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Heyne Science Fiction Classics 43 - Catherine Lucille Moore

Heyne Science Fiction ClassicsDie Heyne Science Fiction Classics
Folge 43: Catherine Lucille Moore
Der Kuß des schwarzen Gottes

Von den sechziger bis Anfang der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts erschienen als Subreihe der Heyne Science-Fiction-Taschenbücher mehr als hundert Titel unter dem Logo „Heyne Science Fiction Classics“. Diese Romane und Kurzgeschichten werden in der vorliegenden Artikelreihe vorgestellt und daraufhin untersucht, ob die Bezeichnung als Klassiker gerechtfertigt ist.

Science Fiction-Literatur war als technisch angehauchtes Genre sehr lange von Männern dominiert. Man könnte einwenden, dass von manchen einflussreichen Kennern des Genres Mary Shelley als die Gründungsautorin des Genres mit dem berühmten Roman Frankenstein, der 1818 erschien, genannt wird. Daran ist sicher etwas Wahres, aber Shelley blieb im 19. Jahrhundert eine Ausnahmeerscheinung. Als sich in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in Amerika die ersten spezialisierten Science Fiction- (und Fantasy-) Magazine etablierten, war C. L. Moore die erste Autorin, die große Aufmerksamkeit erlangte, allerdings wurde lange nicht bekannt, dass es sich dabei um eine Frau handelte.

Heyne Science Fiction ClassicsCatherine Lucille Moore wurde 1911 in Indianapolis geboren. Sie begann ein Studium englischer Literatur, musste dieses aber im zweiten Jahr wegen der Weltwirtschaftskrise abbrechen und arbeitete in einer Bank. Sie schrieb aber nebenbei und reichte die Geschichte Shambleau beim Magazin Weird Tales ein. Der Herausgeber Farnsworth Wright war begeistert, und dies war der Beginn der Karriere von Moore als SF- und Fantasyautorin. Ihre Geschichten erschienen lange nur mit den Initialen ihrer Vornamen. Shambleau stellte Northwest Smith vor, einen interplanetarischen Abenteurer, und das Publikum wollte nach dieser unheimlichen und erotischen Medusengeschichte mehr von ihm lesen. Insgesamt schrieb Smith mehr als ein Dutzend Geschichten über diesen Helden, aber die erste blieb die beeindruckendste. Im Deutschen gab es nie eine komplette Ausgabe seiner Abenteuer. Das ist aber nicht verwunderlich, denn auch im Englischen gab es eine solche erst 2008. Anders ist es mit Jirel von Joiry, einer Fantasyheldin von Moore, die auch sehr populär wurde. Hier gab es auf Deutsch in den siebziger Jahren eine Sammlung von drei Geschichten in der legendären Reihe Terry Fantasy und 2002 eine vollständige Ausgabe aller sechs Geschichten in der leider nur kurzlebigen Reihe Dark Fantasy des Festa-Verlages. Jirel wäre keine größere Bemerkung wert, denn so prickelnd sind diese puren Sword & Sorcery-Geschichten nicht. Aber dass es in ihnen eine schwertschwingende Heldin gab anstatt kreischender Mädchen, die von irgendwelchen Außerirdischen oder Monstern entführt wurden, um von ihnen defloriert und anschließend verspeist zu werden, falls sie vom männlichen Helden nicht rechtzeitig gerettet wurden, das war für die dreißiger Jahre schon sehr ungewöhnlich. Moore konnte aber auch Besseres, das beweist die hier vorgestellte Sammlung. 1940 heiratete sie Henry Kuttner, einen Schriftstellerkollegen, der bereits mit Kriminal-, Horror- und SF-Geschichten hervorgetreten waren. Von da an arbeiteten die beiden als Team. Die Gemeinschaftswerke erschienen meist unter den Pseudonymen Lewis Padgett oder Lawrence O'Donnell oder gar nur unter Kuttners Namen. Einige sehr bekannte Kurzgeschichten, von denen hier teilweise noch die Rede sein wird, oder auch Romane wie Fury (Deutsch: Alle Zeit der Welt) oder Mutant (Deutsch: Die Mutanten) sind auf diese Art entstanden. Populär wurde auch die humorvolle Kurzgeschichtenserie um den immer betrunkenen Erfinder Galloway Gallagher und seinen stolzen Roboter.

