Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Ringo´s Plattenkiste - Violent Femmes - Hallowed Ground

Ringo´s Plattenkiste Violent Femmes - Hallowed Ground

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

Ringo´s PlattenkisteHeute geht es um Frauen. Genauer gesagt, um gewalttätige Frauen. Allerdings sind es gar keine Frauen, sondern eher gestandene Mannsbilder: Die Violent Femmes. Der Name der Band ist nicht wortwörtlich zu verstehen, sondern eher als Gag. Mit „Femmes“ bezeichnet man in der Heimat der Band  gerne Männer, die als  Weichlinge gelten. Schattenparker, Warmduscher oder Weicheier würde man in Deutschland sagen.

Die Violent Femmes aber sind nun keine Weicheier, sondern  ein Trio aus Milwaukee, das anfangs schrägen Akustik-Punkrock spielte, sich später aber musikalisch wandelte. Gegründet wurde die Combo 1981 von Gordon Gano, Victor DeLorenzo und Brian Ritchie.

Gano stammte ursprünglich aus New York, zog mit seinen Eltern aber mehrmals um, bis die Familie schließlich in Milwaukee landete. Milwaukee ist eine Großstadt am Lake Michigan, die ihren seltsam klingenden Namen den US-amerikanischen Ureinwohnern verdankt, die den Standort als heiligen Platz am See bezeichneten. Klar, dass sich die Siedler damals wenig darum scherten und den Ort mit ihrer neuen Stadt verschandelten.

Ganos Vater, ein Schauspieler mit ausgeprägtem Glauben, gründete in einem Vorort Milwaukees sowohl ein Laientheater, als auch eine Baptistengemeinde. Vaters Glaube und die danach ausgerichtete Erziehung  prägten den jungen Gordon zeit seines Lebens, wie später an seinen Lyrics zum Ausdruck kommen sollte. Vater Gano war aber auch sehr musikalisch und machte seinen Sohn schon früh mit einem breiten Spektrum US-amerikanischer Musik bekannt und brachte ihm das Gitarrenspiel bei. Gordon absolvierte die High School und arbeitet danach als Vertreter für Lexika. Nebenbei spielte er in einer Garagenband zunächst Coverversionen bekannter Songs, bevor er schließlich dazu überging, eigene Stücke zu schreiben.

Ringo´s PlattenkisteDrummer DeLorenzo, ebenfalls aus Milwaukee, spielte Schlagzeug seit seinem 16. Lebensjahr, war aber eigentlich mehr an Theater und Film interessiert. So war er beispielsweise Mitglied beim renommierten Experimental-Theater „Theatre X“, wo er den kurz zuvor ausgeschiedenen Willem Dafoe ersetze, den es nach New York zog. Die Femmes wurden von Victor und dem Bassisten Brian Ritchie gegründet, waren aber zuerst keine „richtige“ Band, denn sie spielten als Rhythmussektion für andere Musiker, bevor Gano zu ihnen stieß und das Line-up vervollständigte. Kurz darauf waren sie eine eigenständige Band. Die rein akustische Instrumentierung war spartanisch und minimalistisch. Gano spielte Akustikgitarre und sang, Ritchie zupfte einen dicken Akustikbass und DeLorenzo trommelte auf einer Tom-Drum, über die er einen blechernen Waschkübel stülpte, das so genannte Tranceaphone. Die Femmes konnten mit diesem Equipment leicht ohne großen Aufwand jederzeit und überall Konzerte geben, was sie auch taten. Bevorzugte Bühnen waren Cafes und Straßenecken. Und genau an einer solchen wurden sie schließlich auch entdeckt. Niemand geringerer als James Honeyman-Scott, der Gitarrist der damals recht populären Pretenders wurde 1981 auf das schrammelnde Trio aufmerksam, das Akustik-Punk spielte, was das Zeug hielt. Die Femmes lärmten vor dem Oriental-Theatre, in dem die Pretenders am Abend auftreten würden. Kurzerhand wurde das Trio dann von Chrissie Hynde eingeladen, ein kurzes Set nach der Vorgruppe zu spielen. Die Femmes kamen beim Publikum gut an, und kurz darauf wurde auch die Plattenindustrie auf sie aufmerksam. Das Independent-Label Slash bot ihnen einen Plattenvertrag an. Bei Slash waren unter anderem auch Die Misfits, Del Fuegos, Faith no More, The Gun Club und viele andere unter Vertrag. Illustre Kollegen also. Für ihr Debutalbum lieh DeLorenzos Vater der Band die nicht unbeträchtliche Summe von 10.000,00$.

