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... Matthias Hofmann über Big Name Fan, Leserbriefe und Bubbles

... Matthias Hofmann über Big Name Fan, Leserbriefe und Bubbles

Seit inzwischen 3 Wochen führen wir eine Interview-Reihe anlässliche des 42sten Jahres des SCIENCE-FICTION CLUBS BADEN-WÜRTTEMBERG/SFCBW und der Veröffentlichung der 500. Ausgabe seines Print-Fanzines BADEN-WÜRTTEMBERG AKTUELL/BWA. Nach den Interviews mit Uwe Lammers, Armin Hofmann, Michael Baumgartner und Angelika Herzog hat Martin Eisele heute Matthias Hofmann ein paar Fragen gestellt.

Martin Eisele: Hi Matthias, danke, dass du trotz knapper Zeit bei dieser kleinen Interviewrunde dabei bist. Erzählst du uns bitte erstmal ein bisschen über dich? Als Mitwirkender beim Comic-Magazin ALFONZ, Artikelautor bei der PHANTASTISCH! und den ANDRO NACHRICHTEN entsprichst du ja nicht dem "typischen" Klischee vom SF-Fan, der mit Plüsch-"Gucky" im Arm und einer Flasche giftgrünem  "Vurguzz" in der freien anderen Hand im Fandom unterwegs ist. Wie bist du eigentlich in den SFCBW "geraten"? Gibt`s eine amüsante Geschichte dazu? Oder von den ersten "Club-Treffs", auf die wir auch noch kommen?
Matthias Hofmann: Wie ich genau zum SFBW gekommen bin, weiß ich nicht mehr genau. Ich bin jedenfalls dazugestoßen, als der Club gerade gegründet worden war und habe deshalb mit der Nummer 9 eine einstellige Mitgliedsnummer. Genauere Details sind den ersten SFCBW-Jahrbüchern zu entnehmen, aber ich fand die Idee eines regionalen SF-Clubs sehr charmant und natürlich auch sinnvoll. Ich war Mitte der 1980er-Jahe noch ein Gymnasiast, also Schüler, jedoch bereits sehr aktiv im Fandom. Aber es war nur konsequent auch diesem Club beizutreten, weil damals – als es noch kein Internet und Smartphones gab, man sich am besten über Clubs vernetzte um in Kontakt zu Gleichgesinnten treten zu können. Und wenn diese nicht am anderen Ende von Deutschland wohnten, so war die Chance größer, dass man sich auch persönlich treffen konnte.
Eine wirklich amüsante Geschichte fällt mir nicht ein. Wir waren alle jung und hochmotiviert. Und natürlich auch sehr kreativ. Viele waren Schüler oder Studenten und so manche entwickelten erst ihre Persönlichkeiten durch ihre Aktivitäten im Fandom. Ich habe schon damals aktiv an allem teilgenommen: Texte geschrieben, eigene Fanzines publiziert, Cons besucht. Sogar selbst Cons oder Club-Treffs veranstaltet. So war ich z.B. der Chairman vom FreiCon 1995 in Freiburg zum 40. Jubiläum des SFCD. Legendär – und im nachhinein natürlich höchst suspekt und kurios – war die Tatsache, dass wir auf den SFCW-Club-Treffs irgendwann angefangen haben, regelmäßig eine Nachtwanderung zu machen. Und dazu gehörte dann ein obligatorischer Besuch eines Friedhofs. Eigentlich eher was für morbide Horrorfans, aber im SFCW hatte das kultige Tradition. Ansonsten erinnere ich mich, dass wir sehr viel Spaß hatten und wenig geschlafen wurde.