Kuttner starb 1958 an einem Herzanfall, er war erst 44 Jahre alt. Seine Witwe schrieb zwar weiter, sie konzentrierte sich in ihrer weiteren Laufbahn aber auf Drehbücher fürs Fernsehen und war auch als Dozentin für kreatives Schreiben tätig. Sie heiratete ein zweites Mal und starb 1987. Sie bleibt der SF-Gemeinde als Verfasserin von spannenden und farbigen SF- und Fantasy-Abenteuer aus der Pionierzeit der SF-Magazine in guter Erinnerung. Die Bedeutung von Moore darauf zu reduzieren, dass sie als eine der ersten Frauen professionell im SF-Genre tätig war, ist eine Beleidigung. Sie verstand es wie wenige andere Schriftsteller zu ihrer Zeit, Stimmung, Gefühl und Farbe in die Geschichten hineinzubringen. Ihre Prosa steht weit über den oft hölzern geschriebenen Werken männlicher Kollegen der dreißiger Jahre. Entsprechende Vergleiche lassen sich in dieser Artikelserie zur Genüge finden.

Heyne Science Fiction ClassicsIn den Heyne Science Fiction Classcis erschien 1982 unter dem Titel Der Kuß des schwarzen Gottes eine Kurzgeschichtensammlung, welche den Originaltitel The Best of C. L. Moore trug. Folgende Geschichten sind in der Sammlung enthalten:

Shambleau: Ein Pöbel hat sich in der Marsstadt Lakkdarol zusammengerottet und verfolgt eine junge Frau, die Gefähr läuft gelyncht zu werden. Northwest Smith, ein Abenteurer von der Erde, rettet das Mädchen vor dem sicheren Tod. Sie sieht fremdartig aus, mit nur vier Fingern an den karllenbewehrten Händen, schräggestellten grünen Augen, wie gespitzt aussehenden Zähnen und einem Turban, der ihren Kopf bedeckt, denn sie hat keine sichtbaren Körperhaare. „Shambleau!“ brüllt der Mob, aber als Smith erklärt, dass die Frau ihm gehört, ziehen sich die Leute mit zuerst ungläubigem Staunen, aber dann mit einem verächtlichen Grinsen zurück. Die Frau kann nur gebrochen sprechen und verweigert die Nahrungsaufnahme. Sie stammelt, dass sie später essen wird. Smith ist von ihrer Ausstrahlung gleichzeitig angezogen wie irritiert:

Sie ging langsam auf ihn zu auf ihren bloßen, klauenbesetzten Füßen, die auf dem Boden kein Geräusch verursachten, und stand dann vor ihm mit niedergeschlagenen Augen und einem Mund, der in diesem rührend menschlichen Lächeln bebte. Er nahm sie bei den Schultern – samtweichen Schultern, von einer cremigen Zartheit, die anders war als menschliches Fleisch. Ein kleiner Schauder überlief sie sichtbar, als seine Hände sie berührten. Northwest Smith hielt plötzlich den Atem an und zog sie an sich … süße, nachgiebige Bräune in seinen Armen --- hörte, wie auch ihr der Atem stockte und sich dann beschleunigte, als ihre samtigen Arme sich um seinen Hals schlossen. Und dann blickte er in ihr Gesicht hinunter, von ganz nahe, und die grünen Tieraugen begegneten den seinen mit ihren pulsierenden Pupillen und dem Flackern von irgend etwas – weit hinter ihrer Untiefe -, und Smith spürte durch das anschwellende Rauschen seines Blutes hindurch, wie etwas tief in ihm zurückschauderte, noch während er seine Lippen den ihren entgegenneigte – unerklärlich, instinktiv, mit einer winzigen Spur von Ekel. Er fand keine Worte, um auszudrücken, was es sein könnte, aber die leiseste Berührung von ihr war ihm plötzlich verhaßt – so sanft, samtig und menschlich sie auch war -, und es hätte ein Tiergesicht sein können, das sich seinem Mund entgegenhob – das dunkle Wissen blickte gierig aus der Schwärze dieser geschlitzen Pupillen hervor -, und einen wahnsinnigen Augenblick lang erkannte er in sich den gleichen, wilden, fieberhaften Abscheu, den er in den Gesichtern des Pöbels gesehen hatte...

(Zitiert aus: C. M. Moore: Shambleau. In: Der kuß des schwarzen Gottes. München 1982, Heyne SF 3874, S. 25)

In der Nacht hat Smith einen seltsamen Traum Irgendein namenloses Wesen ringelt sich um seinen Hals. Er verspürt gleichzeitig Gefühle des Entzückens und des Abscheus. Smith denkt lange über den Traum nach. Nach einem weiteren Schlaf mit wiederum wirren Träumen sieht er mit Entsetzen, wie die Frau ihren Turban abnimmt und wurmartige Auswüchse von ihrem Kopf herauskommen und über ihren Rücken kriechen. Smith erkennt, das er es mit einer Meduse zu tun hat, kann sich aber nicht mehr gegen ihre Ausstrahlung wehren. Sie nimmt ihn in ihre Arme und die Auswüchse schlängeln sich um ihn, ehe sich das Vergessen über ihn senkt.

