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Vogelschisse und Stauferherrlichkeit: Heinrich VI. - »Eh ich sie ließ, stieg eher ich vom Thron«: Als der Kaiser noch König war

Vogelschisse und Stauferherrlichkeit: Heinrich VI.Vogelschisse und Stauferherrlichkeit: Heinrich VI.
»Eh ich sie ließ, stieg eher ich vom Thron«: Als der Kaiser noch König war

Wir befinden uns im Hochmittelalter, oder präziser, in den letzten beiden Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts. Die Landkarte Europas hatte in dieser Epoche noch wenig Ähnlichkeit mit den heutigen Verhältnissen.

Das Königreich Deutschland war fester Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches, eines heterogenen Staatsgebildes.

Heinrich erblickte Ende Oktober oder Anfang November 1165 in der Pfalz Nimwegen das Licht der Welt, als zweites Kind von Friedrich I. Barbarossa („Rotbart“) und Beatrix von Burgund. Auch Vlad III. „Tepeş“ Dracul(e)a soll im Monat November auf die Welt gekom-men sein (wenn auch erst anno 1431), und wenn man den einschlägigen Berichten Glauben schenken darf, soll das nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden historischen Persönlichkeiten gewesen sein .

Nachdem Rotbarts Erstgeborener den staufischen Traditionsnamen „Friedrich“ erhalten hat-te, wurde der Zweitgeborene nach den salischen Kaisern benannt, in deren Erb- und Rechts-nachfolge sich die Staufer sahen. Der Erstgeborene überlebte nicht lange, und so war es der gerade mal dreieinhalbjährige Heinrich, der im Sommer 1169 in Bamberg von den Fürsten zum deutschen König gewählt, und in Aachen gesalbt und gekrönt worden ist.

Und von da an war der Thronfolger quasi ein „Kaiserlehrling“ an der Seite seines Vaters, und wurde auf den Tag seiner Amtsübernahme vorbereitet. Er bekam mit, wie Barbarossa die Unabhängigkeit seines Amtes von der Kirche zu behaupten suchte, wie er von dem Welfen Heinrich, dem Löwen, im Stich gelassen wurde und 1177 gegen die mit dem Papst verbünde-ten oberitalienischen Städte verlor, wie er sich danach auf die Diplomatie verlegte, um zu retten, was zu retten war, und wie er aus dem Löwen ein Kätzchen machte. Jericke schreibt: „Selten war ein Nachfolger besser auf seine künftigen Herrscheraufgaben vorbereitet worden als Heinrich VI. durch seinen Vater.“

Wo Barbarossa bis hin zu seinen Schenkeln beschrieben worden ist, sind die Quellen in Be-zug auf Heinrichs Aussehen und Wesen auffallend schweigsam. Er soll eher zart, schmächtig und hager von Gestalt gewesen sein. Unter seinen Getreuen galt er als gesellig und freigiebig, aber auch als nachdenklich, grüblerisch und hochintelligent. Seine Feinde dagegen sagten ihm Grausamkeit, Überheblichkeit und fehlendes Mitleid gegenüber Verrätern nach. Jericke schließt von den Taten des Staufers auf einen Charakter mit „einem starken Selbstbewußt-sein“, „Scharfsinn“, „einer betont legalistischen Rechtsauffassung“, „einem klar umrissenen Herrschaftsverständnis und der festen Überzeugung von einer christlichen Kaiseridee, welche die augustinische Zwei- Reiche- Lehre zur Grundlage hatte, wonach Kaisertum und Papsttum die personifizierten Stützen des abendländischen Christentums waren“. Seine Herrschaft wäre gekennzeichnet von einer „Mischung aus Zielstrebigkeit, Taktik, Beharrlichkeit, politischem Kalkül und bisweilen auch durch glückliche Umstände“. „Die Handhabung seiner Politik“ trüge „somit ausgesprochen modern anmutende Züge“.
Zu seinen Erziehern gehörte der hochgebildete Gottfried von Viterbo, so daß er wohl Latein, aber auch lesen und schreiben konnte (was man von seinem Vater nicht behaupten konnte). Auch gehörten Minnesänger wie Friedrich von Hausen und Bligger von Steinach zu seinem Bekanntenkreis, und aller Wahrscheinlichkeit nach ist er selbst jener „König Heinrich“, der ein paar Liebeslieder zum Schatz der Minnesänger beigetragen hat. Auch soll er der Jagd, dem Vogelfang und geistreichen Gesprächen zugetan gewesen sein. Die Vorliebe für Gaukler, Spielleute und einen Hofnarren, die später zu seiner Entourage gehörten, mag auch schon in Jugendjahren erworben worden sein.

Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr taucht der Prinz nur ab und an mal in einer Urkunde seines Vaters auf, gelegentlich als Zeuge. Während des fünften Italienzuges zwischen 1174 und 1178 war er auch vor Ort. Im Februar 1182 dann vermittelte er als gerade mal Dreizehn-jähriger in einem Konflikt zwischen „seiner allerchristlichsten Majestät“ (dem König von Frankreich) und dessen Vasallen, dem Grafen Philipp von Flandern . Jericke mutmaßt, daß der junge Staufer außerdem bereits eingebunden gewesen ist in die Friedensverhandlungen mit den oberitalienischen Städten anno 1183.

Pfingstmontag 1184 auf dem legendären Hoffest von Mainz erfolgte die Schwertleite für Heinrich und seinen jüngeren Bruder Friedrich, mit der sie in die Ritterschaft aufgenommen worden (Die selbst für heutige Verhältnisse epische Veranstaltung endete freilich am Folgetag mit einem Gewittersturm, der als Gottes Zorn ob soviel weltlichen Prunks gedeutet wurde).

Von da an bekam der Thronfolger zunehmend mehr herrschaftliche Aufgaben übertragen, wenn auch in stetem Kontakt mit seinem Vater. Im Frühsommer 1184 schon leitete er seine erste militärische Kampagne, als die Ostgrenze des Reiches von dem polnischen Großherzog Kasimir bedroht wurde. Dabei hätte der 26. Juli des Jahres beinahe zu seinem frühen Ende lange vor dem offiziellen Regierungsantritt geführt, und das auch noch mit einem höchst un-rühmlichen, um nicht zu sagen anrüchigen Tod. Auf dem Kriegszug nach Osten machte er in Erfurt Station, und hielt in der Domprobstei des dortigen Marienstifts einen kurzen Hoftag ab. In Folge der Absetzung Heinrichs des Löwen war es zu einem Streit zwischen dem Erzbi-schof von Mainz und dem Landgrafen von Thüringen gekommen, den es zu schlichten galt. So fand sich eine große Anzahl gewichtiger Persönlichkeiten im zweiten Stock des Gebäudes ein – zu gewichtig für den morschen Holzfußboden! Er brach unter der Last ein, und der des ersten Geschosses dann auch. Darunter aber befand sich die Fäkaliengrube, und an die sechzig Menschen stürzten hinein: Wer nicht schon durch den Fall ums Leben kam, erstickte oder ertrank in den menschlichen Ausscheidungen. Unter den Opfern waren so hochgestellte Wür-denträger wie die Grafen bzw. Burggrafen von Abenberg, Kirchberg, Meldingen, Schwarz-burg, Wartburg und Ziegenhain. Heinrich aber hatte es sich – wie es noch heute die Art man-cher Schulkinder ist – in einer gemauerten Fensternische bequem gemacht, und war so durch puren Zufall der Katastrophe entgangen. Dafür hatte er quasi einem „Fensterplatz“ beim Aus-blick auf die Misere, zwei Stockwerke unterhalb seiner baumelnden Füße. Freilich war er nun auch auf seinem Sims gefangen, und kam von dort aus eigener Kraft nicht mehr weg. Man mußte ihn mit Hilfe von Leitern aus seiner mißlichen Lage befreien, und er verspürte im An-schluß keine Motivation, noch weiter in Erfurt zu verweilen. Es sollte nicht das letzte Mal sein, daß ihm in dieser Stadt Ärger bereitet wurde…

Der Feldzug selbst war eine ausgesprochen kurze Angelegenheit: Kaum sah sich Großher-zog Kasimir dem großen Heer gegenüber, bot er dem Staufer sofort die Huldigung an. Dem reichte diese Geste der Unterwerfung aus, um die Kampagne für beendet zu erklären. Schließ-lich hatte er spätestens jetzt eine wichtige Lektion gelernt: Verhandlungspartner sind vor al-lem dann entgegenkommend und verhandlungsbereit, wenn man selbst ein großes Heer hinter sich hat. Diese Erkenntnis sollte ihm noch so manches Mal von Nutzen sein.

Unterdessen hatte sein Vater einen Friedensvertrag mit dem normannischen Königreich Si-zilien ausgehandelt, der eine Heiratsabsprache beinhaltete zwischen dem Prinzen Heinrich und der Tante des dortigen Königs Wilhelm, Konstanze mit Namen. Sie galt als potentielle Erbin des süditalienischen Throns, war allerdings auch elf Jahre älter als ihr künftiger Ge-mahl. Auch eine Kaiserkrönung Heinrichs VI. zu diesem frühen Zeitpunkt war bereits im Ge-spräch gewesen, doch hatte sich der damalige Papst Lucius III. trotz anfänglichen Wohlwol-lens nicht dazu überreden lassen.

