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Ringo´s Plattenkiste - Mike Batt & The London Symphony Orchestra - Schizophonia

Ringo´s Plattenkiste Mike Batt & The London Symphony Orchestra - Schizophonia

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -
Einzig und allein.

Ringo´s Plattenkiste„Heute geht es um Musik von Plüschtieren“, könnte man sagen, allerdings ist das etwas weit hergeholt. Die Plüschtiere sind nämlich keine, sie waren es mal. Da mir jetzt vermutlich niemand folgen kann, hole ich etwas weiter aus. Wie üblich.

Ringo´s PlattenkisteDer britische Musiker, Komponist und Dirigent Mike Batt war ein solches Pseudo-Plüschtier und erblickte am 6. Februar 1949 in Southampton das Licht der Welt. Bevor er mit 18 die Schule verließ, spielte er als Pianist, Organist Cover-Versionen von Songs der damals populären „Beatles“, der „Rolling Stones“ oder der „Kinks“ in diversen Schülerbands, die zwar auf Hochzeiten und in Jugendclubs spielten aber nie eine Platten aufgenommen haben. Das änderte sich 1966, als er Mitglied der Band „Phase 4“ wurde, die eine Single auf den Markt brachten: „What Do You Say About That“. Moderater Psychedelic-Rock, zwar sehr melodiös und eingängig, aber leider nicht erfolgreich. Batt war – um sich über Wasser zu halten -  als Musiker in einer Strip-Bar tätig und  schrieb Jingles für Guinness und Smarties. Er war auch Sänger des Duos „That Lady's Twins“. Der umtriebige Batt tingelte unermüdlich von Musikverlag zu Musikverlag, um dort seine Songs anzubieten. Per Zeitungsannonce wurde er schließlich auf das Label „Liberty“ aufmerksam, die einen Honorarkomponisten suchten. Das schien genau das Richtige für ihn zu sein!

Kurze Zeit später avancierte er vom Lohnschreiber zum „Artist & Repertoire Manager“ bei Liberty-Records und veröffentlichte auch seine ersten Singles. Nebenbei produzierte Batt die LP „Hand me down my old walking stick” des amerikanischen Bluesveteranen Big Joe Williams, sowie das Debüt Album „Scratching the Surface” der Groundhogs; außerdem schrieb er Streicher-Arrangements für die Family-LP „Music in a doll's house”. 1969 war er dann auch noch Keyboarder bei der Avantgarde-Band „Hapshash & The Coloured Coat“. Viel Freizeit war da wohl nicht drin.

Ringo´s PlattenkisteBatts Gastspiel bei Liberty war aber nur kurz, denn  bereits 1970 verließ er das Label wieder und gründete einen eigenenMusikverlag, dem das Mike Batt Orchestra (MBO)folgte. Inzwischen hatte Batt nämlich sein Faible und Talent für klassische Arrangements und Orchestrierung entdeckt. Mit seinem MBO spielte er mehrere Alben in ein, auf denen er bekannte Songs im Orchestergewand präsentierte. Den Anfang machte „Batt Tracks“ die eine Art orchestrale Anthologie darstellte, gefolgt von der Reihe „Portrait of…“, der jeweils ein Album mit Songs einer einzigen Band, bzw. eines einzigen Interpreten in klassischem Gewand präsentierte. Innerhalb von 2 Jahren erschienen stolze 6 Alben mit Neuinterpretationen von Bob Dylan, George Harrison, Elton John, Rolling Stones, Simon & Garfunkel und Cat Stevens. Die Reihe war von Anfang an auf Kommerz ausgelegt (wie eigentlich alles aus seiner Feder)und daher musikalisch wenig anspruchsvoll. Für Batt waren diese Alben aber nicht allein zum Geldverdienen da, sie dienten auch als eine Art Spielwiese, um seine Fertigkeiten als Arrangeur und Dirigent im klassischen Bereich zu verbessern, die er sich weitgehend selbst angeeignet hatte.

Der Autodidakt Batt war nicht nur ein unermüdlicher  Workaholic, sondern auch ein musikalisches Naturtalent. Klassik war genau sein Ding und genau das machte er auch weiter. So steckte er 1973 eine hohe Summe in ein geplantes Album, das eine Synthese aus hartem Rock und Klassik darstellen sollte, das aber – nur zur Hälfte fertiggestellt – nie erschien.