Einige Tage später kommt Yarol an, Smiths Freund von der Venus, und macht sich auf die Suche nach Smith. Als er die Tür seines Zimmers öffnet, sieht er einen Haufen Eingeweide, die sich über seinen Freund schlängeln. Dieser ist von Schleim bedeckt und sieht mehr tot als lebendig aus. Yarol gerät auch beinahe in den Bann des tödlichen Wesens, aber er weiß im Unterschied zu Smith, mit wem er es zu tun hat und erschießt das Ungeheuer, indem er in einen Spiegel blickt und so das richtige Ziel findet. Er nimmt dem Geretteten das Versprechen ab, falls er noch einmal so einem Wesen begegnet, das sich von der Lebenskraft seiner Opfer ernährt, es sofort mit der Strahlwaffe zu Asche verbrennen. Smith stimmt mit zitternder Stimme zu, es zu versuchen.

Schwarzer Durst: Eine Schönheit sucht Northwest Smith auf. Sie ist eine von den Minga, die seit langer Zeit in eine Festung gezüchtet werden, um die Männer zu bezaubern. Kein normaler Mann darf sich diesen übermenschlich schönen Frauen nähern. Doch Vaudir braucht Northwests Hilfe, sie bezahlt ihn für ihre Dienste. Er dringt in die riesige Stadt in der Stadt vor, die Festung, die man ebenfalls Minga nennt. Vaudir hat Angst, zu verschwinden, wie viele andere Mädchen vor ihr. Alendar, der Herr über die Minga, wird sie einem ungewissen Schicksal entgegenführen. Doch Northwest wird entdeckt, als er in die Tiefen der Burg vordringt, und von Alendar gefangen. Er sagt, er habe Verwendung für Northwest. Er zeigt Northwest eine Reihe von Verliesen, in der junge Frauen gefangen sind, die unglaublich schön sind, weit schöner sogar noch als Vaudir. Alendar ist der Letzte einer vormenschlichen Rasse, der die Mädchen züchtet, um sich wie ein Psychovampir von ihrer Schönheit zu ernähren. Er will jetzt aber die Schönheit eines Mannes kosten, und Northwest soll das Opfer sein. Doch mit Hilfe Vaudirs reißt sich der Erdmensch aus dem psychischen Bann und erschießt den Unheimlichen. Ein Klumpen Schleim bleibt übrig, der in das Meer fließt. Vaudir und Northwest fliehen aus der Burg, aber die übermenschliche Anstrengung des psychischen Kampfes hat sie so erschöpft, dass sie stirbt. Northwest tritt allein hinaus in die frische Luft der Venus.

Das glänzende Trugbild: Der Erdmensch Dixon wird von einer außerirdischen Macht entführt, die ihn dazu benützen möchte, auf einer fremden Welt den dortigen Gott zu vertreiben, damit seine Auftraggeber diesen Planeten in Besitz nehmen können. Dixon hat keine Wahl, und so muss er das Abenteuer annehmen. Er wird über einen Abgrund von Zeit und Raum transferiert und landet in einer fremden Stadt mit Gebäuden und Bewohnern, deren wirkliche Gestalten er nie richtig wahrnehmen kann. Sein Geist gaukelt ihm aber menschliche Gestalten vor, damit er nicht wahnsinnig wird. Eine Frau begegnet ihm, eine Priesterin ILs, des Gottes. Obwohl es unmöglich ist, verliebt sich Dixon in die Priesterin. Der Angriff auf IL misslingt, der Gott ist unbezwingbar. Er ist aber über Dixon und die Priesterin verblüfft, denn er kannte bis jetzt noch nicht die Kraft der Liebe. Für die beiden, die in so unterschiedlichen Gestalten leben, gibt es nur einen Weg, zur Vereinigung zu kommen: den Tod. IL, der Gott, ist gnädig zu ihnen.