Martin Eisele: Schon in jüngeren Jahren warst du mit deinem Bruder im Fandom und in BWA aktiv und ein echter Big Name Fan. Wie funktioniert(e) so eine bewundernswerte gemeinsame Fan-Aktivität unter Brüdern?
Matthias Hofmann: Es war so, dass ich als der Ältere sehr schnell durch meine Aktivitäten bekannt – und teilweise auch berüchtigt – wurde. Ich war im gesamten deutschen Fandom aktiv und auch darüber hinaus. Ich habe angefangen WorldCons in den USA zu besuchen oder die britischen EasterCon in Großbritannien. Ich hatte Kontakte bis nach Australien oder Neuseeland und mein Briefkasten quoll über mit Post, Fanzines oder Rezensionsexemplaren. Mein Bruder, der die gleichen Interessen verfolgte, hat das alles indirekt mitbekommen. Irgendwann wurde er ebenfalls infiziert und kam mit auf Cons und wurde aktiver. Allerdings war er nie in anderen Clubs Mitglied, nur im SFCBW, soweit ich mich erinnere. Sein Hauptbetätigungsfeld konzentrierte sich auf den SFCW und vor allem BWA, dessen Chefredakteur er schließlich wurde.
Da wir ähnlich tickten (und ticken) war die Zusammenarbeit sehr fruchtbar. Wir haben uns regelmäßig ausgetauscht und getroffen, auch als ich als erster von zu Hause ausgezogen war. Zu den SF-Stammtischen in Freiburg und Lörrach, die es damals regelmäßig gab, sind wir auch immer zusammen gefahren. Dass ich ein BNF war, und er nicht, hat keinen gestört. Er wollte auch nie mehr im Rampenlicht stehen.

Martin Eisele: Im Mai 2025 erscheint nun das BWA mit seiner 500sten (Vierfarb-Fotokopier-) Print-Ausgabe. 2023/24 bist du nach 25 Jahren wieder in den Club eingetreten.Was gefällt dir heut' noch (oder wieder) am SFCBW? Was fehlt deiner Meinung nach im SFCBW? Was nervt und, vor allem, was würdest du heute heftigst gern im BWA sehen?
Matthias Hofmann: Der SFCBW von heute ist mit dem von damals nicht mehr zu vergleichen. Es war wohl lange Zeit eine andere Stimmung. Seit immer mehr Altfans dazugestoßen sind, also nicht nur ich, sondern auch einige andere aus der „guten alten Zeit“, wacht der Club immer mehr auf.
Das alte Feeling werden wir nicht mehr herstellen können, aber man merkt schon, dass der Club aus einer Art Dornröschenschlaf erwacht ist. Mir gefällt, dass es wieder eine gute Leserbriefkultur gibt. BWA scheint das einzige Fanzine so sein, wo so viele verschiedene Leute regelmäßig etwas schreiben, kommentieren und diskutieren. Zum Vergleich: Im Atlan Club Deutschland) schreiben regelmäßig vielleicht zwei oder drei Leute einen Leseerbrief. Und wenn Rüdiger Schäfer nicht für jedes INTRAVENÖS bis zu zehn Seiten mit den Schilderungen aus seinem Privatleben beisteuern würde, wäre das Fanzine sehr dünn. Über den SFC Deutschland (SFCD) wollen wir gar nicht reden. So viele Mitglieder, aber Leserbriefe sucht man vergeblich in den ANDROMEDA NACHRICHTEN. Die Belegschaft schläft zu 90-95% permanent vor sich hin. Leider.
Dem SFCBW fehlt ein regelmäßiger Con, einmal im Jahr. Ansonsten würde ich das BWA wieder auf das ursprüngliche Konzept überführen. Das hatte gut funktioniert und die Clubkasse nicht so belastet wie das aktuelle. Fan-Storys sollten aus den BWA verbannt werden. Dafür hatten wir das externe Fanzine BAWUEMANIA. Mal ehrlich: Die Storys liest in BWA niemand und wenn, dann vielleicht zwei Leute. Diese Texte nehmen nur Platz weg und erhöhen unnötig die monatlichen Kosten sowie den Druck- und Heftaufwand für die Verantwortliche Claudia Höfs. Das BWA ist für Clubinterna wie Leserbriefe, Kassenbericht, Mitgliederliste etc. plus News und Rezensionen. Wenn mal ein Nachruf oder Artikel beigesteuert wird, ist mir das auch recht. Richtig ambitionierte Texte sind in BWA mit der kleinen Auflage „vergebene Liebesmüh“. Die sollten auch eher in BAWUEMANIA abgedruckt werden, wo man die Auflage etwas erhöhen kann.

