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Sieben gegen die Hölle - Friedrich (Teil 3)

Sieben gegen die HölleSieben gegen die Hölle

Friedrich (Teil 3)
Höllenträume
Dunkle Wolken türmten sich auf. Nur wenig drang auf die Erde. Die Bäume warfen lange Schatten. Die Landschaft, die dieses Bild warf, war ausgesprochen bizarr. Wie auf einem anderen Planeten. Und die Gestalten, die hier lebten, schienen der Hölle entwichen. Zwerge mit spitzen Nasen ritten auf Hunden, die den Kopf von Echsen hatten. In ihren Händen trugen sie Spitzhacken mit merkwürdigen Sicheln. Am Rand der Reiterstraße standen Gestalten von menschlicher Gestalt und beobachten das Treiben wortlos. 


Als letztes ritt ein Mann auf einem Pferd daher, der den Kopf einer Schlange trug. Sein ganzer Körper war ansonsten menschlich. Der Reiter hatte sein Pferd fest im Griff. Das eigenartige war, dass er keinen Hals besaß. Der Rumpf ging direkt in den Schlangenkopf über. Geradezu böse mutete es an, als er fauchte und die gespaltene Zunge hervor trat. Er hielt direkt vor einer der menschenhaften Gestalten zu einer Unterredung. Die Gestalt beugte sich wie vor Ehrfurcht. Das Gesicht des Fremden lag in einem Schatten.

„Hella wünscht dich zu sehen“. Der Schlangenmann antwortete nicht. Es schien der Träumerin, die diese Szenerie sah, auch unmöglich, dass dem Schlangenhals ein Wort entweichen konnte. Offenbar sprach der Schlangenmann eine andere Sprache oder nutze eine Art von Mimik für die Kommunikation. Der Fremde ohne Gesicht leitete den Schlangenmann in gebückter Haltung zu einem Höhleneingang. Der Eingang war so groß, dass der Berittene ihn gerade so passieren konnte. Im Inneren illuminierte ein fahles Licht die Wände, die bläulich leuchteten. Nach wenigen Metern stoppte der Reiter. Sein Begleiter schien verschwunden.

Vor dem Schlangenmann tauchte eine Frau auf. Sie hatte blondes Haar, das lang über ihre Schultern fiel. Ihre Statur war eher klein. Sie hatte schmale Schultern und lange Arme. Sie trug silberne Stiefel mit hohem Schäften. Ihr Körper steckte in einem weißen Minikleid mit an den Nähten besetzten grünen Streifen.

„Deine Zeit ist um, Ringo“, sagte sie zu dem Berittenen. „Du hast Deine Chance verspielt. Hättest Du mir verziehen, dann hätte ich was tun können für dich. Aber so…?“ Die schmalen Lippen der Frau wurden zu einem Strich. „Du solltest unsere Welt mit Midgard verbinden, um uns die Menschen untertan zu machen. Nichts ist geschehen.“

„Wie hätte ich dir verzeihen können?“ Jetzt sprach der Schlangenmensch doch. „Du hast meine Kinder getötet. Du hast mich verflucht und zu einem Schlangenwesen gemacht. Was willst du noch von mir?“

„Geh in die Welt der Menschen und bring das Gefüge aus dem Gleichgewicht. Der Schlüssel dazu findet sich irgendwo auf der Welt. Aber pass auf. Du hast Feinde aus Midgard.“

„Und wie soll ich zurückkehren…?“

„Das ist Dein Problem.“

Der Berittene verließ die Höhle. Äußerst wortkarg verlief die Unterredung mit Hella. Er sah unzufrieden aus. Im Regen ritt er davon. Nebel kam auf. Aber der Reiter ließ sich nicht beirren. Ein bestimmter Weg würde ihn auf die Erde führen. Er wusste welcher Weg zu nehmen war.

***

Die Träumerin erwachte. Was für ein wirres Zeug hatte sie da geträumt. Es ergab keinen Sinn. Doch der seltsame Traum sollte sie in dieser Nacht noch weiter verfolgen.

