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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Brennende Augen im Dunkel der Nacht (Gaslicht 991)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Brennende Augen im Dunkel der Nacht«
Gaslicht 991 von Margot Bérard 

Uärks! Alles was ich immer von einem Romantic-Mystery-Thriller befürchtet hatte, kriege ich in dieser Präsentation von Margot Bérart alias Margot Kotté alias Margot Buresch, also einer recht tätigen und umtriebigen deutschen Autorin jetzt mit der dicken Farbrolle unter die Nase geschmiert. Klar, sie schmachten sich nicht unerträglich an und rufen sich lauthals „Sissi“ und  „Franz“ zu, aber weit davon entfernt ist es nun auch wieder nicht..

Zur Autorin will ich jetzt keine großen Vermutungen in den Raum stellen oder Recherchen anstellen, hier wird und wurde ja auch für ein Publikum gearbeitet, welches solche kleinen Psychoreißer durchaus zu goutieren weiß. Und wenn ich ganz doll ehrlich zu dem kleinen, sich schmerzhaft windenden Etwas in mir bin, dann erkenne ich diesen Psycho-Thriller-Romantikplot aus dem Abendprogramm der Öffentlich-Rechtlichen und der bereits vor langer Zeit degenerierten großen Privaten.

Mit so einem Schicksals-Dramulett lässt sich unheimlich gut nach der Tagesschau Quote machen, vor allem, wenn sich die Hauptfigur (von einem Charakter will ich mal lieber gar nicht erst sprechen) mal pastorentöchterlich und durchgeknallt nuttig geben darf und mit knappen Sachen durch den löchrigen Plot turnt.

Da treten der Likörchenfraktion ob soviel Revoluzzerstory (oder Räuberpistole) die Schweißperlen aus Kostümchen, Hausanzug und edlem Norwegerrolli, wenn „sauber“ dann plötzlich eine halbe Meile runter zum Hafen plötzlich ganz fürchterbar schmuddelig wird. Wie ein Damenkegelausflug auf die Reeperbahn.

Ich weiß leider nicht, wass Frau Bérart sonst so geschrieben hat und ob sich zu den latenten Mystery-Elementen eventuell auch etwas Übernatürliches gemischt hat, aber nach all den teilweisen und ganz echten Spukgeschichten, ist diese psychologisch angehauchte Story mit zumindest teilweise goutierbaren Neurounterbauten so gut wie gruselfrei und stinkt eher nach Skandalkolportage und dem Mief der früher 70er, der sich dann in bemühter Freizügigkeit Ellenbogenfreiheit verschafft hat.

Hier kommt dann mal die Story…

Brennende Augen im Dunkel der NachtIrische Idylle meets Pantalons ouverts…
Ort der Handlung: irgendwo in der Gegend um Cork, Irland soll es ein Städtchen namens Midleton geben. (Jaja, gibt es wirklich, hab ich geprüft!)

Fixpunkt der Handlung: Aline Parker, ein Seelchen von einer Frau! Aber nur der Gegensätze wegen. Denn es dräut schon Ungemach von Zeile 1 an, weil die Holde schon als zartes Kindelein durch allerlei Kopfschmerzen und scheinbare Gedächtnisverluste geplagt wurde. Einer von Letzteren war besonders interessant, weil sie dabei ihren kleinen Bruder mit stolzen sechs Jahren beinahe im Gartenteich ersäuft hätte. Hinterher standhaftes Leugnen.

Auch danach gibt es noch reichlich Gelegenheit für Persönlichkeitsveränderungen und zeitweises Durchknallen, nicht immer mörderischer Natur, aber offensichtlich von satter Zerstörungswut und latenter Bösartigkeit gesteuert. Das muss auch die treue Mrs. Cowly (die Köchin!) erfahren. Hinterher weiß die Kleine immer von nichts mehr. Das generelle Medizinerurteil lautet „Hysterie“, obwohl auch demenzkranke Leserinnen vermutlich sofort mit einem „multible Persönlichkeitsstörung“ vom Stuhl hochgeschossen wären.

In der Schule kommt sie damit auch nicht so dolle an, weswegen sie eine Top-Schülerin wird, Abitur macht und Kunstgeschichte studiert. Irgendwann werden die Anfälle weniger und weil die Familie das Thema sowieso gern intern und extern tot schweigt, verläuft sich die Problematik irgendwann. Irgendwann trifft Aline dann auf Tom Carlton , einen blauäugigen Schmusebär, für den sie vom Fleck weg jegliche Ambition auf Karriere und Kokolores eintütet und Hasi am Herd wird.