Ringo´s Plattenkiste1983 erschien das Debutalbum dann, schlicht als „Violent Femmes“ betitelt. Auf der Platte sind 10 feine Perlen besten Akustik-Punks mit Ohrwurmcharakter.

Ringo´s PlattenkisteDas Cover ziert eine sehr schöne Photographie eines Kindes, das neugierig in das Fenster eines verlassenen Hauses schaut. Das Mädchen ist die damals dreijährige  Billie Jo Campbell, die vom Fotografen für 100,00 $ als Model angeheuert wurde. Der Fotograf brachte das Mädchen mit ihrer Mutter zu einem verlassenen Haus in Laurel Canyon und sagte ihm, dass sich in dem Haus Tiere befinden, die sie von außen sehen konnte.

Das Album verkaufte sich sehr gut und sollte das bestverkaufte Album der Band werden und bleiben. Die Femmes hatten sich in der Independent-Szene etabliert und waren gefragt. Ich möchte kurz erwähnen, dass in einer Folge der ersten Staffel von „Castle Rock“ ein Poster der Band im Zimmer der jungen Molly Strand hängt, und dass die Melodie von „Blister in the Sun“ für einen Werbespot im russischen Fernsehen missbraucht wird.

Die Femmes, musikalisch und optisch schräge Vögel, waren bald auch im Fernsehen präsent, wo sie z.B. von Howard Gernette in dessen Show „Milwaukee at twelve“ zu Gast waren und ernsthaft-brav die belanglosen Fragen des Gastgebers Howard Gernette beantworteten, und gar nicht registrierten, dass sie eigentlich nur vorgeführt wurden. „Da hat sich wohl jemand auf dem Weg ins Badezimmer verirrt…“, meinte Gernette süffisant zu Ganos damaliger Vorliebe, in Morgenmänteln aufzutreten.

Ringo´s PlattenkisteIm Januar 1984 begaben sich die Drei wieder ins Studio, um ein Nachfolgealbum aufzunehmen. Gewählt wurde Todd Rundgrens „Secret Sound Studio“ in New York. Rundgren war selbst Musiker und spielte in seiner Band Utopia Gitarre. Zudem war er ein sehr versierter Techniker und Produzent, der unter anderem Acts wie Hall & Oates, Harry Chapin und Meat Loaf`s „Bat out of Hell“ betreute. Rundgren zog 1996 ins wärmere Hawaii, setzte sich zur Ruhe und gab das Studio auf. Produziert wurde „Hallowed Ground“ erneut von Mark van Hecke, der auf dem Debut schon vertreten war. An den Reglern saßen John Tanner, der auf dem Album auch Klarinette spielte, sowie Warren Bruleigh.

Lt. Brian Ritchie waren alle Songs der beiden Alben bereits vor den Aufnahmen zum Erstling fertig, die Band entschied sich aber für die schlichteren, eingängigeren Songs für das Debüt. Die schrägen und ausufernden Kompositionen sparten sie sich für das zweite Album auf. Eine Zeit lang stand auch ein Doppelalbum mit allen Songs zur Debatte, wurde jedoch wieder verworfen.

