... Matthias Hofmann über Big Name Fan, Leserbriefe und Bubbles
... Matthias Hofmann über Big Name Fan, Leserbriefe und Bubbles
Wie ich genau zum SFBW gekommen bin, weiß ich nicht mehr genau. Ich bin jedenfalls dazugestoßen, als der Club gerade gegründet worden war und habe deshalb mit der Nummer 9 eine einstellige Mitgliedsnummer. Genauere Details sind den ersten SFCBW-Jahrbüchern zu entnehmen, aber ich fand die Idee eines regionalen SF-Clubs sehr charmant und natürlich auch sinnvoll. Ich war Mitte der 1980er-Jahe noch ein Gymnasiast, also Schüler, jedoch bereits sehr aktiv im Fandom. Aber es war nur konsequent auch diesem Club beizutreten, weil damals – als es noch kein Internet und Smartphones gab, man sich am besten über Clubs vernetzte um in Kontakt zu Gleichgesinnten treten zu können. Und wenn diese nicht am anderen Ende von Deutschland wohnten, so war die Chance größer, dass man sich auch persönlich treffen konnte.
Eine wirklich amüsante Geschichte fällt mir nicht ein. Wir waren alle jung und hochmotiviert. Und natürlich auch sehr kreativ. Viele waren Schüler oder Studenten und so manche entwickelten erst ihre Persönlichkeiten durch ihre Aktivitäten im Fandom. Ich habe schon damals aktiv an allem teilgenommen: Texte geschrieben, eigene Fanzines publiziert, Cons besucht. Sogar selbst Cons oder Club-Treffs veranstaltet. So war ich z.B. der Chairman vom FreiCon 1995 in Freiburg zum 40. Jubiläum des SFCD. Legendär – und im nachhinein natürlich höchst suspekt und kurios – war die Tatsache, dass wir auf den SFCW-Club-Treffs irgendwann angefangen haben, regelmäßig eine Nachtwanderung zu machen. Und dazu gehörte dann ein obligatorischer Besuch eines Friedhofs. Eigentlich eher was für morbide Horrorfans, aber im SFCW hatte das kultige Tradition. Ansonsten erinnere ich mich, dass wir sehr viel Spaß hatten und wenig geschlafen wurde.
Es war so, dass ich als der Ältere sehr schnell durch meine Aktivitäten bekannt – und teilweise auch berüchtigt – wurde. Ich war im gesamten deutschen Fandom aktiv und auch darüber hinaus. Ich habe angefangen WorldCons in den USA zu besuchen oder die britischen EasterCon in Großbritannien. Ich hatte Kontakte bis nach Australien oder Neuseeland und mein Briefkasten quoll über mit Post, Fanzines oder Rezensionsexemplaren. Mein Bruder, der die gleichen Interessen verfolgte, hat das alles indirekt mitbekommen. Irgendwann wurde er ebenfalls infiziert und kam mit auf Cons und wurde aktiver. Allerdings war er nie in anderen Clubs Mitglied, nur im SFCBW, soweit ich mich erinnere. Sein Hauptbetätigungsfeld konzentrierte sich auf den SFCW und vor allem BWA, dessen Chefredakteur er schließlich wurde.
Da wir ähnlich tickten (und ticken) war die Zusammenarbeit sehr fruchtbar. Wir haben uns regelmäßig ausgetauscht und getroffen, auch als ich als erster von zu Hause ausgezogen war. Zu den SF-Stammtischen in Freiburg und Lörrach, die es damals regelmäßig gab, sind wir auch immer zusammen gefahren. Dass ich ein BNF war, und er nicht, hat keinen gestört. Er wollte auch nie mehr im Rampenlicht stehen.
Der SFCBW von heute ist mit dem von damals nicht mehr zu vergleichen. Es war wohl lange Zeit eine andere Stimmung. Seit immer mehr Altfans dazugestoßen sind, also nicht nur ich, sondern auch einige andere aus der „guten alten Zeit“, wacht der Club immer mehr auf.
Das alte Feeling werden wir nicht mehr herstellen können, aber man merkt schon, dass der Club aus einer Art Dornröschenschlaf erwacht ist. Mir gefällt, dass es wieder eine gute Leserbriefkultur gibt. BWA scheint das einzige Fanzine so sein, wo so viele verschiedene Leute regelmäßig etwas schreiben, kommentieren und diskutieren. Zum Vergleich: Im Atlan Club Deutschland) schreiben regelmäßig vielleicht zwei oder drei Leute einen Leseerbrief. Und wenn Rüdiger Schäfer nicht für jedes INTRAVENÖS bis zu zehn Seiten mit den Schilderungen aus seinem Privatleben beisteuern würde, wäre das Fanzine sehr dünn. Über den SFC Deutschland (SFCD) wollen wir gar nicht reden. So viele Mitglieder, aber Leserbriefe sucht man vergeblich in den ANDROMEDA NACHRICHTEN. Die Belegschaft schläft zu 90-95% permanent vor sich hin. Leider.
