... Armin Hofmann über den SFCBW, BWA, BNF und Bubbles
... Armin Hofmann über SFCBW, BWA, BNF und Bubbles
Als dann zwei Jahre später, buchstäblich bei mir zu Hause in Weil am Rhein/Märkt, jenes fünfte SFCBW-Treffen stattfand, das von MaHo ausrichtetet wurde und später als GülleCon in die Club-Geschichte einging, hat es mich vollends erwischt. Plötzlich fand ich mich in einer kreativen Suppe wieder, bestehend aus komischen Leuten, die sich Wichtl, RaMa oder Bertl nannten und sich mitunter als Erzengel oder Punisher bezeichneten. Der eine konnte zeichnen, der andere hatte einen erlesenen Musikgeschmack und der dritte schrieb düstere Gedichte und entpuppte sich gar als Zauberer! Eine hyperaktive Mischung aus SF-Freaks, die einerseits Perry Rhodan liebten oder hassten, andererseits die Gebrüder Strugazki entweder genial oder zum Eischlafen fanden. Man bekam die ganze Bandbreite um die Ohren gepfeffert: vom Ultra-Trash bis zur Hochliteratur und das beste war, dass alles nicht so ernst genommen wurde und man jede Menge Spaß haben konnte. Und jeder war irgendwie am werkeln, diskutieren und rumreisen. Das hat mich schon sehr fasziniert. Das kann man wohl sagen: ‚hineingeraten‘! Das bin ich tatsächlich - und zwar im Jahr 1987 durch Big Brother MaHo, der damals schon auf dem Weg zum BNF (Big Name Fan, für die, die diese Abkürzung noch nicht kennen) war und im Fandom bereits erste schöpferische Spuren hinterlassen hatte, u.a. im Vorstand des SFCBW als Archivar. Mein ehemaliger Schulfreund Heiko Kaminski mischte ebenfalls seit einem Jahr als Kassenwart mit. Ich beobachtete das bunte Treiben in dieser eigenartigen Parallelwelt schon eine ganze Weile mit wachsendem Interesse, nachdem ich bereits 1984 erste Con-Luft auf einem Perry Rhodan Buchmesse-Treff in Frankfurt geschnuppert hatte.
Eine lustige Anekdote? Naja, wir sind bei meiner ersten SFCBW-Nachtwanderung im Dunkeln palavernd bis zu den Knöcheln im Morast versunken! Daraus ist dann nachträglich die Bezeichnung GülleCon entstanden. Ein Beweis dafür, dass die SFCBWler schon damals einen an der Klatsche hatten! Naja, zumindest ein Teil von uns. Die Anarcho-Fraktion!
: Was mir besonders gefällt ist, wie hartnäckig hier ein kleiner, kreativer Lebensraum gehegt und gepflegt wird, der scheinbar allen Widrigkeiten trotzt. Egal wie digital und schnelllebig die Welt geworden ist, wie scheinbar mühelos und professionell heute Publikationen gemacht werden können, dieser Club ist immer noch am Start und haut Monat für Monat seine fotokopierte Clubzeitschrift raus, die man konkret anfassen und sammeln kann. Und die thematische Bandbreite, die mir damals schon so gefiel, ist immer noch spürbar: Die Leute beschäftigen sich mit Rhodan, Star Trek, Fantasy, Star Wars, Wissenschaft, Philosophie, Film, Politik und blicken gerne auch mal über den Tellerrand des geliebten Genres hinaus. Das finde ich sehr erquicklich.
Was fehlt sind natürlich die Clubtreffs, aber da zeichnet sich glücklicherweise Licht am Horizont ab. Und im BWA vermisse ich zwei Features, die damals immer sehr spannend waren: den SFCBW-Lesezirkel und den Story-Wettbewerb, beides tolle Möglichkeiten aktiv zu werden und Meinungen auszutauschen. Beides würde ich gerne wieder aktivieren.
