch, die probieren das Ganze mal mit „Planetary Romance“...Surprised

Bleibt noch zu klären, ob "Sword & Planet" der Science Fiction zuzuordnen ist.

Ist Science Fiction das Obergenre und "Sword & Planet" ein Subgenre?

Müssen alle Genres für sich alleine stehen?

Oder gehört Science Fiction zur Fantasy?

In diesem Zusammenhang ist eine Definition interessant, die Sam Moskowitz in seinem Buch "Explorers of the Infinite" (The World Publishing Company, 1963) so formulierte:

Als ein Zweig der FANTASY ist Science Fiction daran erkennbar, dass sie dem Leser bei der von ihm gewollten Verdrängung des Unglaubhaften entgegenkommt, indem sie sich einer Atmosphäre wissenschaftlicher Glaubhaftigkeit bedient bei ihren phantasievollen Spekulationen in Raum und Zeit, auf den Gebieten der Naturwissenschaften, der Sozialwissenschaften, der Philosophie."
Science Fiction als Ganzes wäre ohne Fantasy, ohne "sense of wonder", dieser verspielten Freude am Unvorstellbaren, Unvorhergesehenen, schwer denkbar.

Nachzulesen in: Ullstein 2000 Science-Fiction-Stories 20, 1973.
Nach dieser Definition ist Science Fiction ein Sub-Genre der Fantasy.

Obwohl das Genre „Sword & Planet“ nun schon genau einhundert Jahre auf dem Buckel hat, ist es die ganzen Jahrzehnte relativ spurlos an Deutschland vorüber gezogen und ist daher weitestgehend bei uns unbekannt, wenn man von einigen kleinen Intermezzos in den Terra Fantasy Tb., einigen SF Anthologien (wie beispielsweise von Ullstein) und einige kleine Serien im Goldmann Verlag oder bei Heyne in den 1970ern mal absieht.

Warum dieses Genre in good old Germany über die Jahrzehnte so unpopulär war, ist mir ein Rätsel.

Ein Rätsel, das es zu lösen gilt!

Vielleicht hat man diesen Trend in Deutschland schlicht und ergreifend verschlafen?!

Wie im Plausch # 04 drauf hingewiesen, hoffe ich doch sehr, dass ein kleiner Hype entsteht und dass auch wir hier in Deutschland in den Genuss kommen; ähnlich des Cthullhu-Mythos, der bei uns erst richtig in Fahrt kam, als das gleichnamige Rollenspiel hier erschien.

Ich denke mal, dass hier wieder die Klein- und Kleinstverlage gefordert sind.

 

1 Erste Veröffentlichung der ersten Mars-Story als Fortsetzungsgeschichte von Februar bis Juli 1912. Erstveröffentlichung Tarzans im Pulp-Magazin „All-Story Magazine 27. August 1912 (Oktober-Ausgabe 1912). In Buchform wurde im Jahre 1914 jedoch zuerst Tarzan veröffentlicht. John Carter from Mars folgte im Oktober 1917. (Tarzan.org)

 

Olav Linke, Februar 2012

 

Anbei noch einige Bilder, die die Stimmung von „Sword & Planet“, bzw. „Planetary Romance“ wiedergeben.

Kommentare  

#16 Andreas Decker 2012-03-01 11:35
Zitat:
Bin immer noch am zaudern, ob ich nun lieber doch oder lieber doch nicht
Kann ich verstehen :lol: So wenig Zeit und so viele öde Schrottklassiker.

Soweit ich mich erinnere, ist lange her, dass ich die Romane gelesen habe, kann man mit "Herrin der Stürme" und "Die Zeit der hundert Königreiche" wenig falsch machen. Das waren eigentlich Fantasyromane, die einige Zeit vor dem vernebelten Avalon geschrieben wurden und darum recht handfeste Unterhaltung boten. Natürlich waren auch das keine Actionkracher und für ihre Zeit ziemlich umfangreich.

Aber mit Burroughs&Co hat das nichts zu tun. Wenn es dir um einen guten phantastischen Abenteuerroman aus den Dreißigern geht, kannst du immer noch zu A.Merritt greifen. Romane wie "Der Mondteich" oder die bei Terra Fantasy geteilten Ship of Ishtar und Dwellers in the Mirage sind immer noch lesenswert und um Klassen besser erzählt als Burroughs.
#17 Larandil 2012-03-01 12:13
Mal sehen, was ich noch so auf die Reihe kriege.
In "Der verbotene Turm" und "Die blutige Sonne" geht es um Terraner, die von den Darkovanern die schwierige Arbeit mit Psi ("Laran") in den Türmen von Darkover erlernen wollen. "Das Zauberschwert" ist die Geschichte eines Terraners, der als Einziger die psionischen Hilferufe einer entführten darkovanischen Psionikerin empfangen kann und sie aus der Gefangenschaft bei Nichtmenschen befreien soll, bevor etwas ziemlich Schlimmes passiert.
So über den Daumen gepeilt würde ich sagen: je früher der Roman geschrieben wurde, desto weniger ausgeprägt sind die feministischen Elemente, die in "Gildenhaus Thendara" oder "Die zerbrochene Kette" schon sehr betont daher kommen.
#18 Lefti 2012-03-01 21:24
Andreas Decker Zitat:
Romane wie "Der Mondteich" oder die bei Terra Fantasy geteilten Ship of Ishtar und Dwellers in the Mirage sind immer noch lesenswert und um Klassen besser erzählt als Burroughs.
Nun gut, ich werde Deine Aussage bzgl. "Mondteich/Mondsee" einer ausführlichen Prüfung unterziehen. ;-)
Ship of Ishtar/Insel der Zauberer gibt es auch als HC vom Blitz Verlag.
Und um den Reigen voll zu machen wäre da auch noch "Das Gesicht im Abgrund" zu nennen.

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