***

Der unheimliche Reiter mit dem Schlangenkopf war in Midgard angekommen. Ein Rückweg war ausgeschlossen so lange es Hella wollte. Er war nach Midgard gegangen um den Schlüssel zum Frieden zu finden, wie es Hella nannte. Ein Schlüssel der in Form irgendeines Objektes daherkam. Dieser Schlüssel würde den Schlund zur Hölle endgültig öffnen und die Heerscharen der Teufelin Hella würden Midgard erobern und sich untertan machen. Gleichzeitig gab es nur einen Gegenschlüssel, der das Unheil aufhalten könnte. Vielleicht würde Ringo Jahrmillionen brauchen um das zu finden was er suchte. Aber er musste es finden, sonst gab es für Ihn keinen Rückweg mehr. Eine Million Jahre waren viel zu kurz. Er würde mehr Zeit brauchen. Aber er würde es schaffen, wenn er nicht aufgab. Dabei kam es ihm stets darauf an verborgen Orten zu operieren, damit die Menschen ihn nicht sahen. Sie würden zu Tode erschrecken. Und es war zu früh, wenn man jetzt Höllenwesen auf der Erde sieht. Der Plan wäre gefährdet. Der Weg auf die Erde der Sterblichen ist ein leichter. Doch zurück kann man nicht so einfach. Da kommt es auf die beste Gelegenheit an. Oder man ist im Besitz einer speziellen Magie oder steht unter dem Schutzschild eines höheren Wesens. Die Unterwelt hielt viele Überraschungen bereit. Und ewig in Midgard zu bleiben war kein Geschenk. Und Ewig war in der Zeitrechnung des Höllenreiters sehr lang.

***

Heidi Gottsknecht liebte Bibliotheken. Nichts mochte sie lieber als Bücher in Regalen. Die Anreihung historischer Buchrücken löste Gefühle in hier aus, die sie nur schwer beschreiben konnte. Vielleicht ist sie deswegen zu Schalmüter gegangen, denn Kirchenbücher waren eine weitere Leidenschaft von ihr. Und Schalmüter teilte sie auch noch mit ihr. Somit wurde ihr Praktikum bei dem Pfarrer zu einer Art Seelenverbindung mit ihm. Gern erinnerte sie sich auch an ihre Zeitungsredaktionsarbeit während eines Praktikums bei Norden. Doch das war etwas anderes, eine ganz andere Geschichte.

Heute war sie in die Bibliothek gekommen um etwas Eigenartiges zu suchen. Grund war Ihr nächtlicher Traum. Ein Traum, den sie nicht recht zu deuten wusste. Darin ging es um einen Reiter mit einem Schlangenkopf. Würde sie irgendetwas darüber in der Bibliothek finden. Als es um Loki ging, den seltsamen Zwerg der Schalmüter begegnet war, ist sie schon einmal fündig geworden. Das schöne Mädchen mit der auffallend üppigen Oberweite studierte Stunden alte Schriften. Sie fand jedoch nichts. Plötzlich setzte sich ein junger Mann an ihre Seite.

„Du hast dort ein sehr altes Buch“, sprach er sie einfach an. Heidi blickte auf. Der Junge hatte rote Haare, eine kleine rahmenlose Brille und ein pickeliges Gesicht. Sie schätzte den Knaben auf höchstens 16 Jahre.

„Ja“, sagte sie. Dann versank sie wieder in den Seiten ihres Schinkens.

„Ich störe dich ja nur ungern, aber ich brauche genau dieses Buch. Es stammt aus der alten Bibliothek von Kassel. Ein seltenes Stück, das die Geschichte und Prinzipien von nordischen Fabelwesen beschreibt. Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass ein so hübsches und modernes Mädchen wie Du, daran interessiert ist.“  Heidi war mehr als erstaunt über die Direktheit und das Selbstbewusstsein des Knaben, der nicht so aussah als wäre er hip und in der Welt der Jugendlichen akzeptiert. Auch eine scharfe Freundin oder ein cooles Motorrad würden nicht zu ihm passen.

„Wenn du auf das Buch also verzichten kannst, dann gib es mir. Ich wäre dir mit Dank verbunden.“ Jetzt wurde der blonden 20jährigen die Sache aber doch zu bunt.  