Die Besetzung sah aus wie folgt:
Gordon Gano: lead Vocals, electric and acoustic Guitars, Fiddle
Brian Ritchie: Mariachi bass, electric Bass, slide Bass, Celeste, Marimba, Jews harp, Vocals
Victor DeLorenzo: Tranceaphone, Trap and electric Drum-Sets, Stompatron, Percussion, Vocals

Unterstützt wurde das gewalttätige Trio von:
Mark van Hecke: Piano, Organ
Tony Trischka: Banjo
Christina Houghton: Autoharp (Kastenzither)
Peter Balestrieri: Vocals
Cynthia Gano-Lewis: Vocals
Sowie einer Bläsersektion mit dem skurrilen NamenHorns of Dilemma, bestehend aus:
Peter Balestrieri: Tenor Sax, harmonica
Drake Scott: Cornetto, Sackbut (Barockposaune)
John Zorn: Alto Sax, Game Calls
John Tanner: Clarinet

Die „Horns of Dilemma“ waren keine gewöhnliche Brass-Sektion, die fertige Songs und Arrangements  einfach begleitete oder untermalte. Vielmehr durften sie sich weitgehend eigenständig einbringen und improvisieren. Die musikalischen Vorgaben waren spärlich, so bestand z.B. bei „Black Girls“ lediglich die Anweisung, so wild und abgedreht wie möglich zu spielen. Auch die Besetzung blieb nicht konstant und wechselte ständig.

Ringo´s PlattenkisteDas fertige Album erschien im Juni 1984 in schlichter Aufmachung mit einem hypnotischen Cover auf den Markt. Die Vorderseite zeigte eine düstere und unheimliche Fotografie einer Holzskulptur, die den Betrachter mit ihren starren Augen zu fixieren scheint.

Es handelt sich hierbei um eine Kopfskulptur der Milwaukee`er Künstlerin Mary Nohl, die sich dank eines großzügigen Erbes den Traum einer eigenen künstlerischen Welt erfüllen konnte. Sie schuf sich aus allerlei Materialien eine Art Traumwelt auf ihrem Grundstück, bevölkert von obskuren und fantasievoll gestalteten Figuren und Elementen

Ringo´s PlattenkisteDas Backcover zeigte eine Aufnahme der Band sowie die Credits und die Trackliste.

Das Album war musikalisch grundlegend anders als sein Vorgänger. Wo dort kurze, eingängige Songs und Punkeinflüsse den Sound bestimmten, dominierten auf dem Zweitling deutlich die Einflüsse US-amerikanischer Folklore und Country. Ein krasser Gegensatz also. Weiterhin unterschieden sich die Songs auch textlich. Gordon Gano verarbeitete in ihnen seine zutiefst religiöse Überzeugung, nicht unbedingt im Einklang mit den beiden anderen Musikern. Die teils stark christlich geprägten Texte Ganos wurden von der Mehrheit der Hörer auch falsch aufgefasst, da sie dachten, Gano meine das ironisch. Weit gefehlt! Da die beiden anderen Musiker überzeugte Atheisten waren, standen sie den Lyrics natürlich ablehnend gegenüber und weigerten sich zunächst auch sie zu spielen. Nach dem Erfolg ihres Debutalbums aber gaben sie schließlich doch nach. Brian Ritchie war noch stärker in seiner Ablehnung als DeLorenzo und war regelrecht aggressiv in Puncto Religion.

Hallowed Ground kam bei den Käufern nicht sehr gut an. Die Fans der Songs vom ersten Album mit ihren markigen und rotzigen Songs waren vor den Kopf gestoßen oder schlicht gar enttäuscht. Nein, das war nicht mehr der unbeschwerte Cow-Punk den sie kannten, sondern eine Country-Band auf Acid. Auch die Verkaufszahlen blieben weit hinter den Erwartungen zurück, was die Band aber nicht weiter störte. Vielmehr genossen sie ihren Ruf, unberechenbar zu sein.

Hier die Tracklist des Original-Albums.

Seite 1:
•     Country death Song
•     I hear the Rain
•     Never tell
•     Jesus walking on the water
•     I know it`s true, but i`m sorry to say
Seite 2:
•     Hallowed Ground
•     Sweet Misery Blues
•     Black Girls
•     It`s gonna rain

Sehen wir uns die Songs mal wieder ein wenig genauer an.