Wenigstens fallen nach der Hochzeit ein paar Freunde ab: Richard Cane und Dorothy Davis sind tolle Kumpels, mögen sich, geben sich verlobt, wollen aber gar nicht miteinander ehelichen, was wohl dem katholischen Irland geschuldet ist. Doch als die Kopfschmerzen und die obszöne zweite Stimme in ihrem Kopf wiederkehren, schweigt Aline sich aus, weil man das ja so tut.

Einen ersten Eindruck bekommt Tom dann einige Wochen später, als seine Süße mal den bölkenden Ratzeputz im Spitzenhemdchen gibt, die notfalls die Einrichtung umstellt und seine Fähigkeiten als Liebhaber in Frage stellt. Als geschockter Gatte fährt man natürlich erstmals zu den lieben verschwiegenen Schwiegereltern, die natürlich sofort in Betroffenheit zerfließen (und ihm endlich mal was von dem Zustand berichten). Das kann Tom-Tom aber nicht stoppen!

Tatsächlich weiß seine Rose am nächsten Morgen nichts mehr von ihrem Ausfall, weswegen er es auch für das Beste hält, daran nicht weiter zu rühren (!!!). Während er seine Frau im Blick behält (aber häufig mal beruflich unterwegs ist), hat Freundin Dorothy im nahen Kaufhaus eine weitere unangenehme Begegnung – eben mit Aline (oder eben einer Frau…naja, ihr wisst schon…), die gerade erst was geklaut hat und dann Unmengen von Geld im Laden verteilt, als hätte sie das nicht nötig.

Ihr Dauerverlobter Richard ist auch ratlos, doch als sie beide im Anschluss in eine ramschige Hafenkneipe mit üblem Leumund einkehren (wegen der hervorragenden Küche), sehen sie Aline draußen vorbei gehen. Erstmals wird von Doppelgängerinnen geredet – doch als sie das Tom beichten, macht der aus Selbstschutz dicht. Guten Freunden gibt man aber doch ein Küsschen, weswegen die beiden Toms Leugnungslüge auch bemerken.

Doch nu wird es noch kurioser, denn die blütenweiße Aline findet in ihrem Kleiderschrank eine enorme Menge recht freizügiger Reizwäsche und würde gern wissen, wieso Tom die gekauft hat (ist aber u.U. bereit, sie notfalls mal auszuprobieren, vielleicht gewöhnt man sich ja daran…). Notgedrungen muss Tom beichten, dass sie das offenbar mittels Aussetzer im Kaufhaus hat mitgehen lassen, was bei Herzchen zum Zusammenklappen führt. Sie murmelt auch erstmals von einer anderen „Person“, die manchmal aus ihr heraus kommt. Sie geht erstmal auf Urlaub im Haus ihrer Eltern.

Leider ist Midleton ein kleiner Ort und wenn da einer an der Ecke einen fahren lässt, dann steht das brühwarm morgen in Zeitung – so auch der Kauf des roten Rennflitzers, der bald familienintern einer Erklärung bedarf, von den anderen Eskapaden mal abgesehen. Alsbald sieht es in ihrem Zimmer aus wie im Club 54 kurz vor Morgengrauen – offenbar sucht ihr zweites Ich vor allem Spass! Das würde auch zahlreiche Beobachtungen der jungen Dame in der schummrigen Hafenstraße erklären, wo sie sich öfters mal einen Seemann leistet.

Der Familienrat tagt nun mit allem gebotenen Ernst und Tom reist schon durch die Weltgeschichte für einen Spezialisten, als eines Tages „Superdetektiv Mortimer Hampton“ vor der Tür steht (jaja, das muss wohl ein Formulierungsfehler gewesen sein). Inzwischen sind die Parkers so weich gekocht, dass sie schon mit dem Scheckbuch bei Fuß stehen – doch der Polizist ist nicht wegen Diebstahl und Unzucht hier – er will einen Mord aufklären.

Offenbar hat jemand einer gewissen Heather Gibson, Inhaberin eines Modesalons (!), mit einer Bronzestatue die Fontanelle veredelt. Dumm nur, dass es eine Zeugin für Alines Anwesenheit gibt, ihre Brieftasche im Laden rumliegt und überall ihre Fingerabdrücke sind – nur eben nicht auf der Tatwaffe, die nicht gesäubert wurde. Hampton ist zwar selbst nicht von der Schuld Alines überzeugt, kriegt aber Drucken von oben. Als er mit den Handschellen wedelt, ringt ihm die Familie einen Aufschub ab, bis ein Psychopathologe (aha…) die Frage nach der Schuldfähigkeit geklärt hat.

