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Sieben gegen die Hölle - Thorsten Fischer (Teil 4)

Sieben gegen die HölleSieben gegen die Hölle

Thorsten Fischer (Teil 4)
Thorstæin folgte dem seltsamen Alten, der ihm aus einem unersichtlichen Grund bekannt vorkam. Dennoch konnte er sich nicht daran erinnern, woher er ihn hätte kennen sollen.

Hárbarðr, wie er sich der Alte genant hatte, ritt stumm vor ihm her. Trotz dichten Schneegestöbers schien er den Weg wie im Schlaf zu kennen.

Die Kälte in Thorstæins Gliedern hatte nachgelassen.


Lag das an dem Schild, den der Alte ihm gegeben hatte? Denn seit er ihn trug, schien der Eiswind einen Bogen um ihn zu machen.

Oder am dem seltsamen Amulett, das unter seinem Hemd auf seiner Haut zu pulsieren schien?

Plötzlich hielt der Alte sein Pferd an und bedeutete, still zu sein.

Wie durch einen Zauber lag ein gewaltiger Speer in seiner Hand, der wenige Wimpernschläge später in das Schneegestöber vor ihnen flog.

Ein Geräusch erklang, das Thorstæin an das 'Kalben' eines Eisbergs erinnerte – oder das Bersten von Glas.

Wie in Zeitlupe sah der Mann ohne Erinnerungen einen gigantischen Schatten, der von oben auf ihn zuraste.

Er hechtet zur Seite und dort wo er noch eben gestanden hatte, schlug ein gewaltiger Kopf aus Eis auf.

"Frostriese!"

Wieder diese seltsame Stimme in seinem Kopf. Und diese Mal schien das Amulett unter seinem Hemd stärker zu pulsieren als zuvor.

So als wäre nichts geschehen gab Hárbarðr ein Zeichen, dass sie nun weiter gehen konnten. Den Speer hielt er in seiner Hand, so als wäre er nicht sicher, ob noch Gefahr in dem dichten Schneegestöber auf sie lauerte.

"Seltsam.", schoss es Thorstæin durch den Kopf, "Ich habe gar nicht gesehen, dass er vom Pferd abgestiegen ist und sich den Speer geholt hat!"

Schweigend setzten sie den Weg zusammen fort.

***

"Der alte Narr kommt tatsächlich hier her!" Die Stimme des Mannes klang höhnisch.

"Was hattest du denn erwartet?", erwiderte die andere Männerstimme, die nach brechendem Eis klang. "Wenn der Brunnen versiegt, versiegen auch die elf Flüsse. Sind die Flüsse versiegt, dann werden bald die Weltenmeere ausgetrocknet sein. Und dann wäre die Midgardschlange vor der Zeit frei. Das kann Allvater nicht dulden!"

"Allvater", der erste Mann spukte verächtlich aus, "ist zwar der Herr der Götter, aber selbst Odin ist nicht allmächtig!"

"Du solltest nicht vorschnell sprechen, Loki!" murmelte der andere. "Wie oft hatten dir die Götter Asgards deine Pläne schon durchkreuzt? Wie oft wurdest du im letzten Moment geschlagen?"

Loki knirschte mit den Zähnen. Es passte ihm nicht, wie dieser Frostriese mit ihm sprach. Aber im Augenblick benötigte er ihn noch.

"Dieses Mal wird das nicht geschehen. Wir haben ja IHN!"

Lokis Blick fiel auf einen bizarren Eisblock, der vor ihn stand.

Nur schemenhaft war die stattliche Gestalt eines Mannes zu erkennen, der in ihm gefangen war.

***

Plötzlich verspürte Thorstæin einen brennenden Schmerz an der Stelle, an der das Amulett seinen Körper berührte.

Wie durch die Faust eines Riesen gestoppt blieb er stehen.

"Hárbarðr!", keuchte der Mann ohne Erinnerung. "Warte!"

Der Alte wandte seinen Blick. Wieder schien sein einziges Auge Thorstæin bis auf die Seele zu durchleuchten.

"Etwas stimmt hier nicht!", fuhr dieser fort. "Alles ist so unwirklich, so als wenn etwas oder jemand uns nur das sehen lässt, was er will, und nicht das, was wirklich ist!"

Hárbarðr stieg von seinem Pferd ab und kam auf ihn zu.

"Zeig es mir!" Seine Stimme klang seltsam, so als wüsste er bereits, was er zu sehen bekommen würde.

Schnell zog Thorstæin das Amulett in Form eines Rundschildes unter seinem Hemd hervor.

Hárbarðrs Atem ging plötzlich schneller.

"Woher hast du es? Sprich, Sterblicher!"

"Ich weiß es nicht!" Thorstæins Stimme zitterte. "Ich kann mich an nichts erinnern, außer dass ich in einen Teich fiel und dann dort war, wo du mich fandest!"

Hárbarðrs Blick schien wie ein Messer in seinen Kopf einzudringen. Fast schon körperlich spürte Thorstæin dessen Gedanken in seinem Kopf.

"Einst, vor langer Zeit", sprach der Alte und der Schmerz in Thorstæin Kopf verebbte, "gab ich dieses Amulett, das besondere Fähigkeiten besitzt, einem Sterblichen. Dann aber verbannte ich ihn aufgrund Lokis Ränkespiel in die Unterwelt, wo er nun als Daugr existiert.