Country Death Song eröffnet die Platte mit einer tiefschwarzen Moritat über einen Mann, der aus purer Armut dem Wahnsinn verfällt und schließlich eine grauenvolle Untat begeht. Musikalisch ist der Song dem Genre Country zuzurechnen und ist dezent und sparsam instrumentiert. Nur Bass, Banjo und DeLorenzo`s minimalistische Drums begleiten Ganos Vortrag über geistigen Verfall und Kindermord. Der Song ist monoton, die Melodie einfach und stark rhythmusorientiert. In der Hälfte des Songs gibt es einen kurzen und wilden musikalischen Amoklauf der Instrumente, die sich aber bald wieder beruhigen und zu ihrem eingängigen 4/4-Takt zurückkehren. Düster und verstörend!

I hear the Rain ist mit 1 ½ Minuten der kürzeste Song des Albums. Ganos Gesang wechselt sich mit mehrstimmigen, teils kanonartigen Vokalpassagen ab, die vom Bassisten Ritchie eingesungen wurden. Ebenfalls von Ritchie wird die Marimba gespielt.

Never tell ist mit 7 Minuten der längste des Albums. Ein sehr schöner und leidenschaftlicher Country-Song, der leichte Anleihen beim Italo-Western erkennen lässt. Abwechslungsreich, verspielt und mit Rhythmus- und Melodiewechseln garniert. Die Instrumentierung ist diesmal weniger Akustisch. Ritchie spielt auf dem E-Bass, Gano die E-Gitarre. DeLorenzo trommelt auf einem herkömmlichen Drumkit. Überwiegend gibt Ritchie mit seinem Bass den Ton an, und gönnt sich sogar ein kleines Bass-Solo. Ganos Gesang ist anklagend, zornig und repetiv. Zum Schluß hin wird der Song schneller, treibender und wilder.

Brian Ritchie mochte diesen Song übrigens am liebsten.

Jesus walking on the water ist ein lupenreiner Country-Song, mit allem, was so dazugehört. Natürlich darf auch die Fiddle nicht fehlen, von Gano selbst gespielt. Der Song kommt beschwingt daher, der Rhythmus und der Basslauf sind dem des Openers sehr ähnlich. Unterstützt werden die Femmes hier von Christina Houghton an der Kastenzither, sowie von Peter Balestrieri und Ganos Schwester Cynthia an den Vocals. Bei dem Titel ist es unnötig zu erwähnen, dass Gano hier von Religion singt. Gerade diesen Song dürfte die Hörer aber wohl als pure Ironie verstanden haben.

Ringo´s PlattenkisteI know it`s true, but i`m sorry to say ist eine langsame und melancholische Ballade, auf der Ritchie erneut sein Talent für andere Instrumente als den Bass unter Beweis stellt. Hier spielt er tatsächlich Celeste, eine Art Glockenpiano. Produzent van Hecke steuert einige Takte auf der Orgel bei.
Auf den Tracks 1, 2 und 4 ist sehr gut DeLorenzo`s Tranceaphone zu hören, das er stets im Stehen und mit Jazzbesen spielte.

Seite 1 ist dann aus.

Hallowed Ground, der Titeltrack, eröffnet Seite 2 mit einem Bibelzitat (Hosea 9.7. - The Days of Punishment.).

The prophet is a fool
The spiritual man is mad
For the multitude of thy iniquity
And the great hatred...

bevor der eigentliche Song beginnt, der in ähnlicher Tradition wie „Never tell“ steht. Gano spielt wieder E-Gitarre und gibt sogar ein kleines Solo zum Besten. Produzent van Hecke spielt barockähnliche Melodien auf dem  Piano.

