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Offenbarung, Religion, Politik und Verwandte

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, der nächste Teil zur Geschichte des Islam erwartet den interessierten Leser. Es geht immer noch um die Folgen der Schlacht von Badr. Wie ging es von da mit dem Islam weiter. Erzähl mal. Der Tee ist serviert ...

Offenbarung, Religion, Politik und Verwandte

Mit der Schlacht von Badr war endgültig der Punkt gekommen, wo sich der Islam von allen anderen bestehenden Religionen abspaltete. Das ging bis hinunter in die Familien, wo es nun endlich klar wurde, dass es keine Eheschließungen zwischen Moslems und ›Heiden‹ gab. Dinge, die teilweise heute noch jungen Menschen beider Religionen Probleme bereiten, zueinander zu kommen.

Keine persönlichen Probleme, aber Schwierigkeiten mit den Familien. Wenigstens, wenn sie moslemischen Glaubens sind – im Christentum ist man da inzwischen etwas toleranter geworden.

 

Aber – beim Christentum kann man auch aus der Kirche austreten. Beim Islam ist so ein ›Kirchenaustritt‹ nicht möglich. Auch wenn ich genügend Muslime kenne, die sich um die Lehren des Korans so viel scheren wie die meisten Christen um die mahnenden und belehrenden Worte der Amtskirchen und einen guten Schweinebraten und ein süffiges Bier einer Kebab–Platte mit Ayran vorziehen.

Nach der Schlacht von Badr ging Mohammed mehr und mehr daran, aus seinen ›Offenbarungen‹ eine Religion zu machen. Das sieht man ganz klar, wenn man die Koranverse sieht, die aus der Zeit von Mekka stammen und jene Suren, die ihm in Medina ›geoffenbart‹ wurden. Da ging es dann ganz klar um das Gemeinschaftsleben der ›Umma‹, der Gemeinschaft der Gläubigen.

Die Sache fing, wie schon oben erwähnt, damit an, dass es eben keine eheliche Gemeinschaft zwischen ›Heiden‹ und Muslimen geben konnte. Und was Heiraten und Ehe betraf, gingen diese religiösen Differenzen bis tief hinein in die Familien – und sogar in die Familie des Propheten selbst. Denn Abu al-As, einer von Mohammeds Schwiegersöhnen, war Heide geblieben, hatte bei Badr aufseiten Mekkas gekämpft und war in Gefangenschaft geraten. Zaynab, seine Frau und Mohammeds leibliche Tochter, schickte als Lösegeld ein Armband, das einst ihrer Mutter Chadidscha gehört hatte. Mohammed soll nach der Überlieferung totenbleich geworden sein, welche ›Reliquie‹ da angeboten wurde.

Immerhin war Chadidscha die erste Frau Mohammeds, die er vermutlich trotz ihres Alters aufrichtig geliebt hatte. Erst nach ihrem Tod hat er andere Frauen zur Ehe genommen. Und so gelang es Mohammed, die Freilassung des Abu al-As zu erwirken, ohne dass das Armband hergegeben werden musste.

Abu al-As war nun frei. Doch beharrte er weiter auf seinem heidnischen Bekenntnis und weigerte sich, Moslem zu werden, obwohl der Prophet sein Schwiegervater war. Und so trug ihm Mohammed auf, seine Frau zu verstoßen und samt ihrer Tochter Umamah zu ihm nach Medina zu schicken. Da Zaynab Muslima war, wäre sie ohnehin in Mekka nicht zu halten gewesen. Und so kam es, dass Mohammed seine Tochter und seine Enkelin in Medina in die Arme schließen konnte. Auch wenn es ihm schwer wurde, die Frau zu verstoßen, konnte Abu al-As doch nicht gegen seinen Stolz an, sich als Preis für die Frau einen Glauben aufzwingen zu lassen, den er nicht akzeptieren konnte.

Die vielen Hochzeiten Mohammeds und auch einiger seiner engsten Freunde, die in den Wochen nach Badr stattfanden, gehören nicht hierher, weil sie denn doch zu weit führen würden. Nur die Heirat von Mohammeds Lieblingstochter Fatima mit Ali sei hier erwähnt, weil sich aus ihnen das Geschlecht der Ali-iden oder auch der Fatimiden entwickelte. Der Begriff Ali-iden ist für die Abspaltung der Schiiten wichtig, die Fatimiden sollten als Herrschergeschlecht im Mittelalter noch eine bedeutende Rolle spielen.

Um die Hand von Fatima hatten auch Abu Bekr und Omar angehalten. Doch Mohammed wollte unbedingt Ali, einen seiner ersten und tatkräftigsten Gläubigen, als Gatten seiner Lieblingstochter. Doch diese dynastische Politik innerhalb des Islam kann uns eben nur so weit interessieren, wie sie später ungeahnte politisch-religiöse Ausmaße annehmen und so die Geschichte maßgeblich beeinflussen sollte.

