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Nackedeis und hübsche Blumen - »Nackt im Sommerwind«

Nackt im SommerwindNackedeis und hübsche Blumen
»Nackt im Sommerwind«

Auf dem Zenit des Interesses an der Freikörperkultur (FKK), im Jahr 1964, kurz vor der internationalen sexuellen Revolution, inszenierte die US-Amerikanerin Doris Wishman (1912-2002) den Film „Nackt im Sommerwind“, den heutzutage kaum mehr jemand kennen dürfte. Um das filmische Kuriosum gänzlich vor dem Vergessen zu bewahren, hat der „Geheimnisvolle Filmclub Buio Omega“ dem Werk eine astreine BluRay-Veröffentlichung spendiert.

Nackt im Sommerwind1964 ermittelte bereits der cholerische Gendarm Ludovic Cruchot alias Louis de Funès in „Der Gendarm von St. Tropez“ in einem Nudistencamp, und auch Peter Sellers verschlug es im selben Jahr in seinem zweiten Einsatz als Inspecteur Clouseau in „Ein Schuss im Dunkeln“ in eine FKK-Kolonie, wo er es mit den Reizen der blutjungen Elke Sommer zu tun bekam. Nudismus war also bereits im Mainstreamkino angelangt, als Doris Wishman 1964 mit „The Prince and the Nature Girl“ ihren letzten Nackedeifilm drehte, der unter dem Titel „Nackt im Sommerwind“ 1968 dann auch hierzulande in die Kinos kam. Zu einer Zeit, als die Verbreitung von Pornografie noch unter Strafe stand, waren den visuellen Eskapaden der umtriebigen Filmemacherin allerdings noch gehörige Grenzen gesetzt.

Wenn man denn im Film eine Handlung rekapitulieren möchte, dann dreht sich diese um den gut aussehenden Abteilungsleiter Frank A. Prince (Jeffery Niles), in dessen Büro am selben Tag auch die beiden Zwillinge Eve und Sue Pearson (jeweils Joni Roberts) zu arbeiten beginnen. Sue ist vom ersten Moment an in ihren Chef verliebt. Der macht allerdings eher ihrer blonden Schwester Eve schöne Augen und trifft diese sogar zufällig am Wochenende, weil beide in demselben FKK-Club die Sonne genießen wollen. Als Eve die Stadt verlassen muss, sieht Sue ihre Chance gekommen.

Nackt im SommerwindMit blonder Perücke verwandelt sie sich im Nu in ein Ebenbild ihrer Schwester und kann nun ihrerseits privat mit dem Chef anbändeln. Das alles wird immer wieder mit Einstellungen aus dem Nudistencamp untermalt, wobei die Regisseurin penibel darauf geachtet hat, dass man keinerlei Einblicke in die Schamregionen der Protagonisten geboten bekommt. Übereinander geschlagene Beine, geschickt platzierte Magazine oder Blumensträuße sorgen dafür, dass blanke Busen und nackte Hintern so ziemlich die einzigen nackten Tatsachen bleiben, die man hier zu sehen bekommt. Hauptdarsteller Niles ist übrigens selbst im FKK-Camp niemals nackt unterwegs und trägt stets zumindest eine Boxershort-ähnliche Hose!

Für die einen dürfte es wohl nichts Langweiligeres geben, als sich eine knappe Stunde dieses Nichts an Handlung mit verschämt kaschierten Nacktheiten anzusehen. Andere hingegen dürften den naiven Charme dieses Filmkuriosums zu würdigen wissen, das seine Dürftigkeit immer wieder mit Standfotos, Einstellungen auf die spartanische Inneneinrichtung der Räume oder Ansichten von Blüten und einer Entenschar zu überspielen versucht. Das Ganze ist mit einem beschwingten Soundtrack und einer sonoren Erzählstimme unterlegt, die gleichfalls über die Tatsache hinwegtäuschen sollen, dass es im Film keinerlei Originalton gibt und man sich auch keine Mühe gegeben hat, ihm nachträglich noch Geräusche hinzuzufügen. So bleiben die Erzähltexte, vier synchronisierte Darsteller und die Easy-Listening-Musik, um die Zuschauer akustisch bei Laune zu halten. Wie heißt es im Film einmal so schön: „Wenn das Herz voll ist, ist das Gehirn leer“. Wie wahr.

Nackt im SommerwindIm Label „Forgotten Film Entertainment“ hat man „Nackt im Sommerwind“ die bis dato weltweit beste (HD)-Heimkinoveröffentlichung gegönnt. Der Hauptfilm liegt in einem gestochen scharfen und dezent restaurierten Bild (im Format 1,37:1) vor. Auch der Ton (Deutsch und Englisch in DTS HD Master Audio 1.0, optional mit deutschen Untertiteln, die Musik gibt es auch als isolierten Track) gibt das historische Material angemessen und allzeit gut verständlich wieder. Die üppigen Extras umfassen einen Audiokommentar, den das Komitee des „Geheimnisvollen Filmclubs Buio Omega“, bestehend aus Heinz Klett, Ingojira und Jo Steinbeck gemeinsam eingesprochen hat, ein Intro des Filmclubs (2 Minuten), den deutschen Vorfilm des damaligen Kinoeinsatzes, „Mädchen in der Sauna“ (28 Minuten), den deutschen Werberatschlag, den deutschen Kinoaushang, US-Werbematerial und Werbematerial zum Vorfilm (jeweils animiert), sowie die Features „Better than Sex! Oder Wie man einen Doris Wishman Film macht“ (97 Minuten), „Doris in Gelsenkirchen (aus dem Jahr 2001)“ (27 Minuten), „Besuch bei einer Königin (in Miami im Jahr 2000)“ (19 Minuten) und „Wie ich den Sommerwind fing“ (20 Minuten). Hinzu kommen die Kurzfilme „Webers Geheimnis“ (3 Minuten) und „Webers Bescherung“ (4 Minuten) sowie eine zeitgenössische Kritik zum Hauptfilm, vorgelesen von Jeffery Niles‘ deutscher Synchronstimme Christian Brückner (5 Minuten). Abgerundet wird die in einem edlen Schuber daherkommende BluRay-Veröffentlichung mit einem 32seitigen Booklet, das u.a. Texte von Michael Bowen und Christian Keßler enthält.

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