Der Kuß des schwarzen Gottes: Der Eroberer Guillaume hat die Burg Joiry eingenommen und lässt dem Burgherren, der sich verzweifelt wehrt, seine Rüstung abnehmen. Er ist erstaunt, als er bemerkt, dass er es mit einer attraktiven jungen Frau zu tun hat. Ihre Versuche, sich zu wehren, sind nutzlos, als Guillaume sie mit einem schweren Hieb durch den Raum schleudert. Nachdem Jirel in ihrer eigenen Burg jeden Stein kennt, kann sie aus ihrem Verlies ausbrechen und sucht Rat bei Pater Gervase, ihrem Beichtvater. Sie bittet ihn, ihr die Beichte abzunehmen, denn sie hat einen Plan. Sie geht einen Weg, den sie mit dem Pater schon einmal gegangen ist, tief unter die Burg eine endlos lange Treppe in die Tiefen der Erde hinein. Die Stufen sind verdreht, alles scheint, wie wenn man in einer fremden Dimension wäre, in der es keine rechten Winkel gibt. Und siehe da, Jirel landet in einem unterirdischen Reich, das so groß ist, dass man sich kaum vorstellen kann, dass das eine unterirdische Höhle wäre. Ist sie in einer anderen Dimension gelandet? In einem mächtigen Turm wartet ein Wesen auf sie, das in der Gestalt einer Doppelgängerin von Jirel auftritt, aber unverstellbare Bosheit ausstrahlt. Der Gott rät ihr, ihrem Peiniger das zu schenken, was sie im schwarzen Termpel im See findet. Sie findet den Weg, und im Tempel steht ein Bildnis einer schwarzen halbmenschlichen Götterfigur, den Mund wie zum Kuss gespitzt. Jirel gerät in den Bann des Idols und beührt seine Lippen mit den ihren. Etwas unsagbar Fremdes, Entsetzliches legt sich auf ihre Seele. Sie flieht den Weg zurück, hinauf in die Burg, wo sie bereits erwartet wird. Guillaume wirkt überrascht, als Jirel ihm die Lippen zum Kuss zuneigt, aber Entsetzen und Verzweiflung steigen in ihm hoch, als die fremde Wesenheit in ihn eindringt. Unsägliche Traurigkeit steht in seinen Augen, als er tot zu Boden sinkt, denn Jirel erkennt erst jetzt, dass sie nicht nur Hassgefühle gegen den Eroberer gehabt hatte.

Stelldichein in der Zeit: Als der Abenteurer Eric Rosner das Angebot erhält, als Testpilot mit einer neu entwickelten Apparatur Zeitreisen zu untenehmen, erkennt er, dass dies das größte Abenteuer seines Lebens sein wird, und willigt ein. Er landet in verschiedenen Epochen der Geschichte, denn es sind nur Reisen in die Vergangenheit möglich. Immer wieder begegnet er einer Frau, die in den jeweiligen Zeitabschnitten in einer neuen Inkarnation lebt. Und immer wieder ist sie in gefährlichen Situationen, die ihr das Leben kosten. Vergeblich versucht Eric, sie zu retten, muss aber dann wieder mit der am Rücken umgeschnallten Zeitmaschine in eine andere Periode flüchten. Endlich landet er am Ort seiner Bestimmung, im Dunkel. Die verzerrten Spiegelbilder von ihm und seiner Geliebten suchten einander auf dem Strom der Zeit und konnten einander nie ganz begegnen. Ihr irdisches Leben ist jetzt zu Ende gelebt. Sie können jetzt endlich Raum und Zeit entfliehen und zusammen sein. Sie haben einander gefunden, treten zusammen aus der Dunkelheit und schreiten miteinander vorwärts.

Größer als die Götter: Charles Ashley, der Leiter der Telepathieabteilung des Instituts, diskutiert mit seinem Kollegen Bill Cory über die verzweigenden Pfade der Zukunft und die Möglichkeit, dass sich alternative Zukünfte entwickeln können. Cory arbeitet an einer Methode, bereits vor der Zeugung das Geschlecht künftiger Kinder zu bestimmen, was die Möglichkeit eröffnen würde, nach Belieben den Anteil von Frauen und Männern an der Gesamtbevölkerung zu steuern. Er ist selbst an einem Wendepunkt seines persönlichen Lebens, denn er ist beim Schwanken, ob er Dr. Matha Mayheb us der Chemieabteilung oder die reizende Sally Carlisle heiraten soll. Wenn man ein Fenster in die Zukunft öffnen und die Folgen künftiger Handlungen nachzeichnen könnte, bevor man sie ausführte, könnte man das Schicksal der Menschheit formen. Man wäre größer als die Götter!

Als Bill auf ein Spielzeug schaut, ein in Kristall eingeschlossenes Mädchen auf seinem Schreibtisch, erreicht ihn ein Ruf aus der Zukunft. Seine eigene ferne Nachfahrin, eine Wissenschaftlerin, die aus der Verbindung mit Sally entstammt und tausend Jahre in der Zukunft lebt, ruft ihn über den Abgrund der Zeit. Ihre Wissenschaftlergruppe will eine ständige Verbindung mit der Vergangenheit herstellen. Die Zukunft ist ein Paradies, in dem überall Wohlstand und Frieden herrscht und die Frauen größtenteils die führenden Positionen übernommen haben. Allerdings sinkt die Geburtenrate, die Menschen werden psychisch und physisch träge. Wenn es so weitergeht, stirbt die Menschheit aus.

