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Fast zu schön, um wahr zu sein - Poldark (2015) zum Dritten

PoldarkFast zu schön, um wahr zu sein
Poldark (2015) zum Dritten

Ross wird zu Beginn von Band 1 wie folgt beschrieben:

The young man was tall and thin and big-boned, with a scar on his cheek. He wore a double-breasted riding coat cut away short in front to show the waistcoat and the stout breeches, both of a lighter brown. His hair, which had a hint of copper in its darkness, was brushed back unpretentiously and tied at the back with brown ribbon. (...)


(...) blue-grey eyes half lidded, and the scar showing white on the brown cheek, his whole face had a strange disquiet.

PoldarkOk, das sagt nicht viel über sein Aussehen aus, er wird auch nicht viel intensiver beschrieben, hin und wieder taucht sein markantes Kinn auf, die "Schlafzimmeraugen", die gerade den Damen besonders zusagen. Die dunklen Haare mit einem Anflug von Kupfer.

Aber ehrlich - Aidan Turner ist mir ist ein bisschen "zu schön". Ich habe grundsätzlich nichts gegen wirklich schöne Männer auf dem Schirm/im Kino, aber ich finde ihn einfach ein wenig *zu* gefällig für das Auge. Er wird durchaus als gut aussehender Mann beschrieben, mit einem starken Kinn, die dunklen Haare, die offenbar meistens nach oben stehen, wenn er sie nicht nach hinten zum Pferdeschwanz bindet, sind in der Serie gut getroffen.

Was mich sehr stört, ist die Narbe. Nicht die Tatsache, dass sie vorhanden ist, denn sie ist ja ein sehr prägnantes Element in der Person Ross, die auch immer wieder erwähnt wird, zum Beispiel:

By growing longer side pieces he had partly hidden his scar, but one end of it still showed as a paler brown line across his cheek.

PoldarkSie fällt auf, nicht nur einmal, sondern immer wieder. Er macht sich Gedanken, ob Frauen sich erschrecken, wenn sie ihn sehen, in einem Gespräch während eines gesellschaftlichen Events sagt einer der Männer zu ihm "That scar is a considerable disfigurement', und auch wenn Ross in dieser Situation recht gelassen reagiert.

Teilweise wird sie als dunkler aus seinem eher bleichen Gesicht hervortretend beschrieben, ein anderes Mal sticht sie heller hervor.

PoldarkDie "Narbe", die Aidan Turner im Gesicht trägt, ist meiner Ansicht nach zu wenig prägnant. Eine solche Verletzung zu überleben, in einer Situation wie dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, ist ein Wunder, Poldark denkt selten an seine Erlebnisse dort – zumindest werden sie nur recht dürr beschrieben. Ich habe während des Schreibens der Artikel immer wieder darüber nachgedacht, ob ich der Narbe nicht eine zu große Bedeutung beimesse.

In welchem Maß sie für Graham von größerer Bedeutung war, weiß ich nicht. Er überlässt es dem Leser selbst zu großen Teilen, ein eigenes Bild von dem Helden des Romans zu entwerfen.

Als die BBC in einem Twitter-Beitrag ein großes Bild von Aidan Turner postet, in dem er mit nacktem Oberkörper und einer sehr niedrig auf den Hüften sitzenden Hose abgebildet ist, war (selbst) der Schauspieler selbst nicht wirklich begeistert davon.

Apparently it was common law at the time that when you were scything you had to take your top off. So I did. I don't know why the BBC are releasing photos of it. It's a bit strange. It's not a stripper show.

Ich finde es sehr positiv, dass Aidan Turner hier Position bezieht und zum Ausdruck bringt, dass er nicht als „reines Sexobjekt“ verstanden werden will. Allerdings … wie gesagt, er ist halt einfach sehr schön, und wenn man die Aufnahme sieht – die tatsächlich nur sehr kurz ist und nicht „ausgewalzt“ wird – frage ich mich schon, warum er sich darüber wundert. Natürlich wird mit seinem Sex-Appeal gespielt, und sein Aussehen, seine anziehende Wirkung auf Frauen, sind zweifellos einer der Gründe, warum er für diese Rolle ausgewählt wurde.

Wirklich schwierig wird es in der Darstellung von Demelza, die zu Beginn der Serie keineswegs eine Frau ist.