Früher gab es jahrelang eine Diskussion über die sogenannte ‚Cluböffnung‘, als die Mitgliedschaft noch auf Baden-Württemberger*innen beschränkt war und damals war ich natürlich dafür. Das ist zwar nun Schnee von gestern, aber heute fände ich es interessant, neben der allgemeinen Beschäftigung mit der SF, das BaWü-Fandom als Nische unter die Lupe zu nehmen, sprich versuchen aufzuarbeiten, was sich in der Geschichte des deutschen Fandoms spezifisch in Baden-Württemberg abgespielt hat. Immerhin hat sogar der einzige deutsche WorldCon ausgerechnet im ‚Ländle‘ stattgefunden (der HeiCon 1970 in Heidelberg). Das wäre dann ein ambitioniertes und wohl eher langfristig anzulegendes Projekt, das vielleicht auch Stoff für einen SFCBW-Sonderdruck hergeben könnte.
Ich erinnere mich auch noch dunkel an Deinen „SFCBWler-Service“, bei dem Du aktuelle Infos über das Fandom (und darüber hinaus) zusammengetragen hattest. So etwas als regelmäßige Sparte im BWA fände ich ebenfalls toll (Fuck the Internet!) und könnte für neue und alte Mitglieder interessant sein. Man könnte sich dabei die Arbeit teilen: alle können Infos einschicken und der Redax montiert diese dann zu einer regelmäßigen News-Sparte zusammen.
Etwas Abwechslung würde ich mir auch in der Cover-Gestaltung wünschen. Auch wenn die KI-Titelbilder von Angelika immer schön anzuschauen sind, fände ich es toll, wenn verschiedene Leute Titelbilder kreieren oder der Redakteur Cover aus diversen Quellen organisieren könnte.
Gute Frage! Es ist ja so: bevor ich wieder in den Club eintrat, bin ich nach Feierabend immer gelangweilt rumgesessen und habe mich gefragt, was ich mit meiner Zeit anstellen sollte. Ich habe meine Socken zusammengerollt, die Pflanzen gegossen, dann habe ich mich ans Fenster gesetzt und hinausgestarrt. Hmm, es muss doch noch mehr im Leben geben als Arbeit und rumhängen!
Aber im Ernst: ich dachte wirklich, ich hab’s hinter mir. Oskar, die GAFIA-Ratte hatte mich verschlungen, aber in all den Jahrzehnten offenbar nicht geschafft, mich zu verdauen. Jetzt hat mich der Nager wieder ausgespuckt, weil ich mich daran erinnert habe, wie lustig es damals zuging.
Warum ich für einen solch mikroskopisch kleinen Club Zeit opfere? Ich glaube es liegt daran, dass alles so zwanglos zugeht und man niemandem etwas beweisen muss. Und mir gefällt die Mischung aus Eskapismus und kritischer Reflektion im Club. Ein bisschen vermisse ich das „kreative Chaos“ von damals, aber auf der anderen Seite bin ich selbst älter und gesetzter geworden (hüstel…) und anderseits: was nicht ist, kann ja noch (oder wieder) werden!
Definitiv nicht. Wie weiter oben schon erwähnt finde ich gerade die Mischung aus unterhaltsamen und ernsten Themen erstrebenswert. Und zu den ernsten Themen gehört gerade jetzt die sich ändernde Weltordnung. Als ich damals aus dem Club ausgestiegen bin (Anfang 1995) hätte man sich in den schlimmsten Träumen nicht vorstellen können, dass wir die USA einmal nicht mehr als Schutzmacht an unserer Seite haben könnten. Oder schlimmer noch, dass sich US-Politiker sogar nachhaltig gegen westliche, demokratische Werte wenden könnten. Dabei haben gerade wir als SF-Fans doch warnende Dystopien wie 1984 oder THE HANDMAID’S TALE gelesen, und selbst das banale Action-Kino hat uns mit den MAD MAX-Filmen vor Augen geführt, wie die Endstufe unserer Zivilisation im schlimmsten Fall aussehen könnte.
Damals hätte man sich auch nicht vorstellen können, dass es so etwas wie Social Media geben würde und schon gar nicht, wie sehr sich dadurch Aufruhr und Destabilisierung generieren lässt. Damals waren Neo-Nazis marginale Spinner, die sich nicht artikulieren konnten oder selbst disqualifizierten, wenn sie nur das Maul aufgemacht haben. Heute dominieren sie fast ganz Ostdeutschland und sind auf Bundesebene zweitstärkste politische Kraft.