Da erreicht ein anderer Ruf aus der Zukunft Cory. Es ist ein Jungengesicht, mit Marthas Augen, unter einem Helm aus blauem Stahl. Es ist eine andere Zukunft, die ruft, eine, in der er sich mit Martha zusammengetan hatte. Der junge Mann ist John William Cory IV, aus einer Welt, in der alle Rassen in blindem Gehorsam und unter bereitwilligen Opfern für das Gemeinwohl zusammenarbeiten. Eine Welt, in der das Militär das Sagen hat, eine Welt, die grausame Kriege hiner sich gebracht hat und die jetzt mit ihren Errungenschaften auch nach anderen anderen Planeten greift. Durch die geistige Verbindung kommt es auch zum Kontakt zwischen den beiden Alternativzukünften. Es wird klar, dass nur eine Zukunft Wirklichkeit werden kann, und Bill wird angefleht, die jeweils eine Zukunft zu wählen. Bill ist im Dilemma, denn er würde jeweils einen seiner Nachfahren verlieren. Doch beide Zukunfte sind nicht das erhoffte Paradies. Bill trifft seine Wahl. Er frägt Miss Brown, die Sektetärin, ob sie seine Frau werden möchte, und sie sagt spontan zu. Es wird eine andere Zukunft geben, die zwischen den beiden Extremen liegt.

Die Erzählung ist durchaus beeindruckend. Den Plot hat sie allerdings von der Zeit-Legion (The Legion of Time) unseres alten Freundes Jack Williamson abgekupfert, der die Sache mit den alternativen Zukünften im erwähnten Roman bereits 1938 erstmals im Magazin Astounding Stories vorstellte, wo er als dreiteilige Serie präsentiert wurde. Greater Than Gods erschien ein Jahr später im gleichen Magazin.

Frucht der Erkenntnis: Die Frau sieht sich im Garten um. Ein Cherub bietet ihr an, sie herumzuführen, aber sie findet sich allein zurecht. Sie ist im Garten Eden, und sie ist Lilith, die Königin von Licht und Dunkelheit, die in den Körper einer jüngst geschaffenen Frauengestalt geschlüpft ist. Adam, der erste Mann, kommt auf sie zu. Der Cherub warnt ihn vor Liliths Bosheit, aber Adam hört nicht auf ihn, denn er selbst hat den Körper aus seinem Geist erschaffen. Er zeigt ihr den Garten. Über ihnen ist Schlachtlärm zu hören, denn im Himmel herrscht Krieg. Dann macht Lilith den entscheidenden Fehler, denn ihr Geist verlässt den Körper der Frau, und als sie zurückkehrt, ist er vom Geist einer anderen Frau besetzt: Eva! Gott hat die fleischliche Hülle gesehen und belebt. Adam sucht zuerst Lilith, kann sich aber auch mit Eva anfreunden. Die körperlose Lilith kann Adam nicht mehr erreichen, und in ihrer Wut und Verzweiflung verbündet sie sich von Luzifer, der von Gott aus dem Himmel gestoßen wurde und jetzt die Gestalt einer Schlange angenommen hat. Der Wurm verführt Eva, vom Baum der Erkenntnis zu essen, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Lilith gelingt es nicht, Adam für sich zurückzugewinnen. Aber sie will auf ihre Rache am kommenden Menschengeschlecht nicht verzichten. Sie sagt Eva, ihr erster Sohn soll Kain heißen, er wird unter Adams Söhnen den Mord entfesseln.

Nie wurde eine solche Frau geboren: Sie war das lieblichste Geschöpf, das je auf Erden gewandelt war. So denkt John Harris über Deirdre, die Künstler, die er gemanagt hatte und die vor einem Jahr bei einem Theaterbrand auf schreckliche Weise ihr Leben verloren hatte. So ist Überraschung ein Ausdruck, der nur ganz unzureichend wiedergeben kann, was Harris empfindet, als Maltzer ihm erzählt, was seither passiert ist. Der Mann ist ein Genie, steht aber selbst mittlerweile nahe am Zusammenbruch. Deirdre lebt, Maltzer hat ihr Gehirn in einen phantastisch funktionierenden Roboterkörper verpflanzt! Harris kommt aus dem Staunen nicht heraus, als er die neue Deirdre das erste Mal sieht:

Zuerst erinnerte er sich unzusammenhängend an eine seltsam unmenschliche Gestalt, die er einst flüchtig gesehen hatte. [...] Deirdre war nicht mehr, das hier war nur eine Maschine, die man auf einen geblümten Stuhl gestellt hatte.