Aus der Ahnentafel der Poldarks, die auf dieser Poldark-Fanseite abegerufen werden kann, und die auf Angaben aus Grahams Roman "The Black Moon" beruht, geht hervor, dass Ross 1760 geboren wurde.

Das bedeutet, zu Beginn der Serie (1783) ist Ross 23 Jahre alt. Insofern passt Aidan Turner viel besser auf die Person von Ross als Robert Ellis, der deutlich älter als gerade mal 23 wirkt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Demelza zehn Jahre jünger als Ross ist (geboren 1770), und zu Beginn der Serie, als sie in die Dienste von Ross tritt, gerade mal 13 Jahre alt ist *upps*.

Das sorgt für die Serienmacher für ein ziemliches Problem, wenn man sich eng an die Vorlage halten will. Die Ehe von Demelza und Ross wird nämlich erst deutlich nach seiner Rückkehr und ihrer Aufnahme in Nampara geschlossen.

Ross and Demelza were married on the twenty-fourth of June, 1787. The Rev Mr Odgers performed the ceremony, which took place very quietly in the presence only of necessary number of witnesses. The register shows that the bride gave her age as eighteen, which was anticipation of fact by three-quarters of a year. Ross was twenty-seven.

Sie heiraten in "Book 3" des ersten Bandes, im Juni 1787. Zu dem Zeitpunkt ist Demelza seit fünf Jahren auf Nampara. Sie wird in der Zeit nicht nur zu einer jungen Frau, sie lernt viel, wird "erzogen", etwas, das auch während der ersten Jahre der Ehe der beiden weitergehen wird. Demelza wächst in die Rolle einer Herrin auf Nampara hinein. Sie schummelt etwas bei der Heirat, sie ist noch keine 18 Jahre alt, als sie heiraten, aber es macht die Sache etwas einfacher, denn sie ist ganz offensichtlich zu dem Zeitpunkt nach englischem Recht noch nicht volljährig. Ohne Zustimmung eines Erziehungsberechtigten darf sie nicht heiraten, als jedoch trotz einer "offiziellen" Einladung und Information über die geplante Heirat weder Demelzas Vater noch einer der Brüder auftauchen, kann von einer Art stillschweigenden Zustimmung ausgegangen werden. Außerdem: Was sollte ihr Vater ernsthaft gegen die Heirat haben? Eine Scullery Maid, Tochter eines einfachen Minenarbeiters, die ein Mitglied der Gentry heiratet?!

Diese Jahre zwischen Demelzas Aufnahme auf Nampara und der ersten gemeinsamen Nacht sowie der späteren Heirat müssen irgendwie übersprungen werden. Zu Beginn eine Jugendliche als Schauspielerin zu nehmen und diese dann im Laufe der Zeit durch die "eigentliche Demelza", Eleanor Tomlinson, zu ersetzen, wäre näher am Buch gewesen, hätte jedoch mindestens zwei oder mehr (?) Folgen umfassen müssen.

In der Serie hat man dies unter anderem durch die Kleidung versucht darzustellen, die Demelza trägt.

As the series progressed, we started introducing corsets to create a more feminine and mature shape. I was adamant that all Demelza's outfits were practical and that she never becomes as ladylike as Elizabeth. There still has to be that class divide.

Sie trägt zu Beginn deutlich weiter geschnittene Kleidung, wie sie eben auch die literarische Demelza von ihren Brüdern erhalten haben kann. Im Verlauf der Serie wechselt man dann - mit der Entwicklung von Demelza zur Frau - die Kleidung. Sie beginnt Korsetts zu tragen, die Kleider werden femininer und bunter.

Eigentlich ist Eleanor Tomlinson ja nicht rothaarig, aber die Farbe passt zu ihrem Stil hervorragend. Sie sagt selbst, dass sie voraussichtlich bei der Farbe Rot bleiben wird und sagt über Demelza - was ich eine sehr schöne Beschreibung der jungen Frau finde:

When reading the Poldark scripts I was creating this feisty, sexy heroin in my head and I felt that red would be kind of fabulous. She's untameable and in a sea of mainly brunettes, it was nice to have something that immediately packs a punch.

