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Die Bewandtnis mit Atlantis: 3. Der archäologische Befund - Metall über Mineral

Die Bewandtnis mit Atlantis3. Der archäologische Befund
Metall über Mineral

Hesiod, neben Homer (und denen, die in seinem Namen schrieben) der erste Dichter des klassischen Griechenlands, teilte die Geschichte der Menschheit ein in ein goldenes, ein silbernes, ein bronzenes und ein eisernes Zeitalter. Zumindest die beiden Letztgenannten sind auch bei den Archäologen in Gebrauch, um Kulturstufen zu kennzeichnen, die entscheidende Fortschritte der jeweiligen Gemeinschaften markieren.

 

Natürlich liegt es daran, daß Objekte aus Metall eher als Grabbeigaben oder in Hortfunden auftauchen, als beispielsweise Schriftdokumente. Aber auch so ist es das jeweils neue Material, das ganz neue Möglichkeiten eröffnet, und eine zum Teil rasante Entwicklung nach sich zieht.

Erste, vereinzelte Objekte aus Metall kennt man aus dem Norden Anatoliens, im Bereich der Gestade des Schwarzen Meeres. Bei ihnen handelt es sich um reine Kultobjekte, d. h. um nachgeahmte Werkzeuge, die sich zum praktischen Gebrauch kaum oder gar nicht einsetzen lassen. Sie stammen aus dem neunten Jahrtausend vor Christus, als noch nicht einmal die Herstellung von Keramik bekannt war. Der asiatische Teil der heutigen Türkei sollte noch über die Jahrtausende hinweg eine Schlüsselstellung bei der Erz- Verarbeitung beibehalten.

So weit wie Haarmann möchte ich nicht gehen, der behauptet, schon die primitivste Form der Metallbearbeitung, das Kalthämmern, setze eine arbeitsteilige Gesellschaft voraus. Schließlich kennen wir noch von den Germanen her die autarken Einzelhöfe, die jeweils mit einer eigenen Schmiede ausgestattet gewesen sind.

Eine andere Errungenschaft, nämlich das Anfertigen für Keramik, dürfte für die Fortschritte in der Verhüttung gesorgt haben, werden dabei doch Temperaturen erreicht, die auch schon zur Reduktion von Erzen ausreichen.

Dennoch darf man sich das Aufkommen dieser neue Technik als Quantensprung in der Entwicklung der Zivilisation vorstellen. Zu diesem frühen Zeitpunkt wurden nur relativ reine, gut zugängliche und ohne viel Kenntnisse verwertbare Metalle genutzt, wie etwa gediegenes Kupfer aus bodennahen Minen, und vereinzelt sogar meteoritisches Eisen. Dementsprechend stellten Gegenstände aus diesem Material noch seltene Kostbarkeiten dar.

Das sechste vorchristliche Jahrtausend liefert immer wieder Funde, die für ein „Experimentierstadium“ sprechen. Dies gilt sowohl für den Nahen Osten, als auch den Südosten Europas. In der Regel sind die Funde aus der erstgenannten Region etwas weiter entwickelt, doch gibt es auch Ausnahmen.

Zu dieser Zeit florierte an der Nordwestküste des Schwarzen Meeres die Suvorovo- Kultur, die sich zusammensetzte aus einheimischen Elementen und dem Beitrag wohl proto- indogermanischer Einwanderer (Kurgan I). In ihrem Einflußbereich nahm die Metallurgie einem enormen Aufschwung, eventuell durch Einführung von Praktiken, die im fernen Kaukasus entwickelt worden waren, wohin die Kurgan I- Leute ebenfalls vorgedrungen waren. Man produzierte in größerer Stückzahl Meißel, Beile und Hammeräxte, und betrieb sogar Bergwerke, die abseits der eigentlichen Siedlungen gelegen haben, so daß auch der Transport hatte organisiert werden müssen. Die Wende zur Endsteinzeit, auch „Kupferzeit“ oder „Chalkolithikum“ genannt, war eingeläutet.