Batt produzierte danach ein Album mit dem Titel „Yoga for Health“, das als Hintergrundmusik für Yoga dienen sollte, sowie zwei Platten unter dem Pseudonym „Synthesonic Sounds“, das Coverversionen von Filmmusik und Folksongs beinhaltete, die er mit dem Synthesizer einspielte. Klingt recht progressiv und bahnbrechend, war tatsächlich aber reine Geldmacherei. Die Synthie-Sounds sind billig, die Arrangements kommerziell und auf den Massengeschmack ausgelegt. Zwar technisch versiert, aber musikalisch unbedeutend. Irgendwie musste Batt aber seinen finanziellen Verlust wieder herein holen.

Langsam nähern wir uns nun aber endlich dem eingangs erwähnten Thema Plüschtier. 1973 wurde eine überaus erfolgreiche Kinderserie nach den Büchern der Engländerin Elisabeth Beresford ausgestrahlt, deren Hauptfiguren knuffige und liebenswerte Phantasiegeschöpfe waren: die Wombles, im damals üblichen Stop-Motion-Verfahren für die Flimmerkiste zum Leben erweckt. Der umtriebige Mike Batt schrieb und sang den Titelsong ein und sicherte sich die Rechte zur musikalischen Verwertung der Figuren. Das tat er nicht ohne Grund, denn der schlaue Bursche stellte eine Band zusammen, mit der er Womble-Songs aufzunehmen gedachte. Als besonderen Clou sollten die Musiker tatsächlich als Wombles verkleidet auftreten! Was bescheuert klingt, war tatsächlich eine grandiose Idee. Die Kostüme schneiderte übrigens Mikes Mutter.

Die Band bestand hauptsächlich aus alten Bekannten:
•    Orinoco (Mike Batt) – vocals, piano
•    Wellington (Chris Spedding) – lead guitar
•    Tomsk (Les Hurdle) – bass
•    Bungo (Clem Cattini) – drums, percussion
•    Tobermory (Simon Chandler-Honnor) – piano, keyboards
•    Madame Cholet (Rex Morris) – saxophone
•    Great Uncle Bulgaria (Paul Peabody) – violin

Ringo´s Plattenkiste1973 erschien das erste Album „Wombling Songs“ mit der ausgekoppelten Single „The Wombling Song“, die Platz 4 der britischen Charts eroberte und sich knapp ein halbes Jahr in der Hitparade herumtrieb. 1974 erschien die zweite Single, die auch in Deutschland recht populär wurde: „Remember You're A Womble". Dieses Jahr war auch der Höhepunkt der Band. Satte sieben Singles und 2 Alben wurden auf den Markt geworfen und ganz Europa war im Wombles-Fieber! Im legendären 19. Eurovision Song Contest dieses Jahres trat die Band während der Pause bis zur Jury-Entscheidung auf. Sieger wurde damals eine bislang wenig bekannte Schwedische Band mit dem Song „Waterloo”. 1975 erschienen ein weiteres Womble-Album und 4 Singles, dann war das Konzept ausgereizt. Mike Batt hatte seine Schäfchen im Trockenen und genügend Geld für seine weiteren Projekte zusammen. Die Wombles wurden eingemottet, und Batt produzierte erstmal fleißig weiter andere Künstler wie z.B. Steeley Span oder Elkie Brooks. 1977 arbeitete er sogar für die gestandenen Progger Jethro Tull. So produzierte er auf (drängenden) Wunsch des damaligen Band-Labels eine kommerziellere Neuaufnahme des Songs „Ring out, Solstice Bells“, der als Single ausgekoppelt werden sollte. Batt gefiel der Titel nicht besonders und machte kurzerhand „Magic Bells„ daraus. Auch Andersons Original-Arrangement missfiel ihm und wurde geändert, ebenso wie der Rhythmus des Songs. Kurzerhand zwängte Batt die 7/4-Komposition in ein 4/4 Korsett. Anderson fügte sich, was ein wenig verwundert.

Im selben Jahr hatte Batt dann endlich auch seine große Stunde als eigenständiger Musiker und Komponist und konnte endlich seinen Traum eines Rockalbums mit klassischem Orchester erfüllen in Form einer Zusammenarbeit mit dem renommierten London Symphony Orchestra. Er arbeitet bereits seit 1975 an diesem Projekt, das er aber immer wieder unterbrechen, bzw. aufschieben musste.