Martin Eisele: In den vergangenen Monaten hast du mit deinen Leserbeiträgen im BWA, vor allem aber mit der Reaktivierung einer jahrzehntelang scheintot geglaubten Tradition des SFCBW - eines "Club-Treffs"  nämlich - für viel frischen Schwung gesorgt, und zu einer lange nicht mehr dagewesenen Beitrittswelle einstiger aktiver SFCBW-Mitglieder beigetragen. Deine Ankündigung und Vorbereitung eines „Club-Treffs“ – die schon immer persönlicher und schräger waren als die üblichen „Cons“ -  begeistert alle. Mittlerweile steht sogar schon ein ungefährer Termin. - So viele Aktivitäten in so kurzer Zeit - was treibt dich an, dich erneut  für einen so mikroskopisch kleinen (aber feinen) regionalen SF-Club so wortwörtlich mitreißend einzubringen?
Matthias Hofmann: Ich hatte meiner Frau davon erzählt und sie fand es witzig. Wir beide laden gerne Leute ein und machen auch mal Gartenpartys mit 25 Leuten mit allem Pipapo. Warum nicht mal die Club-Treff-Tradition aufleben lassen und einen Versuchsballon starten mit einem kleinen, aber feinen Club-Treff? Und dann habe ich andere gefragt, wie meinen Bruder Armin oder Thomas, Schmidt, früher Kassenwart beim SFCW, und sie waren auch sofort Feuer und Flamme. Der Termin steht seit Januar fest: 6. und 7. September 2025, mit einem VorCon am Freitagabend. Das Programm nimmt auch Formen an. Es können auch externe kommen, wenn sie sich rechtzeitig melden.
Uns geht es drum, den alten Spirit aufleben zu lassen. Früher waren SFCW-Club-Treffs Katalysatoren für weitere Aktivitäten und haben die Leute zusammengeschweißt. Und alle fühlten sich super nach so einem Wochenende.

Martin Eisele: Michael hat sich in einem Leserbrief-Beitrag vorgenommen, im 42sten Jahr des SFCBW den Mitglieder*Innen-Stand nach Kräften auf 42 hoch zu jazzen und damit natürlich auf Douglas Adams angespielt, laut dem 42 "die Antwort auf alles ist".
Du schreibst mitreißende und sachkundige Beiträge für die „Andro Nachrichten“ des Science Fiction Club Deutschland e.V. und bist häufig mit Artikeln im einzigen regelmäßig dreimonatlich erscheinenden und auch an Bahnhofskiosken zu findenden Phantastik-Magazin „phantastisch!“ Und, natürlich bist du Mitherausgeber des Comic-Fachmagazins ALFONZ, ebenfalls vierteljährlich am Kiosk und im gut sortierten (Comic-)Zeitschriftenhandel vertreten. Brauchen wir in heutigen Zeiten, in denen kein SF-Verlag mehr John Brunners visionäre Social-Fiction-Meisterwerke  „Der ganze Mensch“, „Schafe blicken auf“ oder „Die Plätze der Stadt“ nachdruckt oder wenigstens als E-Books vorhält - sondern "Military-SF" auch bei kleineren Verlagen zur verkaufsfördernden „Marke“ wurde, eine SF-Antwort z.B. darauf, wie mit Damen und Herrschaften wie Weidel, Trump, Musk, Thiele, Putin umgehen? Oder mit sozialen Themen? (Die ja angesichts einer überalternden Bevölkerung in Deutschland, aber auch in Japan und China durchaus Zukunftsthemen sind). Oder sollten sich die Fans innerhalb ihrer SF-Bubble nur um SF-Bubble-Themen kümmern?
Matthias Hofmann: Ich habe einige SFCBWler als recht intelligent in Erinnerung, mal unabhängig davon, wo sie politisch standen und stehen. Auf dem Club-Treff werden sicherlich auch die politischen und sozialen Verhältnisse diskutiert. Ob wir jetzt einen speziellen Programmpunkt dazu machen, weiß ich nicht. Als SF-Fan kannst Du nicht die Probleme der Welt lösen, aber man kann sich darauf vorbereiten und die Lage besser verstehen. Das Fandom, wie wir es kannten, existiert meiner Meinung nach nicht mehr, so wie die SF-Programme der Verlage nicht mehr existieren.
Engagierte SF ist Mangelware geworden und wenn, wird sie nicht mal so gekennzeichnet. Man nehme nur den Roman der aktuellen Ursula-K.-LeGuin-Preisträgerin. Bei der Vorstellung des Romans Es währt für immer und dann ist es vorbei von Anne de Marcken, der Ende März erscheint, erwähnt der deutsche Verlag Suhrkamp zwar den Preis, macht scheint`s um den Begriff „Science Fiction“ aber einen riesengroßen Bogen.
Und da Du die SF-Bubble ansprichst. Durch das nur noch rudimentär vorhandene Fandom ist die SF-Bubble meiner Meinung nach quasi nicht mehr in relevanter Größe existent. Es gibt zwar noch viele Konsumenten, aber wer sich mit Fantastischem beschäftigt, liest heutzutage vor allem voluminöse Unterhaltung aus dem Gerne Romantasy.