Die Suvorovo- Leute waren aber auch die Ersten, bei denen sich in europäischen Raum eine deutliche Herrschaftsstruktur erkennen läßt. So handelt es sich bei den ältesten bekannten Goldobjekten überhaupt (Varna, zwischen 4500 und 4400 v. Chr.) um Grabbeigaben für eine privilegierte Persönlichkeit. Denn Kupfer hatte gegenüber Stein einen entscheidenden Vorteil: Waffen ließen sich schneller und in hoher Stückzahl herstellen. Nicht umsonst avancierte die Streitaxt in jener Zeit zum Herrschaftssymbol, dem Zepter späterer Epochen vergleichbar. Und ihre Variante mit zwei Klingen erlangte als religiöses Symbol eine Verbreitung über den gesamten Kontinent. Noch das Labyrinth von Knossos war voll mit Abbildungen dieses zweischneidigen Schlachtbeils.

Bei Gegenständen aus Gold handelt es sich allerdings durch die Jahrtausende hindurch um Raritäten, die viel über den Status des Besitzers, aber wenig über das technische Niveau der Epoche verraten. Mit dem Kupfer ist es jedoch anders. Wo es zunächst nur in hier und da verwendet wurde, um Nützliches herzustellen, kann es auch der Bauer nebenher zu seinen sonstigen Tätigkeiten erledigt haben. Wo die Anzahl der Objekte aber zunimmt, sind neue Erkenntnisse bei der Gewinnung, der Raffinierung und der Verarbeitung notwendig. Ihre Verbreitung führt jedoch zu einem Wertverlust der Gegenstücke aus Stein, und zu einer Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichtung. Diese aber zieht auch gesellschaftliche Umwälzungen nach sich. Zum einen müssen die Eigentumsverhältnisse der Lagerstätten gesichert sein, zum anderen müssen genügend Leute von der Selbstversorgung freigestellt sein, um sich der Förderung der Erze (und ihrer Weiterverwertung in größerem Maßstab) widmen zu können. An diesem Punkt der kulturellen Entwicklung sind Grundbesitz und Arbeitsteilung nicht mehr wegzudenken.

Diese Stufe war am Westufer des Schwarzen Meeres spät im fünften Jahrtausend vor Christus erreicht, und Kupferware fand sich bis hinauf in die südrussische Steppe (Mariopol- und Cucuteni- Tripolje- Kultur). Nur wenig später gelangte sie über den Handel bis nach Mitteldeutschland und Polen. Die Ausbreitung der Technologie orientierte sich an den natürlichen Vorkommen. Im zentraleuropäischen Raum, wo man sie ab ungefähr 4200 v. Chr. nachahmte, erfreute sich arsenhaltiges Kupfer besonderer Beliebtheit, da es sich besser gießen ließt als seine reine Variante. So wurde eine sogenannte „Buckelscheibe“ aus Hornstaad am Bodensee auf die Zeit um 3900 v. Chr. datiert. Sie ist jedoch noch nicht einmal das älteste, sondern (ganz im Gegenteil) das am weitesten westlich gefundene Exemplar ihrer Art.

Mitte des vierten Jahrtausends kam es im gesamten Südosten Europas, sowie im östlichen Mitteleuropa zu einem Zusammenbruch der Metallerzeugung. Bislang hatte man in den Minen den eisernen Hut und die Erze aus der Oxydationszone abgebaut, diejenigen aus der Zementations- und Reduktionszone aber – von einigen Ausnahmen (Norditalien) abgesehen – nicht zu nutzen verstanden. Nun kam es zur Erschöpfung der Rohstoffquellen.

Was kurz vor dem Jahr 3000 v. Chr. folgte, war eine Epoche, in der man nun allgemein gelernt hatte, auch komplexere Erze (inklusive der Fahlerze ) mittels eines mehrstufigen Verfahrens zu verhütten. Die Rinaldone- und Remedello- Kultur Italiens war hier federführend, und für sie charakteristische Ware fand sich auch in Südost- Frankreich und in der Westschweiz.

Eine ähnliche Entwicklung läßt sich etwa zeitgleich auch im Balkanraum nachweisen. In den Alpen finden sich Importe aus dem Südwesten, wie aus dem Südosten.