Mike holte sich für die Aufnahmen erneut einige Mit-Wombles und Freunde ins Studio. Unter anderem fanden die Sessions im renommierten CTS-Studio statt, wo bereits Größen wie Frank Sinatra, Nilsson, Andrew Lloyd Webber, Renaissance und Lou Reed aufgenommen hatten. Produzent war natürlich Orinoco selbst. An den Reglern saßen Mike Thompson und Tim Friese-Greene. Thompson war ein erfahrener Studiomann, der schon für P.J. Proby und Steeley Span gearbeitet hatte. Von daher kannte er wohl auch Mike Batt. Friese-Greene war ein eher unbeschriebenes Blatt, sollte aber später durch seine Arbeit mit Talk Talk bekannt werden.

Die Besetzung sah aus wie folgt:
•    Mike Batt: Keybords, Accordion and Vocals
•    Chris Spedding: Guitars
•    Les Hurdle: bass
•    Clem Cattini: Drums
•    Alan Parker: Guitars
•    Ray Cooper: percussion

Ringo´s PlattenkisteSpedding war ein alter Hase und ein langjähriger Bekannter Batts. Anfang der Siebziger spielte er in eher unkonventionellen Bands wie z.B. Ian Carr`s Jazz-Rock-Combo Nucleus mit. 1974 baten ihn die Rolling Stones die Nachfolge Mick Taylors an, doch Spedding lehnte ab. Internationale Bekanntheit erlangte er mit seinem 1975er Hit „Motor Bikin“. Kurze Zeit später produzierte er die ersten Demo-Aufnahmen der „Sex Pistols“. Bis heute halten sich die Gerüchte, dass er auf 3 Tracks deren Debutalbum den Bass zupfte. Spedding war ebenfalls unter dem Namen „Wellington“ Mitglied der Wombles.

Auch Bassist Les Hurdle war ein alter Bekannter, er spielte beispielsweise im MBO mit, war aber auch als Gastmusiker bei Aufnahmen von Lou Reed und Mama Cass Elliot. Hurdle war der „Tomsk“ bei den Wombles.

Ringo´s PlattenkisteClem Cattini war in den Sechzigern Mitglied der legendären „Tornados“, die durch ihren Hit „Telstar“ berühmt wurden. Danach profilierte er sich als gefragter  Studiomusiker, der unter anderem mit Graham Gouldman (10cc), P.J. Proby, MBO, Daniel Boone. Lou Reed und den Bee Gees gearbeitet hatte. Cattini war Ende der Sechziger für kurze Zeit Kandidat für die Stelle des Drummers bei Led Zeppelin. Cattini war der Womble namens „Bungo“.

Alan Parker war in den Sechzigern Gitarrist der damals sehr erfolgreichen Combo „Blue Mink“ und spielte ebenfalls mit Batt in seinem Projekt „Mike Batt & Friends“.

Ray Cooper war zuvor für Mama Cass Elliot, das MBO und Elton John tätig. Auch er war Mitglied von Blue Mink. Die sechsköpfige Band „Blue Mink“ waren Ende der Sechziger bis in die Siebziger sehr erfolgreich, so konnten sie 6 Singles in den internationalen Charts plazieren.

Ergänzt wurde das Ensemble durch eine Schar Gastmusiker:
Roger McKew, Rick Kemp, Seoud Islam, Anthony Camden, Chris Karan, Richard Studt, Warwick Hill,  Herbie Flowers, Les Thatcher,  BJ Cole, John Fiddy, Terry Cox, Kenny Jones, Chris Gent, Toose Taylor.

Nicht zu vergessen das London Symphony Orchestra, das vom Oberwomble dirigiert wurde.

Ringo´s PlattenkisteDas fertige Album erschien 1977 unter dem schmissigen Namen  „Schizophonia“ im schicken Gatefold-Cover mit ansprechendem und anspruchsvollem Coverdesign. Die Vorderseite zeigt ein surrealistisches Gemälde, das unweigerlich an die Werke des Belgiers Rene Magritte denken lässt, aber nicht von diesem stammt. Das Puzzle-Motiv wird im Innenteil des Albums wieder aufgegriffen und variiert. Die Rückseite zeigt eine Photographie von Mike Batt. Die Gemälde des Covers und des Innenteils stammen von Michael Hasted, der eigentlich Photograph war, und kein Maler. Hasted begann in den Siebzigern mit der Malerei und ahmte den Stil Magrittes auf fast schon unverschämte Art und Weise nach.