Dann bewegte sich die Maschine, ausnehmend schön, fließend, mit einer Anmut, die ihm so vertraut war wie die wiegende Balancehaltung, an die er sich erinnerte. Deirdres süße, heisere Stimme sagte:

„Ich bin es, John, mein Liebling. Ich bin es wirklich, weißt du.“ […]

Sie war immer noch golden. Soviel von ihr hatten sie beibehalten, den ersten Eindruck von Wärme und Farbe, der einst ihrem glänzenden Haar und der Aprikosentönung ihrer Haut eigen gewwsen war. Aber sie waren vernünftig genug gewesen, nicht weiterzugehen. Sie hatten nicht versucht, ein wächsernes Ebenbild der verlorenen Deirdre zu schaffen. […]

Sie hatte kein Gesicht. Sie hatte nur ein glattes, zart modelliertes Ovoid als Kopf mit einer … mit einer Art halbmondförmiger Maske über dem Stirnbereich, wo ihre Augen gewesen wären, hätte sie welche gebraucht. Eine schmale, geschwungene Mondsichel, deren Enden nach oben gebogen waren. Sie war ausgefüllt mit etwas Durchscheinendem wie trübes Kristall, von der Tönung, die Deirdres aquamarinfarbene Augen gehabt haten. Durch diese Maske sah sie also die Welt. Durch diese Maske schaute sie ohne Augen, und dahinter, wie hinter den Augen eines Menschen – war sie.

(Zitiert aus: C. M. Moore: Nie wurde eine solche Frau geboren. In: Der Kuß des schwarzen Gottes. München 1982, Heyne SF 3874, S. 277ff)

Maltzer steht vor dem Zusammenbruch,weil er Deirdre schützen möchte, sie aber unbedingt wieder auftreten will. Sie schafft es tatsächlich, und als sie am Ende ihrer Performance Deirdres Lied vorträgt, erkennt sie das Publikum, das bisher keine Ahnung hatte, und jetzt über den vollkommenen Roboter staunt. Ein unglaublicher Begeisterungssturm bricht aus. Maltzer hält die Situation endgültig nicht mehr aus, weil er befürchtet, dass die Öffentlichkeit nach der anfänglichen Begeisterung Deirdre als Freak verspotten wird und macht einen Selbstmordversuch. Doch der übermenschlich starke und schnelle Körper vereitelt seinen Versuch, sich aus dem Fenster zu stürzen. Deirdre erklärt ihm, als er sich halbwegs erfangen ist, dass seine Befürchtung nicht zutrifft, dass sie ihre Behinderung auf Dauer nicht ertragen kann. Sie fühlt sich nicht als Untermensch, der nicht mehr fühlen, riechen und schmecken kann, sondern als Übermensch, der nach und nach Fähigkeiten entwickelt, die normale Menschen nicht haben. Maltzer hat eine vollkommene Maschine gebaut, die jetzt mit einem Menschenhirn ausgestattet ist. Wohin Deirdres Weg führen wird, das wird erst die Zukunft zeigen.

Die Geschichte ist für mich neben Shambleau die Toperzählung des Bandes. Sie schildert eindringlich die psychischen Schwierigkeiten, die mit dem neuen Körper einhergehen. Im Unterschied zum deutschen Beispiel von K. H. Scheer, der bei seinem seinem Helden Sinclair Marout Kennon in der frühen Atlan-Serie dessen Probleme im Robotkörper schilderte (und bereits Jahre früher in seinem Zweiteiler um Gesko Speed), trifft es aber hier nicht die Patientin selbst, sondern den Schöpfer des neuen Körpers. Interessant ist natürlich auch die implizit vorhandene sexuelle Komponente, die hier wie in vielen anderen Geschichten Moores zu spüren ist, natürlich am stärksten in Shambleau. Explizite Schilderungen gab es in den großteils von Jugendlichen gelesenen Magazinen in den prüden dreißiger Jahren natürlich nicht.

