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Endstation - Der junge Inspektor Morse (Staffel 8)

Der junge Inspector MorseEndstation
»Der junge Inspektor Morse« (Staffel 8)

Wenn die letzte Folge der Staffel "Endstation" (auf Englisch "Terminus") heißt, dann stellt man sich als bekennender Fan der Serie Endeavour mit einem Kloß im Hals darauf ein, dass es sich um die letzte Folge nicht nur der Staffel, sondern der Serie handelt. Schließlich hat, weiß man, gerade auch Shaun Evans immer wieder deutlich gemacht hat, dass er keinesfalls die Rolle des britischen Kult-Ermittlers spielen möchte, bis "sein" Morse quasi 1987 auf den "echten" Morse in seinem ersten Fall treffen könnte.

Der junge Inspector Morse Wahrscheinlich würden ihm die Fans der beiden Serien (und auch der Serie Lewis mit dem Kevin Wheately als Morses Azubi-Detective) gar nicht böse sein, wenn die Serie noch ein paar Jahre weitergeht. Immerhin war Inspector Morse mit John Thaw als Endeavour Morse eine von den Briten heißgeliebte Serie, die von 1987-1993 ohne Unterbrechung in Serie und dann noch in 5 Specials produziert wurde.

Allerdings würde alles darauf hindeuten und dazu passen, dass die Produzenten bei Mammoth Screen und Masterpiece bei Endeavour nach Folge 33 die Schlußklappe fallen lassen. Auch die Mutterserie Inspector Morse und der erste Spin-Off Lewis hatten jeweils 33 Folgen.

Auch inhaltlich markiert die dritte Folge der Staffel eine Art Zäsur. Nach seiner Rückkehr aus Venedig (Staffel 7) ist Morse nicht mehr der selbe. Bisherige problematische Verhaltenstendenzen treten noch deutlicher zu Tage, und auch "Gespenster" aus der Vergangenheit tauchen wieder auf - in Person der Stiefmutter von Morse, die der Kommissar teilweise verantwortlich für die Trennung seiner Eltern und den Tod seiner Mutter macht. Diese steht nämlich plötzlich wieder vor der Tür und richtet sich vorübergehend häuslich bei ihm ein. Morse, der früher immer eher den Mund gehalten hat, zurückhaltend und kontrolliert war, explodiert und streitet mit der zweiten Frau ‪seines Vaters. Dabei ist er so sarkastisch und bissig, wie er auch in der späteren Ursprungsserie immer wieder aneckt. Und sein exzessiver Alkoholgenss, der sich in früheren Folgen der Serie um den jungen Morse schon abgezeichnet hatte, manifestiert sich inzwischen so sehr, dass er zu spät zum Dienst erscheint - oder gleich gar nicht.
DCI Thursday, Morse Vorgesetzter, Ausbilder und wichtiger Gespächspartner ist einmal mehr an dem Punkt, dass er ihn nicht mehr schützen kann/will, und die Beziehung zwischen den beiden, die sich in Staffel 7 schon verschlechtert hat, leidet ziemlich unter Morses Verhalten. Und dann ist da noch Thursdays Tochter Joan, sein Kollege Jim Strange, PCS Reginald Bright und nicht zuletzt eben (siehe oben) seine Stiefmutter ...

Der junge Inspector MorseMehr noch als in den anderen Staffeln merkte man meiner Ansicht nach die verschiedenen Ebenen, auf denen die Serie spielt: Die "reine" Handlung (Ermittlung an einem oder mehreren Fällen), die Beziehungen der Hauptcharaktere (in der Regel Morse, Fred Thursday, dessen Tochter Joan, Reginald Bright, Dr. DeBryn, die Journalistin Frazil) zueinander, die individuellen "Themen" der Hauptcharaktere (bei Morse zum Beispiel der Alkoholabusus und Gründe dafür, seine "liebe-ich-sie-liebe-ich-sie-nicht-ach-egal-ich-sag-eh-nix"-Beziehung zu Joan Thursday), oder eine Ebene, die wie eine Art Subtext die Serie durchzieht: Eastereggs, Anspielungen, Referenzen zu anderen Serien, Filmen, historische Bezüge (in dieser Staffel ist es 1971 und beispielsweise der Nordirland-Konflikt oder die Nudisten-Bewegung, die als "Schmuddelzeugs" in der Gesellschaft sichtbar wird).
 

Gerade bei letzterem sind wir als Syncronisationsschauende oder Nichtbriten in mancher Hinsicht aufgeschmissen. Viele Anspielungen verstehen wir nicht, weil wir die Serien, Filme oder Personen nicht kennen (mal abgesehen vielleicht vom Doctor Who und dem des lieben Viehs) oder eben einfach nicht wissen, dass es bei Inspektor Morse und Lewis genau 33 Folgen waren.
Jene, die wir verstehen, sind kaum zu übersehende Themen wie Nordirland oder die britische Gesellschaft, die sich in einem drastischen Wandel befindet (Flowerpower, unverheiratet zusammenlebende Paare *igitt*).

Sehr klar treten die Auswirkungen von Morses Alkoholabusus hervor, die Auswirkungen auf viele Bereiche seines Lebens haben. Joan Strange bemerkt, dass er schon Mittags betrunken im Dienst ist, oder wie die ganze Abteilung bereits registriert hat, dass er offensichtlich zu viel trinkt. Joan, seine stille Liebe, wendet sich erneut anderen Männern zu, er gerät immer häufiger mit seinem Chef aneinander, und die Vorgesetzten reden bereits darüber was man tun kann, damit er sich eventuell wieder fängt.