Ringo´s PlattenkisteHier die Tracklist des Original-Albums:
Seite 1:
•     The Ride To Agadir
•     Berber's Prayer
•     The Walls Of The World
•     Insh'Allah

Seite 2:
•     The Fires Of Rabat
•     It Seemed Like A Good Idea At The Time
•     Bourrée
•     Railway Hotel
•     Voices In The Dark
•     Don't Let Me Be Misunderstood

Nehmen wir die Songs mal wieder etwas unter die Lupe.

Den Anfang macht „The Ride To Agadir“, ein mitreißender Song über den Freiheitskampf der Marokkaner unter Mohammed V. Die erste Minute des Songs ist a capella, erst dann setzt die eigentliche Musik ein, bombastischer Klassik-Rock mit Oboen, Tablas und der unverwechselbaren Gitarre Speddings, kongenial begleitet vom Orchester. Mit seinen über 6 Minuten ist diese hymnische und symphonische Komposition die längste des Albums und gibt thematisch auch den Ton der ersten Plattenseite an.

Der Song ist ein glänzendes Beispiel für eine perfekt gelungene Synthese aus Klassik, Rock und arabischer Folklore. Roger McKew spielt zusätzliche Gitarrenparts, Rick Kemp (Steeley Span-Bassist) spielt ein kurzes Fiddle-Solo, Anthony Camden ist an der Oboe zu hören und die beiden klassischen Musiker Richard Studt und Warwick Hill spielen ein Violinen-Duett. Die Tablas stammen von Chris Karan, der früher auch kurz bei „Nucleus“ war. McKew war später übrigens Dauergast in Shakin Stevens Begleitband.

„The Ride To Agadir“ fand ein Jahr später Verwendung als Filmmusik des Streifens „Caravans“. Dessen Produzent Elmo Williams war von dem Song so begeistert, dass er Mike Batt für den kompletten Soundtrack verpflichtete. 1981 wurde „Ride“ dann von Boney M. gecovert. Die Version ist durchaus hörbar, obwohl die  von Pink Floyd`s entliehenen Gitarrentöne ein wenig aufgesetzt wirken. „Ride“ wurde auch als Single ausgekoppelt, mit „Walls of the world“ auf der B-Seite.

„Berber's Prayer“ setzt das begonnene Thema „Marokko“ nahtlos fort. Es handelt sich um ein kurzes klassisches Instrumental, ganz ohne Rockinstrumentarium. Der Sound ist pathetisch und ein wenig unheilschwanger. Die in den Credits erwähnten „Spoken Words“ von Seoud Islam befinden sich ganz am Anfang, sind akustisch aber kaum wahrnehmbar.

Der nächste Song, „Walls of the World“, fällt musikalisch aus der Reihe, da es sich um eine ruhige und melodiöse Ballade handelt. Batt singt von der aufrichtigen Liebe zu einem übergeordneten Wesen (Allah?), dessen Namen er aus grenzenloser Überzeugung an jede Wand zu schreiben gedenkt. Im Kontext mit der Thematik der Plattenseite 1 vermute ich, dass der Song tatsächlich dem Glauben der Marokkaner und Berber gewidmet ist, denn schon im Nächsten Track „Insh Allah“ geht es um Gottes Willen: Insh'Allah – so Gott will! Der Song greift das musikalische Klangbild des ersten Songs nicht nur wieder auf, sondern entwickelt es weiter. So entsteht ein eingängiger und knalliger Rocksong, garniert mit Orchester und Tablas. Der Song ist nicht ganz so überzeugend wie der Opener, aber dennoch gelungen, obwohl die Komposition am Anfang etwas schwächelt. Dafür wird man dann aber musikalisch umso mehr verwöhnt, wenn Batt sein Orchester in arabische Gewänder hüllt und durch die Lautsprecher hetzt. Kompositorisch könnte man hier fast von einer Art kurzer Suite sprechen, denn die einzelnen Parts des Songs sind sehr unterschiedlich.