Südspanien stellte spätestens seit dem Anfang des dritten Jahrtausends vor Christus ein frühes Zentrum der Metallförderung und -verarbeitung dar. Die Tradition mag aber noch weiter zurück reichen, wie Funde aus Zarambujal (Portugal) nahelegen.

In der zweiten Hälfte des Jahrtausends hatte die früh- iberische Metallurgie auch den Süden Frankreichs erreicht, wie Funde der typischen „Pamela- Spitzen“ belegen. Es deutet aber einiges darauf hin, daß man entsprechende Techniken dort schon vorher selbst entwickelt hat.

Zu der Zeit kannte man hier aber auch schon Importe aus Norditalien, wo man bereits gelernt hatte, auch die schwieriger zu verarbeitenden Fahlerze zu nutzen. Das italienische Chalkolithikum reicht gleichfalls zurück bis an den Beginn des dritten Jahrtausends (Piccioni).

Dagegen fand die Metallurgie nur zögerlich ihren Weg nach Nordwesten. Die Michelsberger und die Trichterbecher- Kultur im west- und norddeutschen Raum widersetzten sich den neuen Technologien noch in der ersten Hälfte des dritten Jahrtausends mit einigem Erfolg. Hier sollten erst das Eindringen der Schnurkeramiker und der Glockenbecher- Leute für einen Wandel sorgen.

Wie sehr das Kupfer inzwischen in Mode gekommen war, läßt sich daran ablesen, daß man Prestigeobjekte wie Äxte und Dolche dort, wo es an Wissen oder Rohmaterial fehlte, aus Silex- Stein nachahmte.

Nahezu zur selben Zeit allerdings entwickelte man im Vorderen Orient die Bronze. Aus ihr bestehende Gegenstände sind natürlich robuster. Doch sie ist eine Legierung, und zu ihrer Herstellung wird nicht nur Kupfer, sondern auch Zinn benötigt. Beide kommen selten in einander benachbarten Regionen vor, so daß in der Spätbronzezeit ein weitreichendes Handelsnetz aufgebaut worden ist, um die Hochkulturen des östlichen Mittelmeeres mit den begehrten Erzen versorgen zu können. Die gesamte Region entwickelte sich zu einem Motor der Menschheitsentwicklung, wie es damals nur am Indus und am Huang Ho ähnlich bedeutende Zivilisationen gab. Sargon I. von Akkad (2334 – 2279 v. Chr.) verfügte über die nötige Infrastruktur, um das allererste Großreich der Erde errichten zu können.

Die Geschichte der Eisenverhüttung dagegen ist mit einer Stadt namens Puruschanda verbunden. Der Klang ihres Namens mag dazu verführen, sie auf dem Indischen Subkontinent zu suchen, doch tatsächlich lag sie in Zentral- Anatolien, am südöstlichen Ufer des Tuz Gölü. Der hethitische König Anitta (um 1700 v. Chr.) erhielt von dieser Stadt als Zeichen der Unterwerfung einen ganzen Thron aus diesem Metall. Seitdem hatte der nun untergebene Herrscher der Stadt einen Ehrenplatz bei Hofe, und die Hethiter waren in der Lage, das leicht rostende Material zu verarbeiten. Sie machten lange Zeit ein großes Geheimnis um das Verfahren, doch als ihr Großreich dem Seevölkersturm zum Opfer fiel, wurden ihre Kenntnisse weitergereicht. Eisen aber ist gar nicht mal so selten, so daß es keiner überregionalen Kaufmannsreisen bedurfte, um ans Ausgangsmaterial zu gelangen. Damit „demokratisierte“ es praktisch die Gewalt, denn jeder war in der Lage, sich einen Rennofen auf seinem Hof zu bauen, um sich Pflug und Sichel, aber auch Speer und Schwert selbst zu schmieden. Mit ihm wandelte sich auch das gesellschaftliche Bild: Hatten die Wandmalereien im Valcamonica- Tal zunächst religiöse Zeremonien dargestellt, Alltagsszenen und abstrakte Symbole, so erfreute sich mit Anbruch der Eisenzeit ein neues Motiv außerordentlicher Beliebtheit: miteinander kämpfende Helden.

 

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