Die drei Fälle der Staffel 8 sind in ihrer Qualität recht unterschiedlich. Von wirklich gut gemacht mit Chill-Faktor, über geht so bis hin zu spannend und total in die Zeit passend, tragen die Unterschrift von Russell Lewis. Wirklich schlecht oder unspannend ist keine von ihnen, die drei Folgen haben jeweils Spielfilmlänge, was aufgrund der Komplexität der diversen Handlungsstränge auch kaum anders möglich ist. Mir persönlich ist eine Staffel mit drei Folgen einfach zu wenig, ich würde lieber mehr Folgen haben, auch wenn sie kürzer sein würden. Vorteil der begrenzten Anzahl ist natürlich, dass man nicht einfach den Täter der Woche von links nach rechts über den Schirm jagt, sondern komplexer und intensiver erzählen kann. Allerdings kommen die Folgen dieser Staffel, einfach wieder nicht an die Staffel 6, die für mich bisher immer noch die beste von allen ist, wobei

Der junge Inspector MorseWirklich unterirdisch ist der Sendeplatz vom jungen Inspektor Morse im deutschen Fernsehen. Die Folgen der letzten Staffeln liefen bei ZDFneo um Uhrzeiten wie Samstag oder Montag 0:50-2:20 Uhr, oder 2:20-3:50 Uhr, Erstausstrahlungen wohlgemerkt. Das sind Uhrzeiten, bei denen selbst ein Morse-Affectionado schwer schluckt und lieber ins Bett geht, weil am nächsten Morgen spätestens um 7 Uhr das Leben weitergeht. Besser kann man eine solche geniale Serie, die derart gute Kritiken landauf landab bekommen hat, nicht vergraben. Wer die Serie da nicht mitbekommt, was kein Wunder ist, muss streamen ... oder die DVD kaufen.

Und als letzten Spoiler: die Folge "Endstation" ist nicht die letzte Folge, nur die letzte Folge der aktuellen Staffel, mit den Dreharbeiten der 9. Staffel wird am 16. Mai 2022 begonnen, soll 2022 ausgestrahlt werden, parallel zum 10. Geburtstag der Ursprungsserie

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2022-04-15 13:00
Die Sendetermine liegen aber voll im Trend. Ich habe sie direkt ignoriert und mir auch die Mühe gespart, sie aufzunehmen. Alle Folgen liefen in der ZDF-Mediathek , wo sie am selben Tag oder einen Tag später - ich weiß es nicht mehr - verfügbar waren. Man muss es ja nicht mehr auf dem PC sehen, selbst wenn man dafür nicht bezahlen will. Da reicht ein Kabel.

Ehrlich gesagt ist es eine reife Leistung von Russell Lewis, die Serie immer noch zu schreiben. Er hat alle 33 Folgen geschrieben, und ich kann verstehen, dass man die Anzahl auf drei reduziert hat. Es ist erstaunlich, dass Lewis die Qualität halbwegs halten kann.

Ich frage mich immer, wie die Serie endet :-) Müsste eigentlich in der letzten Szene der Dienstbeginn von Robbie Lewis sein, um den Bogen zu schließen.

Die ersten beiden Folgen waren ganz witzig. Diese unsägliche Show "Das ist Ihr Leben" gab es auch in Deutschland, auch wenn das sicherlich nur für die älteren Zuschauer ersichtlich war. Aber es stimmt schon, dass viele Anspielungen sehr britisch sind. Macht ja auch den Charme der Serie aus. Ein Brüller war auch die prüde Inszenierung des FKK-Hotels. Das hatte einen amerikanischen Standard. Es gibt da eine spätere Murdoch-Folge, die genauso inszeniert ist.

Die letze Folge hätte noch eine Überarbeitung vertragen können. Selbst für Endeavour-Verhältnisse unglaublich kompliziert am Ende und viel zu viele Personen, deren Motivation durch den Plot bedingt viel zu spät eingeführt werden konnte.

Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Ich habe das Original von Morse mit Thaw gesehen, das doch sehr in der Qualität schwankte, und Endeavour ist deutlich glatter inszeniert.
#2 Bettina.v.A. 2022-04-15 20:27
Hi Andreas, hi Friedhelm,
ich stimme dir zu, dass Russel Lewis einen tollen Job macht, ich verfolge seine Sachen schon eine ganze Weile und finde sie echt gut - zB Spooks (wooooo, genial, Cadfael, Hornblower, etcetc). Deshalb ist es klar Jammern auf hohem Niveau, es fiel mir nur einfach deshalb auf, da ich die Staffel 6 noch so sehr vor Augen habe, vor allem die Auflösungsfolgen, und es mich wirklich nur noch mit Mühe auf dem Sofa hielt vor Spannung "Ahh, was macht der denn jetzt?" "Nein, das kann..." "OMG ..." ... und so weiter :-).
Auch wenn ich dieses 60-er Jahre Flair mag, bin ich so froh, nicht mehr zu dieser Zeit Aufwachsender oder Erwachsener zu sein. Gruselig, dann schon lieber die Roaring 20's oder vor WW1 :-).

Zum Ende der Serie habe ich definitiv gehört, dass sie NICHT bis zu Beginn der Inspektor Morse drehen wollen, was ich sehr klug finde. Es würden unvermeidlich Vergleiche zwischen den beiden gezogen werden, was Shaun Evans wirklich nicht verdient. Er scheint mir ein sehr sensibler Schauspieler mit viel Talent zu sein, der die kleinen Manierismen von Morse gut einsetzt, und den emotional unsicheren Mann sehr gut spielt.
Das heißt nicht, dass Thaw es nicht war, aber er hat einfach den Kultstatus, gegen den Evans meiner Meinung nach nicht anspielen sollte.

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