Plattenseite 2 setzt den musikalischen und thematischen Trend der ersten Seite mit dem Instrumental „The fires of Rabat“ fort, einer weiteren, eindrucksvollen Synthese aus Klassik und Rock. Das Thema „Marokko“ ist damit leider schon zu Ende, und Batt wendet sich something completely different zu.

„It Seemed Like A Good Idea At The Time“, stellt nämlich eine deutliche und krasse Abkehr vom bisherigen Konzept dar. Musikalisch ist der kurze Song dem Swing zuzuordnen und wäre perfekt für eine Hollywood-Romanze der 50er Jahre geeignet. Das Rock-Ensemble macht weitgehend Pause und überlässt dem LSO das Ruder, das zuckersüße und schmachtende Violinenwolken hervorzaubert. Der Text ist ein wenig sarkastisch. Batt besingt einen Mann, der Haus und Hof in einem Spielcasino verzockt hat und nun völlig mittellos dasteht.

Auf „Bourrée“ frönt Batt seiner Liebe zur Klassik, genauer gesagt, zum Barock. „Bourree“ ist eine Adaption Johann Sebastian Bachs, sparsam in Szene mit kleinem Orchester gesetzt, das nach einem kurzen, mehrstimmigen Vokalpart zum Tanz aufspielt. Ganz nett, mehr aber auch nicht.

Weiter geht es mit „Railway Hotel“, einer melancholischen Ballade in dezentem 4/4-Takt über einen Mann, der seiner Liebsten fürs Schäferstündchen leider nichts Besseres als eine Bahnhofsabsteige bieten kann. Spedding klampft auf seiner Akustikgitarre und wird vom LSO mit schmachtenden Violinen und Anthony Camden am Englischhorn begleitet. Insgesamt ein sehr schöner und eingängiger Song mit Hitcharakter, deshalb wurde er auch als Single veröffentlicht.

Den Abschluß der Platte bildet eine kleine Suite. „Voices In The Dark“ ist eine rhythmische Rocknummer, die hauptsächlich von Speddings Gitarre und dem Wechselspiel der rockigen Parts und dem ruhigen Refrain lebt. Der Song geht nach ungefähr 4 Minuten nahtlos in „Don't Let Me Be Misunderstood „ über, einer Coverversion eines tollen Bluessongs, der ursprünglich von der legendären Nina Simone eingesungen wurde, später dann durch die „Animals“ und der Discoband „Santa Esmeralda“ Berühmtheit erlangte. Batts Version ist zwar gelungen und hat sogar einen kleinen Gänsehautfaktor, fällt aber tatsächlich gegen die Santa Esmeralda-Version deutlich ab. Witzig ist Batts kurze Einlage am Akkordeon, während seine gesangliche Bemühungen, wie ein Bad Guy zu klingen nicht überzeugen. Der Song wurde auch als Single ausgekoppelt, mit „Sinking Like A Stone“ auf der B-Seite, einer faden Ballade, die auf dem Album“ nicht enthalten ist.

Und dann ist „Schizophonia“ zu Ende.

Das Album war in Europa recht erfolgreich und die ausgekoppelten Singles fanden sich auch in den Top 100 wieder. Zu einer Zeit, da bombastische Rockmusik aber eigentlich schon passe war, stellte das Album aber einen Anachronismus dar. Klassik-Rock war ja eigentlich schon passe, Bombast auch.

Zwar kam die Platte auch vordergründig recht ambitioniert und progressiv daher, war aber dennoch deutlich kommerziell ausgerichtet. Batt schielte eben immer auch nach den Charts.

„Schizophonia“ ist leider auch nur ein halbes Konzeptalbum, da sich nur die ersten fünf Songs mit dem Freiheitskampf der Marokkaner in den Fünfzigern beschäftigen. Und genau diese  Nummern überzeugen auch bei weitem mehr, als die bunt gemischten restlichen Songs, die thematisch und musikalisch ein wenig zu breit gefächert sind und irgendwie nicht recht zueinander passen.