Der Dämon: Luis der Bobo, der Einfältige, liegt im Sterben, und erzählt dem Padre, der ihn aufgelesen hat, seine traurige Geschichte. Luis wurde schanghait und auf ein Schiff verschleppt, wo er Handlangerdienste leisten muss. Kapitän Stryker, ein grausamer, sadistischer Mann, prügelt Luis, weil er so schwer von Begriff ist. Doch Luis hat eine seltsame Eigenschaft; Er kann die Dämonen sehen, die den Menschen auf dem Rücken sitzen und als Parasiten ihr Leben beeinflussen. Der rote Dämon des Kapitäns hat eine besonders böse Ausstrahlung. Das Schiff hat einen Passagier, Shaugnessy, dem Luis Leid tut. Als der Kapitän Luis fast tot prügelt, kommt es zum Streit mit dem Passagier, der auf einer Insel ausgesetzt wird. Auch Luis, der über Bord gegangen war, kann sich dorthin retten. Die beiden verbringen einige Zeit miteinander, und Luis ist fast glücklich. Doch Shaugnessy ist schwer krank, wird immer schwächer und stirbt. Luis ist allein, bis der Kapitän mit dem Schiff zurückkommt, denn Shaugnessys Angehörige haben ihm unangenehme Fragen gestellt, und Stryker möchte die Spuren verwischen. Er erkennt, dass Luis auf der Insel ist und verfolgt ihn. Doch Luis hat Helfer gefunden. Es sind die Dryaden, welche auf der Insel die Nachstellungen der Menschen überlebt haben. Ihr Meister, der Große Pan, beginnt auf der Flöte zu spielen. Der Kapitän wankt unter der furchtbaren Musik, schafft es aber noch, die Waffe auf Luis zu richten und zu schießen. Luis ist schwer verletzt, kann aber die Pistole aufheben und schmettert sie dem Kapitän an den Kopf. Dies ist die Stunde des Dämons. Er fährt tief hinein in seinen Wirt und greift nach seiner Seele, sie in die ewige Verdammnis stoßend. Der Kapitän ist tot, der Dämon verschwindet. Luis hat das Ende seines Weges erreicht und erzählt seine Geschichte dem Padre, auf dessen Schulter auch ein Dämon hockt, der allerdings hell ist und weise und traurige Augen hat.

Traubenlese: Seltsame Gäste haben sich im alten Herrenhaus eingemietet. Es sind drei Ausländer, die die Sprache zwar einerseits mit perfektem Wortschatz, aber andererseits mit fremdartiger Betonung sprechen. Sie wirken, als wären sie steinreich. Oliver hat alle Hände mit seiner Frau Sue zu tun, denn sie möchte sie weghaben, weil sie mögliche Käufer für das Haus an der Angel hat. Die Gäste möchten, dass Oliver während der Zeit auszieht, während sie hier sind, der Hausherr verweigert das aber. Kleph, eine der Gäste, kommt Oliver näher, nachdem sie ihn mit einer seltsamen Substanz betrunken gemacht hat. Er entdeckt eine lange seltsame Narbe an ihrem Arm, sie sagt, es sei ein Impfmal. Als Sansisco draufkommt, dass Kleph sich mit Oliver eingelassen hat, ist er wütend und hält ihr vor, dass sie die Bestimmungen missachtet hat, sich nicht einzumischen. Oliver entdeckt eine Art Kunstwerk bei den Gästen, das er nicht erklären kann, das ähnlich wie ein Drei-D-Film wirkt, ihn aber hypnotisch-psychisch verwirrt.

Es tauchen zwei andere der seltsamen Fremden anf. Es sind jene, die das Haus kaufen wollten. Sie verstecken eine Art Bombe im Haus, eine silberne Schachtel, die subsonische Geräusche ausstrahlt, welche kaum zu ertragen sind. Als sie die Kassette finden und ausschalten, endet der mentale Druck. Die Gäste scheinen auf ein bestimmtes Ereignis zu warten, Oliver ist klar, dass sie ganz FREMDE sein müssen. Eine riesige Explosion erschüttert das Haus, die Stadt brennt. Kleph erklärt Oliver, dass das ein riesiger Meteor war, dessen Auswirkungen sie beobachten wollten. Sie sind Zeitreisende aus der Zukunft. Sie verschwinden, Oliver findet aber einen Mann, der sich als Cembe vorstellt. Er ist der Künstler, der die multimediale Symphonie vollenden will, welche von der Katastrophe inspiriert ist. Oliver bleibt allein zurück. Er möchte der Außenwelt eine Warnung hinterlassen, schafft es aber wegen seines Fiebers nicht mehr. Einige Tage später wird das Haus wegen des Vordringen des Blauen Todes in die Luft gesprengt.