Martin Eisele: Bizarr war für mich auch, wie Hanser den schwarzen Autor Percival Everettt, immerhin auf der Shortlist des renommierten Booker Prize 2022, mit seinem unheimlich-phantastischen Roman „Die Bäume“, präsentiert – mit seiner spannend-zynischen Hommage an die Opfer der Lynchjustiz in den USA, die Rache-Phantasie gleichermaßen ist. (Aber immerhin bringt Hanser regelmäßig Hardcover von Everett.)
Schräg auch das Verhalten von Bastei-Lübbe: Da wird das Debüt der deutschen SF-Autorin Kris Brynn „The Shelter“ mit dem Seraph ausgezeichnet … und 2018 dann als eine Art Book on Demand veröffentlicht. Ihr Roman „Kollision“ aus der spannend-rasanten „Out of Balance“-E-Book-SF-Reihe (auch bei Bastei) wurde 2020 als „Bester Roman“ für den Seraph nominiert, die Reihe verkaufte sich bislang 25.000 mal. Aber gesammelt als großformatiges, wunderschön aufgemachtes Paperback kam die Reihe dann erst bei dem kleinen, aber immerhin mit dem Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar ausgezeichneten Verlag Art Skript Phantastik heraus. Der Ende 2024 zugemacht hat. Auch bei Knaur gönnte man dieser ideenreich, pointiert und packend SF-(Thriller) schreibenden Autorin nur zwei Chancen im Paperback: „Born“ und „A.R.T.–Coup zwischen den Sternen“. Man greift sich an den Kopf und denkt frustriert: Tja, Tiktok, vielen Dank.
Aber, das führt schon zu weit weg vom eigentlichen Thema. Deshalb abschließend: Was würdest du dir für den SFCBW und BWA wünschen?
Matthias Hofmann: Damals hätte ich mir nie vorstellen können, jemals aus dem Fandom oder dem SFCBW zu „verschwinden“. Aber selbst mir ist das dann doch passiert. Das Leben kam in die Quere. Deshalb bin ich mit meinen Wünschen heutzutage vorsichtiger. Ich würde mir wünschen, dass SFCBW und BWA noch einige Jahre existieren und dass die aktuelle Phase der Aktivität noch lange anhält. Ein 50jähriges Jubiläum feiern zu können, wäre schon cool.
M.E.: Matthias, ich hab dich mit diesem Interview kurz vor Quaralsende und damit in einer letzten stressigen Phase vor Erscheinen des neuesten ALFONZ erwischt. Vielen Dank, dass du dir trotzdem so cool die Zeit dafür genommen hast.

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