Mich sprach das Album seinerzeit durch sein Cover an, so dass ich es unverzüglich erwarb und zuhause auf den Plattenteller legte. Mein damals teenagerhafte Musikgeschmack war zuerst begeistert, was sich aber schnell wieder legte, nachdem ich Seite zwei auflegte. Songs wie „It Seemed Like A Good Idea At The Time“ und „Railway Hotel“ waren so gar nicht nach meinem Geschmack. Und so war es kein Wunder, dass hauptsächlich Seite 1 lief.

Batt machte nach „Schizophonia“ munter weiter Musik und veröffentlichte noch viele Solo-Alben.

Ringo´s PlattenkisteWas wurde aus den Beteiligten?
Mike Batt etablierte sich mehr und mehr als gefragter Komponist und Produzent. So stammte z.B. ein Teil des Soundtrack zu „Watership down“ inkl. der Hit-Single „Bright eyes“ von ihm. „Bright eyes“ ist wohl auch sein größter Erfolg. Kennt jeder.
Es folgten weitere Solo-Alben, inkl. „Zero Zero“, zu dem eine Art Video-Musical entstand. Batt war als Produzent erfolgreich, ebenso wie als Arrangeur. So schrieb er einige wichtige Arrangements für Andrew Lloyd Webbers „Phantom der Oper“. Batt ist auch ein begeisterter Segler. In den Achtzigern führte er auf seiner 40m-Yacht eine Weltumseglung und mehrere Atlantik-Überquerungen durch. Inzwischen ähnelt er optisch mehr und mehr Donald Trump.

Chris Spedding zog nach New York und spielte für so unterschiedliche Musiker wie Nina Hagen, Joan Armatrading, Nick Mason und Roxy Music.

Clem Cattini rief in den Achtzigern die „Tornados“ wieder ins Leben und war als Studiomusiker für Cliff Richards, Andrew Lloyd Webber, Roy Harper und Jimmy Page tätig.

Les Hurdle spielte weiter als Studiomusiker und machte Werbejingles und musikalische Beiträge für diverse Sampler.

Alan Parker wandte sich in den Achtzigern dem Schreiben von TV- und Filmmusik zu, unter anderem für die Serie „Dempsey and Makepeace“, aber auch für Kinofilme wie „Jaws 3-D“, „American Gothic“ und „What's Eating Gilbert Grape“. Parker ist auch der Schwiegervater von Ben Miller. Kennt keiner? Miller spielte Inspektor Poole in der Serie „Death in Paradise“.

Ray Cooper arbeitete weiter als Studiomusiker, konnte sich aber in den Achtzigern auch im Filmgeschäft etablieren. So spielte er z.B. den Priester in Robert Altmans missglücktem Film „Popey“ Ringo´s Plattenkisteund wirkte in mehreren Produktionen Terry Gilliams mit. Cooper ist bis heute ein enger Begleiter von Elton John, den er auf seinen Tourneen begleitet.

P.S.: Die Plüschtiere.
Die Wombles wurden von Batt 2011 reaktiviert und spielten am 26. Juni live auf dem Glastonbury Festival. Veranstalter Michael Eavis distanzierte sich später davon und ließ gar verlautbaren, dass dies wohl keine so gute Idee gewesen sei.

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Kommentare  

#1 Cartwing 2021-12-13 12:38
Sehr interessanter Artikel.
Ich kenne hier tatsächlich nur Ray Cooper, den ich auch schon live erlebt habe und Batt selbst nur vom Namen her.

Und natürlich die Wombles, die ich als Kind eigentlich nicht mochte. Habe die Serie nur wegen Dieter Hallervorden gesehen, der ihr mit seiner Stimme einen ganz eigenen Charme verlieh.

Dass die Wombles auch Musiker waren, wusste ich nicht
#2 Toni 2021-12-15 17:28
Was, der hatte was mit den Wombles? Sehr interessant. Die müssen sich doch unter den Kostümen kaputt geschwitzt haben.
Batt war für mich ein extremer Leisetreter, wenn ich an Lady of the Dawn, Bright Eyes oder ...like Buddy Holly denke. Er hatte seine Zeit...
#3 El Supremo 2021-12-15 21:20
Von Mike Batt mag ich sehr The Hunting of the Snark. Großartig
#4 Ringo Hienstorfer 2021-12-18 13:50
Mike Batt hatte schon ein goldenes Händchen, ein bemerkenswerter Autodidakt. Aber als Mensch eher unsympathisch.

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