„Also ich gebe das Buch nicht her. Ich habe erst vor zehn Minuten angefangen darin zu lesen. Aber es gibt hier noch tausend andere Bücher zum Thema. Schau dich um. Dieses leihe ich mir jetzt aus. Und ich nehme es mit nach Hause. Deine Bemühungen es mir abzuschwatzen sind zwecklos.“ Heidi klappte das Buch zu und verschwand mit diesem in Richtung Tresen. Der Bube blieb verdutzt zurück. Das hatte gesessen.

Heidi ließ sich die Ausleihe des Werkes quittieren und verließ die Bibliothek durch den Haupteingang. Wenige Minuten setzte sie sich auf eine Bank vor dem Gebäude. Sie wollte sehen ob der Junge heraus kam. Doch er kam nicht. Einer Eingebung folgend ging sie in die Bibliothek zurück. Sie war dabei bemüht sich unauffällig durch die Gänge zu bewegen. Den Jungen sah sie nicht mehr. Möglicherweise war er zum Hinterausgang heraus. Ihr selbst reichte das. Der Knabe sah zwar in keiner Weise furchterregend oder beängstigend aus, aber irgendetwas an ihm oder in ihm war dazu angetan die Wachsamkeit in Heidi Gottsknecht zu wecken.

***

Hella sprach mit einem kleinen Mann. Einem Zwerg. Er war kaum größer als die Stiefel, die die Dämonenfrau trug. „Ringo hat einen Auftrag. Und wenn er nicht für ewig in Midgard bleiben will, dann muss er handeln. Er muss den Mundus öffnen um uns den breitmöglichen Zugang zur Welt der Sterblichen zu liefern. Tut er es nicht, wird er selbst in Midgard schmoren – bis in alle Zeiten. Einzeln können wenige von uns nicht nach Midgard, außer es geschieht zu einem bestimmten Zwecke – wie jetzt bei Ringo. Und das hilft uns nur bedingt. Nein wir brauchen eine große Öffnung – ein Einfallstor in die Welt.“

Der Zwerg nickt auffällig und demütig. Die Dämonenfrau und Herrscherin über das Reich der Unterwelt lächelte zufrieden.

***

Wieder hatte Heidi geträumt. Wieder waren die Protagonisten Gestalten der Hölle. Sie erinnerte sich noch deutlich an die Namen. Ringo, Hella…

Heidi starrte auf das Buch auf ihrem Nachtschrank. Stand dort doch etwas Aufschlussreiches. Sie hatte bisher nichts finden können. Sie stand schlaftrunken auf. Es war 4 Uhr morgens. Sehr früh zwar, aber sie kam nicht umhin Friedrich Schalmüter anzurufen. Ihren Mentor. Sie musste ihm nun endgültig von diesen seltsamen Träumen berichten. Zu ihrem Erstaunen ging er recht schnell an den Apparat. Auch er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Ihn quälten Gedanken an die vergangenen Tage. Er hatte einen Toten gefunden und gerade erst war der Leichnam von Konstantin Kowalkowski geborgen worden.

„Ist er ermordet worden?“, kam es wie ein Pistolenschuss aus Heidis Kehle.

„Das weiß man noch nicht“. Heidi hörte sich den kurzen Bericht des Pfarrers an und erzählte dann von ihren Höllenträumen.

„Das ist eine merkwürdige Geschichte. Hörzu Heidi. Ich denke wir sind Auserwählte bei irgendeinem Schicksal, irgendeinem Ereignis welches kommen wird. Ich weiß auch nicht warum. Aber wir sind zwei Auserkorene.“ Das ganze konnte Heidi nicht fassen. Und die Idee klang dermaßen abenteuerlich wie verrückt, dass sie sich nur ein Schriftsteller oder Regisseur ausdenken konnte.

Sie sprach noch eine halbe Stunde mit Schalmüter dann ging sie zum Fenster. Es dämmerte bereits und der Morgen kündigte sich an. Sie stand minutenlang einfach nur da und hing ihren Gedanken nach. Dann sah sie einen Schatten der langsam die menschenleere Straße herunterkam. Eine hagere Gestalt. Der Schatten war lang. Die Person selbst nur klein. Irgendwann wurde der Schatten kürzer, je näher er kam. Und bald stand er so günstig im Licht, dass Heidi ihn erkennen konnte. Er schaute zu ihr rauf. Es lief ihr kalt über den Rücken. Es war der Junge aus der Bibliothek.

Fortsetzung folgt …

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