2019 habe ich mit meiner Firma brave new work KLEINE GERMANEN herausgebracht. Darin geht es um Kinder, die in rechtsextremen Familien aufwachsen. Heute habe ich das Gefühl, dass aus diesen ‚kleinen Germanen‘ allmählich ‚große Germanen‘ werden, gerade wenn man sich anschaut, wie viele junge Youtuber und TikToker im Netz rechte Propaganda machen und gegen ‚Wokeness‘ hetzen. Du hast das Thema in Deinen letzten beiden Kurzgeschichten auch aufgegriffen und ich glaube, es dürfte wohl unsere größte Herausforderung werden, sich diesem Ungeist entschieden entgegen zu stellen, gerade weil er nicht nur aus Deutschland kommt, sondern aus immer mehr Ländern: Russland, USA, England, Frankreich, Ungarn, Türkei, Italien. Von Ländern wie China und dem Iran ganz zu schweigen. Das hat nicht nur mit Faschismus und Rechtsextremismus zu tun; für mich ist das eine Zusammenballung von Machtgier und Egoismus, die in seiner ganzen erschreckenden Bandbreite – vom religiösen Fanatismus bis zur narzisstischen Oligarchie – auf uns zurollt.
Sich allein in seiner kleinen SF-Bubble zu bewegen, hilft da kaum weiter, aber ich sehe das auch positiv. Die SF war schon immer ein guter Nährboden für kritische Gedanken. SF-Fans haben sich schon immer viele Gedanken gemacht, wohin sich unsere menschliche Gesellschaft entwickeln könnte. Der Mikrokosmos SFCBW kann das auch wiederspiegeln und die Diskussion weitertragen, sowohl im BWA als auch auf Clubtreffs oder auf Conventions. Jeder einzelne ist gefragt, wenn es darum geht etwas zum Positiven zu verändern, sei es als SF-Fan oder ganz allgemein als Mensch.
Ich würde mir wünschen, dass es diesen Laden auch in 25 Jahren noch gibt und ich das BWA 1000 noch erlebe!
- - dabei handelt es sich um keinen Geringeren als Matthias Hofmann, den Mitherausgeber des Comic-Magazins ALFONZ, der im Rahmen dieser Interview-Reihe ebenfalls noch interviewt wird.
- = Big Name Fan.
- = Gemeint ist hier Angelika Herzog, die im Rahmen ihrer SFCBW-Mitgliedschaft und neben ihrer Autor*Innentätigkeit (als Jott Fuchs) seit längerem schon sämtliche BWA-Cover liefert, meist unterstützt von KI/Midjouney. Auch sie wird in dieser Reihe noch via Interview vorgestellt.
- = Zugegeben, von Oskar, der Gaffia-Ratte, lese auch ich zum ersten Mal. Aber GAFFIA beschrieb schon zu einer Zeit, als die Jüngeren unter uns noch sogenannte „Schreibmaschinen“ und „Telefonzellen“ kannten, jene Lebensphase, in der man sich für zu „reif“ fürs Fandom fühlte und dieses knallhart hinter sich ließ. Oft, um ein BWL-Studium/FH in eine seriöse Karriere im Bereich Banken und dergleichen umzumünzen. Ein besonders beliebter Ex-SFCBWler schaffte sogar den Sprung in ein Inkassounternehmen. Wie man hört, ist er nicht glücklich.
- = alias Jose´Vicente Ramos, hat sich in seiner GAFFIA-Zeit seinen Lebenstraum vom eigenen Buch erfüllt: BLACK NOISE: 7 Dunkle Geschichten, herausgegeben zusammen mit Ex-SFCBWler Gerd Rödiger, gibt`s noch als E-Book-Ausgabe bei Amazon. Ebenso Gerd Rödigers Science Fiction Collection CRAWLER. Jose´ ist kürzlich wieder in den SFCBW eingetreten.