Vorläufig gab es neben den Heiden von Mekka einen Feind, der für Mohammeds Religion viel gefährlicher werden konnte. Hier meine ich die Juden, deren Macht in Medina durch den Sieg von Badr zwar leicht erschüttert, aber noch lange nicht zu Fall gebracht war. Wir erinnern uns, dass Medina bereits vorher hauptsächlich von den Familien reicher jüdischer Kaufherrn regiert wurde. Doch nun hatte das Spiel um die Macht eine neue Dimension erreicht und eine echte Auseinandersetzung mit den die Stadt Jathrib beherrschenden jüdischen Familien stand an.

Ich habe schon erwähnt, dass Mohammed den Juden nur die Alternative lassen wollte, zum Islam überzutreten oder die Stadt ihrer Väter zu verlassen. Und das Ergebnis lässt sich in jedem Geschichtsbuch nachlesen. Schon lange sprach man nicht mehr von der Stadt Jathrib, sondern von Medina al Rassul, also der Stadt des Propheten. Medina ist auch heute noch der Begriff für jede Altstadt, um die sich eine moderne Stadt gezogen hat. Man redete also nicht mehr von Jathrib, sondern von Medina.

Für die Juden von Medina, die Mohammed und seine Gläubigen ursprünglich geholt hatten, um sie gegen Mekka einzusetzen, waren nun die Koreisch von Mekka die einzigen Verbündeten geworden, mit denen man vielleicht noch diesen Flächenbrand, der sich Islam nannte, austreten konnte. Denn das Heidentum würde die alte Religion des Moses nicht antasten.

Im Haus des Propheten nahm man mit Besorgnis wahr, dass Boten von Mekka zu den Beduinen-Stämmen zogen, um sie zu Verbündeten zu gewinnen. Dazu kam, dass es innerhalb der Mauern von Medina zu Unstimmigkeiten und Streitereien kam. Ibn Ubbay, das Oberhaupt einer der einflussreichsten Familien in Medina erklärte, dass er bereit sei, zwar den Offenbarungen zu gehorchen, aber keineswegs Mohammed selbst, weil er Medina in einen gefährlichen Krieg mit Mekka verwickelte. Ein Krieg, bei dem man rechnen musste, dass die wilden Beduinen-Stämme der Wüste aufseiten der Stadt der Kaaba standen, in denen auch ihre Stammesgötter ihr Unterkommen fanden.

Allerdings kamen die ›Offenbarungen‹ ja von Mohammed – und es kann als sicher angenommen werden, dass er sie so zu formulieren wusste, dass die Worte von Ibn Ubbay keine große Wirkung in Medina zeigten. Es lässt aber doch erkennen, dass Mohammed als ›Politiker‹ nicht ohne Opposition war.

Ein ›Führer‹, der befehlen konnte und alle ihm folgten – das war Mohammed nur in religiösen Dingen. In den weltlichen Angelegenheiten waren Abu Bekr sein ›Friedens-Häuptling‹ und Omar sein ›Kriegs-Häuptling‹, die er in ihren Bereichen als ›Politiker‹ schalten und walten ließ, während er sich selbst um sein Propheten-Amt kümmerte.

Dass Ibn Ubbay in seinen Bemühungen, Mohammeds Ansehen zu untergraben, natürlich von den jüdischen Familien der Stadt unterstützt wurde, dürfte klar sein. Wie ihr seht, meine Freunde, und noch weiter sehen werdet, hätten damals noch kleine Umstände genügt, eine heutige Weltreligion in ihren Anfängen zu zerstören.

Zumal nicht nur die Kraft der Armee und der Waffen, sondern auch des Geistes gegen Mohammed und den von ihm gepredigten Glauben stand. Da gab es einen Dichter namens Kab ibn al-Asraf aus dem Stamm der Nadir. Er verließ seine Familie in Medina und zog nach Mekka, um von dort in aufwieglerischen Versen gegen Mohammed zu hetzen und Rache für die Toten von Badr zu fordern.
 
Einen seiner Verse hat uns der Historiker Ibn Ishaq überliefert:

»Oh, hätte sich bei ihrem Tod die Erde aufgetan und ihr Volk verschlungen,
auf dass er, der die Kunde brachte, durchbohrt worden wäre
oder sich verkriechen müsste – blind und taub!«

Mit diesen Versen macht Kab ibn al-Asrat den Männern der Koreisch von Mekka deutlich, dass nicht alle Menschen in Medina unerschütterlich hinter Mohammed standen. Poesie und Dichtkunst standen schon damals im arabischen Raum hoch im Kurs und vermutlich werden solche Verse so schnell die Runde gemacht haben wie Märchen. Oder Meinungen beeinflussen, wie es früher Flugblätter getan haben und heute das Internet dazu beiträgt, auch die absurdesten religiösen und politischen Theorien weltweit zu verbreiten.