Sweet Misery Blues ist, wie der Titel schon verrät, ein Blues. Ein ganz langsamer und getragener mit Bläseruntermalung, wie sie für den Louisiana-Blues charakteristisch ist. Die Bläser sind Produzent Tanner  an der Klarinette und Drake Scott an der Barockposaune. Ansonsten ist die Instrumentierung wieder rein akustisch.

Black Girls ist ein rhythmischer und treibender Song mit leichten Jazz-Anleihen und einem wilden und aggressiven Instrumentalpart der Horns of Dilemma. Freie Improvisation und Free-Jazz dominieren, gepaart mit Blues-Einsprengseln und werden gekrönt von einem grandiosen Maultrommel(!)-Solo von Brian Ritchie und einem Percussionpart von DeLorenzo. In krassem Gegensatz zur wilden und ausufernden Musik steht Ganos religiöser Text. Ganz am Schluß erklingt eine kurze Reminiszenz an John Mayall`s „Room to move“, dessen Rhythmus für diese Komposition wohl auch als Vorlage diente. Ein grandioser Song, der vor allem live zu überzeugen wusste!

Ringo´s PlattenkisteIt`s gonna rain schließt die Platte mit einem lupenreinen Gospel-Folksong ab. Fast wähnt man sich zu Gast bei einem US-amerikanischen Gottesdienst mit Reverend Gano in der Kanzel. Auch das unverzichtbare „Hallelujah!“ fehlt nicht. Der Song wurde auch als Single ausgekoppelt mit „Jesus walking on the Water“ auf der B-Seite, konnte sich aber nicht in den Top 100 plazieren.
Und dann ist diese abwechslungsreiche Platte auch leider schon aus.

Wie erwähnt blieben die Verkaufszahlen weit hinter den Erwartungen zurück, was aber außer der Plattenfirma wohl niemanden störte. Die Femmes hatten eine treue Fangemeinde und überzeugten vor allem live mit ihren schrägen und quirligen Auftritten. Ein Femmes-Konzert war grundsätzlich immer etwas anders als die üblichen Rockkonzerte. Die drei Musiker standen stets vorn nebeneinander an der Bühne, der Drummer in der Mitte. DeLorenzo spielte im Stehen, da er gewöhnlich auf eine Bass-Drum verzichtete. Brian Ritchie fiel alleine durch seinen überdimensionalen Akustik-Bass auf. Hinter dem Trio hielten sich gewöhnlich die Horns auf.

Ringo´s PlattenkisteHallowed Ground fiel mir 1984 zufällig ins Auge, denn die Band kannte ich zuvor gar nicht. Ich entdeckte eine Coverabbildung des Albums eines Tages in einem Versandkatalog. Es war wohl GOVI oder MALIBU, ich weiß es nicht mehr. Von den Violent Femmes hatte ich noch nie etwas gehört, aber das Cover sprach mich an und ich bestellte die Platte nach einer positiven Rezension im „Musik-Express“ und wurde nicht enttäuscht. Die Achtziger waren für mich persönlich ja eine einzige musikalische Durststrecke, und so war ich ständig auf der Suche nach etwas Gehaltvollem. Der Ruhm und die Vielseitigkeit der Siebziger waren verblasst und sterilem Plastik-Pop gewichen. Zu einer Zeit, in der Cyndi Lauper oder Culture Club den Ton angaben, war Hallowed Ground eine wohltuende und willkommene Ausnahme. Keine Drum-Machines, keine Synthesizer, nur handgemachte Musik. Und auch noch mit schrägem Touch, ganz nach meinem Geschmack, ich war begeistert!

Zwei Jahre später kam dann das dritte Album heraus, das abermals eine radikale Abkehr vom bisherigen Stil darstellte. Diesmal jedoch nicht unbedingt im positiven Sinne.