Rotbart weilte zum sechsten Mal in Italien, als kurz nacheinander seine jüngste Tochter und seine Gattin Beatrix das Zeitliche segneten. Heinrich vertrat weiland die kaiserlichen Interes-sen im deutschen Teil des Reiches  und nahm Ende November 1184 an der Beisetzung von Mutter und Schwester im Speyrer Dom teil. Im Folgejahr kam es zu ernsten Konflikten mit Frankreich, so daß er an der Loire weilte, die damals (man mag es heute kaum mehr glauben) den Grenzfluß zwischen beiden Imperien darstellte. Er bereitete sich schon auf den Krieg vor, doch der wurde ihn von seinem Vater verboten. Stattdessen wurde er nach Norditalien zitiert, wo er noch vor Weihnachten seine Zukünftige kennenlernte, die mit großem Gefolge und vielen Heiratsgeschenken angereist war. Einen Monat später, am 27. Januar 1186, fand in Mailand die Trauung statt (ein symbolträchtiger Ort, denn Barbarossa hatte die Stadt einst niederbrennen lassen). Sie wurde kombiniert mit einer Krönungszeremonie, die sämtliche drei Königskronen (für Burgund, Deutschland und Reichsitalien) beinhaltete, und in der Ausru-fung Heinrichs zum Cäsar durch seinen Vater mündete.

Als es im Streit um den Bischofsstuhl von Trier 1186 zum Bruch des Wormser Konkordats ausgerechnet von päpstlicher Seite kam, reiste ein ganz und gar nicht amüsierter Barbarossa in die Heimat zurück und überließ seinem Filius die Geschäfte südlich der Alpen. Den er-reichte im Juni der kaiserliche Befehl, gegen den Kirchenstaat vorzugehen. Heinrich tat es, und der Papst stand kurz davor, beide gekrönten Häupter mit dem Bann zu belegen, da er-schütterte im Herbst 1187 die Nachricht vom Fall Jerusalems die christliche Welt. Den Heili-gen Vater soll sie dermaßen erschüttert haben, daß er am 20. Oktober 1187 aus dem Leben schied. Auch sein Nachfolger segnete nach nur zwei Monaten das Zeitliche, doch im Ange-sicht der Katastrophe brachte er es noch fertig, zu einem neuen Kreuzzug aufzurufen, und dafür auch den beiden Staufern die Hand zu reichen. Barbarossa war aufgrund der unsicheren Lage im Reich zunächst wenig geneigt, dem Aufruf Folge zu leisten. Aber als es Heinrich gelang, einen Konflikt mit dem Kölner Erzbischof Philipp gütlich beizulegen, ließ er sich von der allgemeinen Begeisterung anstecken und setzte sich als weltliches Oberhaupt des Abend-landes auch an die Spitze der Kreuzzugsbewegung. Zumal ihm der neue Papst, Clemens III., die Kaiserkrönung seines Sohnes Heinrich zusicherte. Doch einen Risikofaktor gab es noch: Heinrich, den Löwen, der bei Barbarossas Abwesenheit Gelegenheit haben mochte, sich für die Demütigung zu rächen, die er durch Rotbart erlitten hatte. Der nicht gerade für seine Skrupel bekannte Welfe sammelte nämlich schon wieder Anhänger um sich.

Die Welfen waren ein in Bayern und (Nieder-) Sachsen mächtiges Fürstengeschlecht, dessen Konflikt mit den Staufern bis in die Zeit Lothars von Supplinburg zurückreichte, und erst nach Heinrichs Tod seinen Höhepunkt finden sollte, mit dem Bürgerkrieg zwischen Otto IV. und Philipp von Schwaben. Entsprechend machte sich der Zwist auch in der Regierungszeit dieses Kaisers immer wieder bemerkbar.

Auf dem Reichstag zu Goslar im Sommer 1188 machte Barbarossa seinem Vetter Heinrich, dem Löwen klar, daß er ihn nicht unbehelligt im Reich zurücklassen wollte, wenn er ins Hei-lige Land zog: Entweder würde er mitkommen, oder aber erneut ins Exil gehen. Der Löwe wählte Letzteres.

Als der Kaiser schließlich zusammen mit seinem dritten Sohn Konrad („Friedrich VI.“, Her-zog von Schwaben) und einem großen Heer zum Kreuzzug aufbrach, hielt Heinrich VI. als sein Stellvertreter im Reich die Stellung. Er sollte seinen Vater nie mehr wiedersehen.

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