Kurz darauf sin Dorothy und Richard mal wieder im „Fisherman’s Flat“, um ein paar grüne Heringe einzuwerfen und beobachten wieder „Aline“, wie sie eine Schlägerei in der Kneipe provoziert: jetzt sind die Freunde wirklich überzeugt, dass Aline eine Doppelgängerin hat.

The Real Aline ist inzwischen auf der Couch von Dr. McGivern angekommen, der das Seelenleben unserer Holden erst einmal so richtig auseinander nimmt. Dabei fällt auch ein obskurer Traum ab, bei dem Aline noch eine Schwester hat und bei der diese Schwester an eine fremde Frau gegeben wird. Die Vorerstdiagnose einer zweiten Persönlichkeit stachelt McGivern aber nur an, noch tiefer zu graben.

Natürlich droht immer noch die Verhaftung, den es gibt ja eine Zeugin, doch eine recht trinkfeste Halbweltdame namens Tilla Hubbard hat den Schlüssel zur Erlösung in ihrer Händen: in ihrem Beinahe-Hotel-cum-Laufhaus wohnt nämlich die besagte und vermutete Mörderin, doch wegen zwei Promille, ihres miesen Rufs und eines Polizisten, der gerade Vati wird, gerät ihre Meldung in einen Sammelkorb und nicht an die Mordkommission.

McGivern geht derweil in die Volln und lockt aus Aline Carlton ihre zweite Persönlichkeit Aline Parker hervor, die sich hauptsächlich amüsieren möchte und die andere Seite ihres Ichs ziemlich brav und öde findet. Wie üblich kann sich Aline an den Wechsel hinterher nicht mehr erinnern.

Hampton findet inzwischen heraus, dass das Mordopfer ziemlich viel Dreck am Stecken hatte und Models bzw. Mädels für „gewisse Aktivitäten“ ausgenutzt hat. Parallel dazu wird dann endlich Tilla Hubbards Aussage wieder aufgefunden und Tom begegnet selbst kurz der Doppelgängerin, während seine Aline bei McGivern ist.

Da, endlich, jetzt, mal, lässt Mutter Parke mal raus, dass es eigentlich eine Zwillingsgeburt war: eines der Kinder sei dann aber noch gestorben. Das stimmt aber nicht, denn die Hafenboje ist tatsächlich Leslie Reed alias Eve Parker. Das Kind von Leslies „Mutter“ war nämlich nach der Geburt gestorben und diese hatte eine der Zwillinge gegen ihr Kind ausgetauscht. Leider war sie Alkoholikerin und eine miese Mutter und deswegen schmeißt sich Leslie auch an fast jeden Mann ran.

Im Suff wurde der Kleinen dann von ihrer tatsächlichen Identität berichtet, was über Jahre hängen blieb, bis Leslie sich auch ihr Stück vom Kuchen holen wolle. Also: Schwester vernichten, Ruf zerstören, ihre Stelle einnehmen. Ein Mord gehört auch dazu, da sich Leslie in einem bombigen Dauerkoksrausch plus Alk befindet, da kann man so einer zwielichtigen Person schon mal letal auf die Omme kloppen.

Diese morbiden Lebensumstände hatten  sich in Aline als Zwilling manifestiert, nachdem schon der Verlust ein Trauma ausgelöst hatte und das seltsame Kaufverhalten und die blumige Sprache verursacht. Da das Opfer nicht unschuldig, die Täterin auf Drogen und sowieso benachteiligt war und alle Parkers echte Sonnenscheins sind, fällt die Strafe natürlich enorm mäßig aus und nach reiflicher Therapie und Alibi-Haft fällt sich die ganze Familie in die Arme. Happy Familienzusammenführung, Irish Style.

Hätten sie mal auf die besoffene, schlampige Wirtin gehört…
Hosianna!

Ein wahrhaftig aufwühlender Plot, bei dem der Schmuddel immer ganz kurz aus der Ecke lugt, ehe der Butler mit der dem turbinenbetriebenen Raumspraykanister sofort alles wieder keimfrei spritzt. Natürlich fällt die Chose mit der Persönlichkeitsspaltung auch Omi zur Mitternacht sofort auf, nur eben nicht der gut situierten Familie aus dem irischen Neubaugebiet und zahlreichen Neurologen. Und wenn sich dann doch mal ein Verdacht regt, dann schiebt man das aus Schutz und Selbstschutz einfach so lange beiseite, bis es einen in den Podex beißt.