Jedenfalls rissen die Verse des Bab ibn al-Asrat die Koreish von Mekka aus einer Lethargie, in die sie nach der Niederlage von Badr gefallen waren.

Sie erkannten, dass Mekka eine Schlacht, aber noch keinen Krieg verloren hatte. In der Stadt hatte Abu Sufyans Stimme jetzt das meiste Gewicht, seitdem Mohammeds feindlicher Onkel Abu Lahab kurz nach Badr gestorben war. Wir erinnern uns. Abu Sufyan war dieser clevere Kaufmann, der die Karawane an den Brunnen von Badr vorbeigeführt und vor Mohammeds Scharen in Sicherheit gebracht hatte. Hätte der Abu Djahl, der Anführer der Truppen von Mekka, sein Heer abziehen lassen, hätte Mohammed mit seinen Leuten ziemlich blamiert dagestanden. So aber hatte er in festem Glauben an seine Übermacht den Kampf gesucht und war geschlagen worden. Abu Sufyan, der die Karawane sicher heimgebracht hatte, wurde nun als der kluge Kopf angesehen, der jetzt an die Spitze der Stadt musste. Wo ein Cato zum Narren wird, braucht man einen Cäsar.

Abu Sufyan sorgte erst einmal dafür, dass der gesamte Gewinn, der aus der Karawane erwirtschaftet wurde, in den Krieg gegen Mohammed und Medina gesteckt wurde. Ich bin sicher, dass heimliche Boten zwischen den Städten verkehrten und in Medina die alteingesessenen Familien, besonders die der Juden, eine „Machtübernahme“ vorbereiteten, wenn Mohammeds Scharen in einer weiteren militärischen Auseinandersetzung geschlagen würden. Denn den Juden war inzwischen klar geworden, dass der Islam für die Religion des „Auserwählten Volkes“ keine Toleranz kannte und es am Schluss nur einen Sieger geben konnte. Doch im Vertrauen auf den Gott ihrer Väter und seine Versprechen in den heiligen Büchern waren sie sich darüber im Klaren, dass es diese ›neue Religion‹ war, die Adonai, der Herr, verwerfen würde. Und so bin ich mir sicher, dass die Regierenden in Mekka genau wussten, dass sie hinter den Mauern von Medina sichere Verbündete hatten.

Ungefähr zehn Wochen nach der Schlacht von Badr führte Abu Sufyan persönlich eine ›Ghazu‹, also einen Raubzug, an. Heute würde man eher von einem ›Kommandounternehmen‹ reden. Mit zweihundert Männern zog Abu Sufyan in die Gegend von Medina und verbündete sich dort mit dem Stamm der Beni Nadir, die in der Gegend von Medina ihre Herden weideten. Beduinen, die jedes Wasserloch in der Wüste kannten, waren die besten Verbündeten in einem solchen Krieg. Einem Krieg, bei dem auf das gepfiffen wurde, was die Zivilisation heute als ›Genfer Konvention‹ kennt.

Der Anführer der Beduinen, Sallam in Mishkan, konnte auch die geheimsten Informationen über Mohammed geben, wie uns Ibn Ishag als Chronist berichtet. Abu Sufyan wusste also ganz genau, dass Mohammed nicht der absolute Herrscher in Medina war.

Und dann taten die Männer Abu Sufyans am nächsten Tag etwas, was den arabischen Prinzipien widersprach und auf jeden Fall einen Kriegsgrund darstellte. Sie brannten außerhalb der Stadtmauern von Medina die Felder der Moslems nieder, fällten und verbrannten einige der Palmen und töteten zwei Moslems, die auf den Feldern gearbeitet hatten. Besonders das Verbrennen von Palmen ist in den Augen eines Arabers eine Todsünde.

Als Mohammed Omar mit einer ›schnellen Eingreiftruppe‹ losschickte, floh Abu Sufyan in die Wüste. Und die Beni Nadir sorgten dafür, dass sie in der Wüste nicht gefunden wurden. Omar musste unverrichteter Sache nach Medina zurückkehren. Von da ab wussten die Muslimen, dass sie in Medina vor Angriffen ihrer Feinde nicht mehr sicher waren.

Der Krieg war unvermeidlich geworden. Doch erkannte Mohammed, dass er in Abu Sufyan diesmal einen ernst zu nehmenden Gegner hatte und die Moslems nicht nur gegen die geballte Macht der Heere von Mekka, sondern auch gegen ihre Bundesgenossen aus der Wüste kämpfen mussten. Hinzu kam, dass Mohammed sehr gut wusste, dass der Widerstand der Juden in Medina ernsthafte Formen annahm.

Gewiss würden sie ihn mit seinen Scharen in den Krieg ziehen lassen. Doch ob sie ihn als Geschlagenen noch einmal in die Stadt ließen, das war die Frage. Und so wurde ein Ereignis provoziert, das mit der Vertreibung der Juden endete.

Aber davon erzähle ich, inch Allah, nächste Woche ...

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