Dem SFCBW fehlt ein regelmäßiger Con, einmal im Jahr. Ansonsten würde ich das BWA wieder auf das ursprüngliche Konzept überführen. Das hatte gut funktioniert und die Clubkasse nicht so belastet wie das aktuelle. Fan-Storys sollten aus den BWA verbannt werden. Dafür hatten wir das externe Fanzine BAWUEMANIA. Mal ehrlich: Die Storys liest in BWA niemand und wenn, dann vielleicht zwei Leute. Diese Texte nehmen nur Platz weg und erhöhen unnötig die monatlichen Kosten sowie den Druck- und Heftaufwand für die Verantwortliche Claudia Höfs. Das BWA ist für Clubinterna wie Leserbriefe, Kassenbericht, Mitgliederliste etc. plus News und Rezensionen. Wenn mal ein Nachruf oder Artikel beigesteuert wird, ist mir das auch recht. Richtig ambitionierte Texte sind in BWA mit der kleinen Auflage „vergebene Liebesmüh“. Die sollten auch eher in BAWUEMANIA abgedruckt werden, wo man die Auflage etwas erhöhen kann.
Ich hatte meiner Frau davon erzählt und sie fand es witzig. Wir beide laden gerne Leute ein und machen auch mal Gartenpartys mit 25 Leuten mit allem Pipapo. Warum nicht mal die Club-Treff-Tradition aufleben lassen und einen Versuchsballon starten mit einem kleinen, aber feinen Club-Treff? Und dann habe ich andere gefragt, wie meinen Bruder Armin oder Thomas, Schmidt, früher Kassenwart beim SFCW, und sie waren auch sofort Feuer und Flamme. Der Termin steht seit Januar fest: 6. und 7. September 2025, mit einem VorCon am Freitagabend. Das Programm nimmt auch Formen an. Es können auch externe kommen, wenn sie sich rechtzeitig melden.
Uns geht es drum, den alten Spirit aufleben zu lassen. Früher waren SFCW-Club-Treffs Katalysatoren für weitere Aktivitäten und haben die Leute zusammengeschweißt. Und alle fühlten sich super nach so einem Wochenende.
Ich habe einige SFCBWler als recht intelligent in Erinnerung, mal unabhängig davon, wo sie politisch standen und stehen. Auf dem Club-Treff werden sicherlich auch die politischen und sozialen Verhältnisse diskutiert. Ob wir jetzt einen speziellen Programmpunkt dazu machen, weiß ich nicht. Als SF-Fan kannst Du nicht die Probleme der Welt lösen, aber man kann sich darauf vorbereiten und die Lage besser verstehen. Das Fandom, wie wir es kannten, existiert meiner Meinung nach nicht mehr, so wie die SF-Programme der Verlage nicht mehr existieren.
Engagierte SF ist Mangelware geworden und wenn, wird sie nicht mal so gekennzeichnet. Man nehme nur den Roman der aktuellen Ursula-K.-LeGuin-Preisträgerin. Bei der Vorstellung des Romans Es währt für immer und dann ist es vorbei von Anne de Marcken, der Ende März erscheint, erwähnt der deutsche Verlag Suhrkamp zwar den Preis, macht scheint`s um den Begriff „Science Fiction“ aber einen riesengroßen Bogen.
Und da Du die SF-Bubble ansprichst. Durch das nur noch rudimentär vorhandene Fandom ist die SF-Bubble meiner Meinung nach quasi nicht mehr in relevanter Größe existent. Es gibt zwar noch viele Konsumenten, aber wer sich mit Fantastischem beschäftigt, liest heutzutage vor allem voluminöse Unterhaltung aus dem Gerne Romantasy.
Damals hätte ich mir nie vorstellen können, jemals aus dem Fandom oder dem SFCBW zu „verschwinden“. Aber selbst mir ist das dann doch passiert. Das Leben kam in die Quere. Deshalb bin ich mit meinen Wünschen heutzutage vorsichtiger. Ich würde mir wünschen, dass SFCBW und BWA noch einige Jahre existieren und dass die aktuelle Phase der Aktivität noch lange anhält. Ein 50jähriges Jubiläum feiern zu können, wäre schon cool.
M.E.: Matthias, ich hab dich mit diesem Interview kurz vor Quaralsende und damit in einer letzten stressigen Phase vor Erscheinen des neuesten ALFONZ erwischt. Vielen Dank, dass du dir trotzdem so cool die Zeit dafür genommen hast.