Doch Olaf der Fischer war unschuldig gewesen, aber das gesprochene Urteil konnte selbst von mir nicht mehr rückgängig gemacht werden."

"Und was ist nun aus Olaf geworden?" Thorstæin stellte fest, dass der Name 'Olaf der Fischer' irgend etwas mit ihm zu tun haben musste. Dennoch, er konnte sich nicht erinnern.

"Er hat einen neue Aufgabe von mir bekommen!" Hárbarðr sah kurz auf das mit seltsamen Zeichen bemalte Schild in Thorstæins Hand.

"Der Schild, den du trägst, Thorstæin, soll er in Bälde für mich hüten. Denn wenn die Zeit gekommen ist, zu der die Midgardschlange ihr Haupt erhebt und ihr Bruder Fenriswolf seine Ketten zerbricht, kann nur mit Hilfe dieses Schildes das Tor zur Unterwelt geschlossen werden.

Möge nie diese Zeit kommen – für Götter nicht, auch nicht für Sterbliche!"

Der Mann ohne Gedächtnis hatte das Amulett inzwischen wieder unter sein Hemd geschoben.

Wer war dieser Alte, der sich Hárbarðr nannte, nur?

"Der Namen viel Allvater trägt", flüsterte wieder diese seltsame Stimme in seinem Kopf. "Hárbarðr, Grimnir, Gautir, Wotan, Wodan und Odin so nennen ihn die Sterblichen in Ehrfurcht!"

"Odin? Du bist wirklich Odin!"  Thorstæin konnte es nicht glauben.

"Du hast recht, Sterblicher - ich bin Odin!" Der Alte sah sich um. "Doch lass uns Ausschau halten, was uns erwartet. Mich wundert, dass das Amulett dich vor einer Gefahr warnte, die selbst ich nicht bemerken konnte. Gar stark muss der Zauber sein, dass er mein Auge täuschen kann!"

Odin murmelte einige Worte vor sich hin, die Thorstæin nicht verstand. Sein Gesicht wurde plötzlich zornesrot.


"Loki!"

***

Plötzlich begann sich alles in Thorstæin Kopf zu drehen. Bilder, die so fremd und dennoch vertraut waren, tauchten vor seinen Augen auf und verschwanden wieder.

Benommen schüttelte er den Kopf und folgte Odin, der auf seinem Pferd weiter ritt.

Zu groß durfte der Abstand nicht werden, denn sonst war er rettungslos in diesem immer dichter werdenden Schneetreiben verloren.

Wohin wollte der Herr der Götter nur? Doch Thorstæin traute sich nicht zu fragen.

"Aus dem Brunnen Hvergelmir, sieben Wasser fließen. Genannt werden sie Fimbulthul, Fjorm, Gjoll, Gunnthra, Hrid, Leipt, Slid, Svol, Sylg, Vid und Ylg."

Wieder diese seltsame Stimme, die aus dem Amulett zu kommen schien, und nur in seinem Kopf zu hören war.

"Ist das Allvaters Ziel?", dachte Thorstæin in Richtung des Anhängers.

"Der Brunnen ist geschlossen. Kein Fluss mehr dort entspringt. Geöffnet muss er werden, sonst alles Leben endet bald.", antwortete der rundschildförmige Anhänger.

Thorstæin nickte stumm. Also wollte Odin zu diesem Brunnen. Doch warum mischte sich Loki hier ein? Was bezweckte der Gott der Hinterlist damit?

Er sollte es schneller erfahren als ihm lieb war. Denn urplötzlich stoppte Odin, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand geritten.

"Thor!", wehte der Wind seine Stimme zu Thorstæin herüber. Mit wenigen Schritten war er an Odins Seite.

Ein mannshoher Eisblock, in dem eine schemenhafte Gestalt zu sehen war, die in ihrer Hand einen Art Kriegshammer hielt, versperrte ihnen die Sicht, so dass von der mit Steinen eingefassten Quelle nur noch der Rand zu sehen war.

Ebenso wie die elf Flüsse, die sonst aus der Quelle strömten, war auch diese in einer dicken Eisschicht erstarrt.

Plötzlich fiel Thorstæins Blick auf zwei Gestalten, die man durch das Schneegestöber nur undeutlich wahrnehmen konnte.
Auch Odin musste die beiden schon längst gesehen haben, dennoch schien er sie zu ignorieren.

***

"Nun, Gott der List!" Die Stimme des Frostriesen klang wie brüchiges Eis. "Scheinbar ist dein Zauber doch nicht so mächtig, wie du prahltest. Denn dieser Sterbliche konnte uns sehen. Und wenn er es kann ..."

Loki knirschte mit den Zähnen. Dieser Frostriese, mochte er auch der stärkste seiner Art sein, war mehr als nur respektlos ihm gegenüber.

"Mag der Sterbliche uns sehen, aber dennoch weiß Allvater nicht, was ihn erwartet!"

Sein Blick fiel auf den bizarren Eisblock, vor dem der Göttervater und der Fremde standen, und in dem schemenhaft die stattliche Gestalt eines Mannes zu erkennen war.

"Mein lieber Bruder ist unser Faustpfand! Selbst Odin wird sein Leben nicht gefährden, denn Ragnarök ist nahe und der Donnerer wird noch gebraucht. Ich hingegen ..."

Loki ließ den Satz unausgesprochen, doch der Frostriese wusste genau, was der Gott der List und Hinterhältigkeit meinte.


Ende Teil 4/7

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