Gerade weil die Idee hinter dem „Mysterium“ so offensichtlich ist, muss natürlich noch mehr dahinter stecken und so gibt es also zwei Persönlichkeiten UND eine Zwillingsschwester, die ein schlimmes Schicksal durchleiden musste und nun seit Jahren rachsüchtig schnaubt. Gewieft, wie Böslinge nun mal sind, kann sie diesen hehren Plan locker einfädeln, auch wenn sie sich sonst offenbar ungebremst durch alle Hafenspelunken bumst und angeblich 24-7 auf Koks ist. Wie das durchgeknallte Schwesterlein diesen Konsum übrigens finanziert, bleibt in diesem Zusammenhang eher nebulös bis unwichtig, genauso wie es kontraproduktiv erscheint, einerseits ein gewieftes Doppelspiel aufzuziehen und andererseits praktisch permanent die Möpse aus dem Fenster zu hängen, so dass die Wahrscheinlichkeit einer Decouvrierung des Doppelspiels nur noch eine Frage von Minuten ist.

Unwahrscheinlichkeiten sind aber unser täglich Brot (und das Nutella gleich dazu), wahrhaft ekelerregend ist leider der Schreibstil, der an Blümchendramen der frühen 50er Jahre erinnert. Unsägliche Saccharindialoge werden aufeinander getürmt, wie sie kein Poesiealbum der Welt erbrechen könnte und ich biete einfach mal ein Beispiel an, bei dem der besorgte Ehemann seinem tief verstörten Eheweib seine umfängliche Unterstützung in der Psychokrise versichert:

„Aline, meine kleine, angebetete Aline. Ich werde dich beschützen. Niemand soll dir weh tun. Da ist etwas Dunkles in dir, was wir bekämpfen müssen. Und wir werden siegen – glaube mir. Vertraue mir!“

Ein Schelm, wer da nicht an Sissi denkt, die gerade von der Schlange Kaa umwickelt und hypnotisiert wird.

Tonfall, Wortwahl und Dialoge sind entweder banal oder brechreizerregend kitschig, dabei erzählt die Autorin ihren Plot doch ziemlich sorgfältig zuende, teilt aber Licht und Schatten einer modernen Gesellschaft (ja, das spielt im 20.Jahrhundert!) ganz klar auf. Wer säuft, kokst oder Nutten am Laufen hat, der wird mit rotzigem Tonfall bedacht, aus gutem Hause kommend scheint alles blütenweiß und rosa, wenns düster wird, dann eben leicht violett. Und wenn man soziale Schwächen (Mord und so…) zeigt, aber aus gutem Hause stammt, dann steht der ganze Familienclan mit bunten Luftballons bei Entlassung vor dem Knast-Tor.

Die Figuren sind keinen Deut besser, das liebende Paar ist ergeben ein Paar feuchte Handtücher und die ach so engagierten Freunde mit der rasend alternativen Lebenseinstellung (vorgeben, verlobt zu sein, um ungestört in wilder Ehe leben zu können) werden in ein paar Inserts als Zeugen verpulvert, ohne im zweiten Teil des Romans noch von Wirkung oder Bedeutung zu sein. Die Eltern sind noch schwächer gezeichnet und was sonst noch im Roman rumfleucht, sind entweder halbnaive Hausangestellte Marke „Downton Abbey“ oder schmieriges Halbweltgesindel, gekrönt von einem gefeierten Studierten, dem Kopfdoktor.

Was diese Drei-Taschentücher-Story jetzt mit „Brennende Augen im Dunkel der Nacht“ zu tun haben – ich habe wirklich absolut keine Ahnung, denn hier brennen niemandem die Augen (außer vom Lesen) und das alles spielt permanent im hellen Tageslicht einer idealisierten Realität.

De facto: das hier ist nicht schräg, das ist kitschiger Murks, hätte aber, mit einem realistischeren Anspruch, besseren Dialogen und dem Talent des Verfassers zur rudimentären Spannungserzeugung ( der Käse hier ist sowas von offensichtlich) besser ausfallen können. So ist es einfach nur…ein Ausfall!

Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2017-08-22 09:08
Erm - die Autorenangabe im Titel bedarf der Korrektur.

Harantor sagt: Nicht mehr

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