Alle Geschichten dieser Sammlung bis auf zwei wurden geschrieben, bevor Moore Kuttner heiratete, und alle entstammen allein ihrer Feder. Deswegen sind einige außerordentliche und bekannte Storys hier nicht berücksichtigt, weil sie in Kooperation mit Kuttner entstanden sind, beispielsweise die Geschichte mit dem rätselhaften Namen Mimsy were the Borogoves (Deutsch: Gar elump war der Plumperwanck). Nein, Sie brauchen nicht im Englischwörterbuch nachschlagen. Sie werden dort keine Übersetzungen finden, aber die Auflösung gibt es in einigen Wochen, wenn die Anthologien aus der Titan-Reihe innerhalb der Heyne Science Fiction Classics besprochen werden, in denen Geschichten aus der Science Fiction Hall of Fame versammelt sind.

Heyne Science Fiction ClassicsDie Kurzgeschichtensammlung hat im amerikanischen Original den Titel The Best of C. L. Moore. Damit ist die Problematik der deutschen Ausgabe evident, denn es sind nicht nur SF-Geschichten enthalten, sondern auch drei eindeutig als Fantasy zu klassifizierende Erzählungen. Auf der Titelseite im Inneren des Buches ist deswegen richtigerweise auch „klassische Science Fiction- und Fantasy-Erzählungen“ angegeben. Das ist die gleiche Situation wie bei der bereits in dieser Artikelreihe vorgestellten Sammlung des Klassikers H. G. Wells. Dies ist aber das einzige Manko der deutschen Ausgabe, die sich sonst durch den vollständigen Abdruck der Erzählungen des Originals inklusive Vorwort, Nachwort und auch der kompletten bibliografischen Angaben der Erstausgaben der Geschichten positiv von früheren unrühmlichen Ausgaben hervorhebt. In den achtziger Jahren war die Zeit der Kürzungen bei Taschenbuchausgaben glücklicherweise größtenteils Geschichte. Der reißerische Titel Der Kuß des schwarzen Gottes passt allerdings nicht so gut, denn die zugrundeliegende Geschichte ist bei weitem nicht die beste der Sammlung. Möglicherweise wurde deswegen in der Neuausgabe des Buches, die es einige Jahre später in der Heyne Bibliothek der Science Fiction Literatur gab, als neuer Titel für den sonst unveränderten Band Shambleau gewählt, was auch der berühmten Titelgeschichte entspricht. Die Sammlung ist eine von den ab 1974 unter dem Reihentitel The Best of … im Verlag Nelson Doubleday herausgegebenen Autorensammlungen, in denen eine Anzahl von interessanten SF-Autoren der dreißiger bis sechziger Jahre mit ihren besten Kurzgeschichten vorgestellt wurden. Ein großer Teil dieser Titel wurden auf Deutsch in der ab 1980 erschienen Reihe Playboy Science Fiction im Moewig-Verlag publiziert. Darunter sind viele Perlen für Sammler. Auch die Sammlung der Geschichten von C. L. Moore ist eine solche Perle und ein interessanter Beitrag zu den Heyne Science Fiction Classics.

Anmerkung:
Aus Gründen der Authentiziät wurde die Rechtschreibung wie im Original belassen, deswegen auch die Verwendung der alten Schreibweise „Kuß“.
 

Titelliste von Catherine Lucille Moore

Anmerkung:
Es werden die Ausgabe in den Heyne Science Fiction Classics, die Neuausgabe in der Heyne Bibliothek der Science Fiction Literatur sowie die Originalausgabe des Werks angeführt.

1982

3874 Der Kuß des schwarzen Gottes
- Lester Del Rey: Vorwort
- Shamblau (Shambleau, 1933)
- Schwarzer Durst (Black Thirst, 1933)
- Das glänzende Trugbild (The Bright Illusions, 1934)
- Der Kuß des schwarzen Gottes Black God's Kiss, 1934)
- Stelldichein in der Zeit (Tryst in Time, 1936)
- Größer als die Götter (Greater Than Gods, 1939)
- Frucht der Erkenntnis (Fruit of Knowledge, 1940)
- Nie wurde eine solche Frau geboren (No Woman Born, 1944)
- Der Dämon (The Demon, 1946)
- Traubenlese (Vintage Season, 1946)
- Zu „Shambleau“ und den anderen (Nachwort der Autorin)

Neuausgabe unter dem Titel Shambleau, München 1990, Heyne Bibliothek der Science Fiction Literatur 77
Originalausgabe dieser Sammlung 1975 unter dem Titel The Best of C. L. Moore

Anmerkung:
Die Jahreszahlen bei den Originaltiteln der einzelnen Geschichten geben das Jahr ihres jeweiligen erstmaligen Erscheinens an.

 

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Tags: Science Fiction and Fantasy

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