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Hauptsache größer und lauter - Fear – Grab des Schreckens

FearHauptsache größer und lauter
Fear – Grab des Schreckens

»Fear«, so der amüsante „deutsche Titel“ des Romans »Two Graves«, ist der neuste Thriller des amerikanischen Autorenduos Douglas Preston und Lincoln Child um den exzentrischen FBI-Agenten Aloysius Pendergast. Der Band bildet den finalen Teil der „Helen“-Trilogie, die mit »Fever« und »Revenge« ihren Auftakt nahm. Da die Rezension von »Fear« Spoiler zu den Geschehnissen aus diesen beiden Werken enthalten wird, vorab eine Warnung: 


FearWer die Romane noch nicht kennt, sie aber gerne lesen und sich daher die Spannung nicht nehmen lassen möchte, sollte die nachfolgenden Zeilen erst nach Lektüre dieser Bücher lesen.

Noch dabei? Gut, dann auf zur Rezension.


In der „Helen“-Trilogie dreht sich alles um das plötzliche Auftauchen von Pendergasts totgeglaubter Frau Helen – ein Schock, den der sonst so beherrschte Agent alles andere als unbewegt wegsteckt. »Revenge« endete damit, dass Pendergast seine Frau nach vielen Jahren der Trennung wieder in die Arme schließen konnte – nur um sie Sekunden später wieder an ihre Häscher, einen nationalsozialistischen Geheimbund mit finsteren Plänen für die Zukunft der Menschheit, zu verlieren.

»Fear« knüpft nahtlos an diese Ereignisse an – und schildert auf den ersten Seiten die gnadenlose Jagd Pendergasts nach seiner Frau in der Hoffnung, sie aus den Klauen ihrer Entführer befreien zu können. Ein atemberaubender, rasanter Wettlauf entbrennt, der den Leser gebannt an die ersten Seiten des Buchs fesselt – ein Wettlauf, der nach wenigen Kapiteln mit dem (zugegeben etwas klischeehaft geratenen) Tod Helens endet, die von einem der flüchtenden Nazis eiskalt erschossen wird.

Mit diesem tragischen Ereignis beginnt die eigentliche Handlung des Buchs – und nach dem grandiosen, hochspannenden Auftakt, der es mühelos schafft, das hohe Niveau und die Spannung des Vorgängerromans zu halten, das ausgesprochen schwache und enttäuschende Ende der „Helen“-Trilogie.
Doch der Reihe nach.

Nach dem Tod seiner Frau verfällt Pendergast in schwere Depressionen und steht kurz vor dem Selbstmord. Nicht einmal eine bizarre Mordserie in New Yorker Hotels, bei der der Täter jedes Mal ein Körperteil seiner selbst hinterlässt, ein Fall also, der sonst ganz Pendergasts Kragenweite besitzt, gelingt es, den FBI-Agenten aus seiner tiefen Trauer zu reißen. Erst als die Indizien an den Tatorten eine Verbindung mit Helens Mörder erahnen lassen, ist Pendergasts Aufmerksamkeit geweckt. Getrieben vom Wunsch nach Vergeltung begibt er sich auf die Jagd nach dem Täter. Eine Jagd, die ihn tief in den südamerikanischen Dschungel führt, wo eine Gruppe von deutschstämmigen Nationalsozialisten eine Stadt errichtet hat, von der aus sie einen furchtbaren Plan in die Tat umsetzen möchte …

FearIch will hier gar nicht lange um den heißen Brei herumreden: »Fear« ist schlicht und ergreifend eine einzige Enttäuschung. Die Story der Trilogie, die in den beiden Vorgängerromanen so spannend begonnen hat, wird in »Fear« zu einem billigen, lauten und heillos übertriebenen Actionthriller aufgebauscht, der kein Fettnäpfchen auszulassen scheint und geradezu jedes noch so dumme Klischee bedient, das es in der Welt der Spannungsromane nur gibt: ein unglaublich intelligenter Serienkiller, der sich (welch Überraschung …) ganz anders verhält, als es die „üblichen“ Serienkiller so tun, weshalb ihm kein Täterprofil gerecht wird; eine Nazi-Sekte mit einer „Geheimbasis“ im Regenwald, die im letzten Drittel in lachhaft anmutender James Bond-„Sag niemals nie“-Manier gestürmt und in einer geradezu peinlichen Materialschlacht vernichtet wird; stereotype Charaktere, die einem C- oder gar D-Movie entsprungen sein könnten.

Hauptsache größer und lauter – etwas anderes scheint sich das Autorenduo beim Schreiben des Romans nicht gedacht zu haben. Frische Ideen, clever konstruierte Wendungen, ausgefallene Handlungsbögen? Pustekuchen. Stattdessen bekommt der Leser es billigsten Hau-drauf-Trash und eine Reihung uralter Klischees geboten. So kommt es, dass der Roman in einem Meer aus Langeweile und hanebüchenen Storylines versinkt, die dem starken Auftakt der „Helen“-Trilogie nicht im Ansatz gerecht werden und die Reihe zu einem ausgesprochen schwachen Ende führen.

Dass gut ein Drittel des Romans zudem auf zwei absolut unwichtige, die Haupthandlung nicht betreffende und überdies sehr langweilige Nebenhandlungen verschwendet wird – was das sollte, hat sich mir bis jetzt noch nicht erschlossen –, macht die Sache nicht im Mindesten besser …

Der langen Rede kurzer Sinn: »Fear« ist ein pompös aufgebauschter, schwacher Thriller, den man sich, abgesehen von den spannenden ersten Kapiteln bis zum (endgültigen) Tode Helens, gut und gerne schenken kann.

Hoffentlich wird der kommende Pendergast-Thriller – der in der Ende 2013 unter dem Titel »White Fire« in den USA erscheint – bedeutend besser …
Fear
Daten zum Buch
Fear – Grab des Schreckens
(Two Graves)
von Douglas Preston & Lincoln Child
aus dem Amerikanischen von Michael Benthack
Erschienen: Frühjahr 2013 (Deutschland) / 2012 (USA)
Gedruckte Ausgabe: 576 Seiten; 19,99 €; ISBN: 978-3-426-19900-8
eBook: 17,99 €; ISBN: 978-3-426-41761-4
Droemer

Kommentare  

#1 Des Romero 2013-06-01 08:09
Zitat:
Dass gut ein Drittel des Romans zudem auf zwei absolut unwichtige, die Haupthandlung nicht betreffende und überdies sehr langweilige Nebenhandlungen verschwendet wird – was das sollte, hat sich mir bis jetzt noch nicht erschlossen –, macht die Sache nicht im Mindesten besser …
So weit ich weiß, werden amerikanische Autoren nach Seitenzahl bezahlt. Kleine Geschichten bläht man für harte Dollars gern auf :zzz
#2 Laurin 2013-06-01 17:29
Ach so. Deshalb schweift Stephen King gerne so weiträumig ab. :P
Nun wird mir da einiges klar.

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