Die Femmes wurden nun vom Talking Heads-Gitarristen Jerry Harrison produziert, der Sound wurde glatter und massenkompatibler. Mit der T-Rex Coverversion von „Children of the Revolution“, einem arg überproduzierten und stark synthesizerlastigen Titel, landeten sie gar einen kleinen Hit. Der besondere Reiz an ihrer Musik lag ursprünglich nicht in ausgetüftelten Kompositionen oder großem musikalischen Können, sondern vielmehr in fast schon naiver und grenzenlosen Spielfreude und dem Strassenmusik-Charakter. Das Konzept war nach bereits 2 Alben schon ausgereizt und Neues war nicht mehr drin. Nein, das war dann auch für mich nichts mehr, schade drum.

Nach diesem Album war 3 Jahre lang von den Femmes nichts mehr zu hören. Gano und Ritchie widmeten sich inzwischen ihren Soloprojekten und machten Bandpause.  1989 erschien dann ihr viertes Album mit dem schlichten Titel „3“ erschien. Es hatte den Anschein, dass das Trio zu seinen Wurzeln zurückgekehrt war, zumindest in der Instrumentierung. Die Songs selbst aber waren indes eher ein wenig fade und belanglos und blieben weit hinter Bekanntem zurück. Ein Trend, der sich weiter fortsetzen sollte. Nach dem nächsten Album, „Why do Birds sing?“, verließ Victor DeLorenzo 1991 schließlich die Band und wurde durch Guy Hoffmann von den BoDeans ersetzt. Weitere Alben folgten sporadisch. Die internen Spannungen und Differenzen nahmen weiter zu, bis Gano und Ritchie schließlich vor Gericht landeten. Es ging natürlich um Geld, da sich Ritchie von Gano um Tantiemen geprellt sah. Die Band trennte sich. Hoffmann schied aus und wurde für die 2016er Reunion von Brian Viglione von den Dresden Dolls ersetzt, nachdem Victor DeLorenzo für kurze Zeit zurückgekehrt war.

Ihr letztes Lebenszeichen war das 2019er Album „Hotel last Resort“, auf dem abermals ein neuer Drummer zu hören war: John Sparrow. Textlich wie musikalisch gibt es hier aber nichts Neues und nichts aufregendes, eher gepflegte Langeweile und mangelnde Spielfreude.

Ringo´s PlattenkisteWas wurde aus den Beteiligten?
Gordon Gano widmete sich seinem kurzlebigen Soloprojekt „The Mery Seat“, mit dem er 1997 ein Album veröffentlichte. 2002 erschien sein erstes Soloalbum, 2009 ein weiteres unter dem Namen „Gordon Gano & The Ryans“.  Gano hatte auch kurze Auftritte im TV, z.B. in „Sabrina – total verhext!“ und „The Adventures of Pete & Pete“. Gano ist neben Ritchie das einzig beständige Mitglied der Violent Femmes. Inzwischen sieht er wie eine gealterte Version von Dr. Leonard Hofstadter aus.

Brian Ritchie veröffentlichte mehrere Soloalben, unter anderem zusammen mit Eugene Chadbourne und Victor DeLorenzo. Ritchie ist seit mehreren Jahren ein versierter Shakuhachi-Spieler, das ist eine japanische Bambusflöte. Ritchie hat sich optisch Gérard Depardieu angenähert.

Victor DeLorenzo widmete sich zwischenzeitlich wieder seiner Leidenschaft, der Schauspielerei. Nebenbei veröffentlichte er 4 Soloalben. Optisch hat er sich am wenigsten verändert. Derzeit bildet er zusammen mit der Cellistin Janet Schiff des Kammermusik-Rock-Duos „Nineteen Thirteen“, das ganz tolle Musik macht.

Zur Einleitung - Zur Übersicht

Kommentare  

#1 Ringo Hienstorfer 2021-11-08 18:04
Da findet sich doch glatt ein elementarer Fehler. Das erwähnte "Gedicht" ist nämlich gar keins, sondern in Wahrheit ein Bibelzitat: Hosea 9.7. - The Days of Punishment.
#2 Harantor 2021-11-08 19:52
Habe das mal korrigiert ....
#3 Ringo Hienstorfer 2021-11-09 18:31
Vielen Dank!

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.