Die nicht so deutlich dargestellte "Alterung" von Demelza ist in meinen Augen kein "echtes" Problem und behindert die Wirkung nicht, die Eleanor Tomlinson als Demelza hat. Was mich eher irritiert ist, dass der Demelza von 2015 ein bisschen der "Pfeffer" fehlt. Ich erlebe sie in den Büchern als spritziger, temperamentvoller, ein wenig frecher. Was hier deutlicher zum Tragen kommt ist die nachdenkliche Seite von Demelza, die widerum bei der Serie von 1970 zu wenig zum Tragen kommt.

Eleanor Tomlinson ist von einer spannenden Ausstrahlung, irgendwas zwischen einer Fairy und einer Merida. Beides ist sehr glaubwürdig, und diese Mischung zwischen der ätherischen Schönheit mit Schwanenhals und der Kämpferin ist ansprechend.

Natürlich sind die beiden die zentralen Figuren in der Serie und rücken so auch ständig in die Mitte der Wahrnehmung. Gerade in so Serien finde ich aber gerade auch die Nebencharaktere mindestens genauso spannend.

Obwohl ... Elizabeth kann man kaum einen Nebencharakter nennen. Sie ist die Motivation für Ross nach Hause zu kommen, sie ist seine große Jugendliebe, und ich finde es eine zentrale Frage in der Serie und den Büchern, wie sich die Beziehung zwischen Ross und Elizabeth entwickelt.

Ist Elizabeth jetzt eifersüchtig auf Demelza und darauf, dass sie Ross „bekommen“ hat? Ist sie Demelza in der Form zugewandt, wie dies in der Serie dargestellt wird, wenn sie Demelza pflegt? Wie bei einigen anderen Charakteren gelingt es Heida Reed nicht so ganz, mich zu überzeugen. Sie ist kühl, bemüht sich um Reserviertheit, ist den Regeln ihrer Gesellschaft unterworfen und wagt es nicht, sich ihnen zu widersetzen. Es wäre möglich gewesen, ihr Übereinkommen mit Francis zu brechen und Ross zu heiraten, auch wenn dies nicht unerhebliche Probleme für die finanziell klamme Familie Chenoweth bedeutet hätte … und wenn man sie sehr wahrscheinlich in der Gesellschaft zunächst hinter vorgehaltener Hand unmöglich gemacht hätte.

Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie weiß, eigentlich passt sie nicht an die Seite von Ross, dem Gerechtigkeit wichtiger ist als Konventionen, der sich nicht zu schade ist, selbst die Sense in die Hand zu nehmen, sich selbst die Hände schmutzig zu machen, sei es auf dem Acker, in der Mine oder am Strand, wenn er mit den Dorfbewohnern die Fische „erntet“. Vielleicht wird das in der Folgestaffel anders, und Elizabeth bekommt ein noch schärferes Format, mal sehen. Denn Elizabeth verschwindet ja nicht aus dem Leben von Ross, und diese „eigenartige“ Form von emotionaler Bindung, die zwischen den beiden über lange Jahre besteht, hat eine wichtige Aufgabe in der Geschichte. Sei es der mehr oder wenige erzwungene Geschlechtsverkehr zwischen Ross und Elizabeth, die immer wieder aufbrechende Sehnsucht/Leidenschaft, die im Buch für Verwirrung sorgt, wie sie in der Serie ausgearbeitet wird, wird eine spannende Frage sein.

Denn gerade dieser Veränderungseffekt, den die Beziehung zwischen den beiden hat, wird in der Serie nicht so einfach darzustellen sein – denn die Serie betont, anders als die Bücher, die tiefe Liebe zwischen Demelza und Ross. Dies bedeutet nicht, dass Ross für Demelza keine Liebe empfindet, dass es lediglich eine Ehe ist, die auf schlechtem Gewissen, Denkzettel für die bessere Gesellschaft und Bedarf an Erben beruht. Die Liebe besteht, aber sie besteht nicht in der Ausschließlichkeit, die in der ersten Staffel der Serie zum Ausdruck kommt. Auch wenn Ross klar ist, dass Demelza die „Richtigere“ für ihn ist, dass sie – anders als Elizabeth nach Nampara passt – bleibt diese Verbindung.

Wirklich gut gefallen mir Ruby Bentail als Verity Poldark, der es gut gelingt, das Mauerblümchen darzustellen. Sie ist, ähnlich wie Elizabeth, in ihrer Rolle gefangen, sie ist die unverheiratete Tochter/Schwester/Schwägerin, die durchgeschleift wird, im Haus manchmal wie ein besserer Dienstbote fungiert, und bei der Führung des Haushalts helfen muss.

