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Die Bewandtnis mit Atlantis: 3. Der archäologische Befund - Die Doggerbank

Die Bewandtnis mit Atlantis3. Der archäologische Befund
Die Doggerbank: Ein Atlantis in der Nordsee

9000 Jahre vor Solon soll es Atlantis gegeben haben, also ungefähr im Jahre 9600 v. Chr.. Betrachten wir uns die Landkarte zu dieser Zeit, so entdecken wir tatsächlich an mehreren Stellen Land, wo heute nur noch Meer ist. Die Ostsee ist gerade mal ein Schmelzwassersee, und die Nordsee eine kleine Bucht zwischen Norwegen und Schottland. Das Schwarze Meer hat eine Verbindung mit dem Kaspischen, aber nicht mit dem Mittelmeer. Und auch sonst ist die Küstenlinie an mehreren Stellen in Richtung Ozean verschoben.

 

All dies ist eine Folge der letzten Eiszeit, die gerade zu Ende gegangen ist. Zum einen haben die Gletscher, die auf dem Norden Nordamerikas, Europas und Westsibiriens gelastet haben, mit ihrem Gewicht die Kontinente dort tief nach unten gedrückt. Doch wo die eine Seite der Landmasse abwärts gepreßt wird, hebt sie sich an der anderen. Man muß sich diese plattentektonischen Mechanismen ein wenig wie eine Waage oder Wippe vorstellen. Deren eines Ende wäre Skandinavien, das von der Last der Gletscher nach unten gezwängt wird. Das andere Ende stellt dann Mitteleuropa dar, das zum Ausgleich empor gelüpft worden ist. Daher waren große Bereiche der heutigen Nordsee damals Festland. Themse und Rhein hatten die selbe Mündung, und es war theoretisch möglich, trockenen Fußes nach England zu gelangen.

Zum anderen aber sind durch die Vereisungen große Mengen an Wasser gebunden gewesen, was den Meeresspiegel noch zusätzlich abgesenkt hat („Regression“). In der Hochphase der Kaltzeiten stand er ganze 100 Meter niedriger als heute, und im abgetrennten Mittelmeer sogar 200 Meter. Gleich an drei Stellen (Gibraltar, Sizilien und Bosporus) gab es Landbrücken, um von Süden nach Europa zu gelangen, und mehrere spätere Inseln waren ohne Boot zu erreichen.

Mit dem Schmelzen der Gletscher schwand die Auflast, und Skandinavien hob sich allmählich wieder. Zum Ausgleich sank Mitteleuropa, und das vermehrte Angebot an flüssigem Wasser tat sein Übriges. Dieser Prozeß ist übrigens auch heute noch nicht abgeschlossen.

Die Nordsee schob sich allerdings nicht an allen Stellen gleichmäßig über das Festland, und so kam es, daß sich eine recht große Insel bildete, die auch heute noch als „Doggerbank“ zwanzig Meter unter den Wellen liegt, wo die Nordsee ansonsten bis zu 100 Meter tief ist. Dieses beeindruckend große Eiland hielt sich bis zur sogenannten „Flandrischen Transgression“ (Transgression = Meeresspiegelanstieg), um dann zwischen 6000 und 5500 v. Chr. ein Opfer der Fluten zu werden. Dies darf man sich jedoch nicht als einmaliges Ereignis „in Verlauf eines schrecklichen Tages und einer schrecklichen Nacht“ vorstellen, sondern mehr wie die regelmäßig wiederkehrenden Sturmfluten, die auch heute noch die Nordseeküste heimsuchen, und noch in historischer Zeit ganze Ortschaften verschlungen haben (Rungholt).

Nun liegen zwischen 9600 und 5500 v. Chr. mehr als vier Jahrtausende, aber da es keine vergleichbare Insel dieser Größenordnung gibt, die in den letzten 10.000 Jahren vor Europas Küsten versunken ist, mag man diese Abweichung als Überlieferungsfehler abtun. Auch muß man von Gibraltar aus eine ganze Strecke zurücklegen, um bis zur Nordsee zu kommen. Aber da mag man argumentieren, die „gadeirische Gegend“ mit den „Säulen des Herakles“ seien das Westlichste gewesen, was die alten Griechen noch halbwegs gekannt haben, also hätten sie eben die als Ortsangabe angeführt (obwohl sich da die Kelten und die halb mythischen „Hyperboräer“ viel eher angeboten hätten).

Doch all diese Zugeständnisse ändern nicht viel daran, daß von der Doggerbank keine Hochkultur bekannt ist. Dabei ist der Grund hier gar nicht mal so unerschlossen; schließlich gibt es in der Region eine ganze Reihe von Bohrinseln. So kennt man immerhin schon vereinzelte Reste von Rentierjägern, die über das Eiland gezogen sind. Und es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß man Reste von umher streifenden Nomaden findet, aber nicht von einer Städte, Kanäle und Dreiruderer bauenden Zivilisation.

Auch stellt sich die Frage, ob zu der frühen Zeit, zu der sich die Doggerbank vom Festland abgetrennt hat, bereits Pferde aus den westlichen Steppen so weit nach Westen vorgedrungen sind. Umgekehrt ist es recht unwahrscheinlich, daß sich noch Mammuts (Mammuthus) oder Waldelefanten (Palaeoloxodon) isoliert bis 5500 v. Chr. inmitten der Nordsee gehalten haben. Und mediterran ist das Klima so weit im Norden auch nicht mehr gewesen; zumindest Ölbäume sind hier oben nicht wild gewachsen. Aber immerhin gibt es jedoch eine Theorie zum Oreichalkos, dem sogenannten „Goldkupfererz“. In dem Kapitel über Helgoland werde ich näher darauf eingehen.

Gezielte Grabungen werden auf der Doggerbank jedenfalls in absehbarer Zeit nicht möglich sein, so daß wir letztendlich nur mit Wahrscheinlichkeiten operieren können. Und danach haben wir eigentlich mit keiner Hochkultur auf der Doggerbank zu rechnen. Aber können wir uns da auch sicher sein?

Schlußendlich soll sich der Machtbereich von Atlantis ja nicht allein auf die Hauptinsel erstreckt haben. Bis nach Ägypten soll sein langer Arm gereicht haben, und Attika hat es laut Plato immerhin angegriffen.

Nun hat sich zwar der Küstenverlauf des europäischen Kontinents seit Ende der Eiszeit verändert, daß viel Land inzwischen Opfer des Meeres geworden ist. Aber das trifft nicht auf alle Regionen zu, und so wäre es eigentlich zu erwarten, daß eine derart weit entwickelte Kultur mit einer so weit reichenden territorialen Ausdehnung auch im archäologischen Fundspektrum ihren Niederschlag gefunden hat.

 

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