Gerade die älteren Rollen in der Serie, allen voran Tante Agatha, gespielt von Caroline Blakiston. Ähnlich wie Dame Maggie Smith in Downton Abbey hat sie eine wirklich dankbar Rolle – sie darf einfach alles: böse sein, fluchen, intrigieren, im Hintergrund herumwerkeln, leider nicht ganz so intensiv wie Dame Maggie Smith, die allem Anschein nach immer enorm viel Spaß mit ihrer Rolle hatte.

Warren Clarke als Charles Poldark muss leider viel zu früh sterben, das gehört nunmal leider zur Geschichte, aber er hat einfach eine wichtige Rolle, und ich sehe ihn einfach gerne.

Achje … es gibt so vieles zu den Büchern und der Serie, was man noch schreiben könnte *hüstel*.

Sei es die Darstellung Cornwalls, die einfach bombastische Landschaftsaufnahmen bietet, die industrielle, soziale und gesellschaftliche Geschichte, die Cornwall bis heute prägt, die in der Serie – anders als in den Büchern – viel zu kurz kommt, und nur angerissen wird. Mich langweilt der Hauptaspekt auf der Beziehung zwischen Demelza und Ross im Lauf der Folgen, und das nicht (!) weil diese Geschichte langweilig ist, sondern weil die anderen Aspekte zu sehr in den Hintergrund treten und nur angerissen werden. Diese treten dann zu Tage, wenn Ross versucht den Mord an den Schiffbrüchigen zu verhindern, wenn er sich für die Minenarbeiter einsetzt, oder den Dorfbewohnern hilft, den Fang einzubringen, Seite an Seite mit Demelza. Aber Graham war in seinen Romanen, die einfach auch in einer „sozial bewegten Zeit“ entstanden, wesentlich deutlicher.

Die Familie von Joshua Poldark hatte immer eine "besondere" Beziehung zu ihren Tenants. Natürlich ist klar, sie sind nicht die Owners, sie haben keine "echten" Rechte über das Land, aber ...

The Poldarks had always been on good terms with their tenants. Distinction of class was not absent; it was understood so clearly that nobody needed to emphasize it; but, in districts where life centred round the nearest mine, polite convention was not allowed to stand in the way of common sense.

Graham beschreibt mit Liebe zum Detail und einer nicht zu blumigen, nicht übertrieben emotionalen Sprache die Szenerie, wie Ross in diese kleine Ansammlung von sechs Cottages kommt.

Es ist ein Beispiel für den ganzen Text des Romans, sehr schön ist auch die Szene, als Verity versucht Ross zu erklären, wie es dazu kommen konnte, dass Elizabeth, Ross große Jugendliebe und die Frau, zu der er zurückkehren wollte, plötzlich mit seinem Cousin verlobt ist. Kein Wunder, dass das Buch nicht nur Romantiker bezaubert hat, sondern auch Menschen, denen es um eine Schilderung des Lebens in der "Enklave" Cornwall in der Zeit zwischen 1783–87 geht.

Die Serie als Ganzes zu beurteilen fällt mir schwer, zu unterschiedlich sind die verschiedenen Aspekte, und was ich an Ausstattung, Kostümen etc sehr gelungen finde, gefällt mir in der Gewichtung der Anteile in den Charakteren weniger. Wo ich Aidan Turner als Schauspieler gut finde, ist er mir für Ross Poldark eben „zu“ schön.

Ich bin gespannt auf Staffel zwei und darauf, wie sich die Geschichte weiter entwickelt, und ich werde mit ziemlicher Sicherheit in den Büchern von Winston Graham schmökern, sie sind es wert.

PoldarkPoldark - Staffel 1
(Poldark, Season 1)
mit Aidan Turner, Eleanor Tomlinson, Heida Reed
Regie: Edward Bazalgette, William McGregor
Buch:  Debbie Horsfield, William McGregor
Musik: Anne Dudley
Format: Dolby, Limited Edition, PAL
Sprache: Deutsch (Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0)
Bildseitenformat: 16:9 - 1.77:1
Anzahl Disks: 3
Limited Edition im Digipak [3 DVDs]
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Erscheinungstermin: 7. April 2017
Spieldauer: 602 Minuten
DVD       3-Discs Version                EUR 26,99
Studio: Edel Germany GmbH
GB 2015

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