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Technologie essen Dramatik auf

Making of ... InfininautenTechnologie essen Dramatik auf

Im zehnten Artikel der Making-Of-Reihe zur Sciencefiction-Serie INFININAUTEN widme ich mich einem schwerwiegenden, aber oftmals (kommt mir vor) unterschätzten oder kaum wahrgenommenem Thema:

Dem Problem der Übertechnisierung, und wie übertrieben hohe technische Errungenschaften dem Autor einen Strich durch so manche Rechnung machen können.

Gerade in der Sciencefiction ist es natürlich verlockend, zukünftige Hochtechnologie einzubauen, mithilfe welcher man alles und jedes verwirklichen kann, auf „hard science“, also auf ein seriöses wissenschaftliches Fundament von vornherein zu pfeifen, und irgendwelche Gizmos aus dem Hut zu zaubern, möglichst mit kreativ-kryptisch klingendem Technobabble einhergehend. Dass man damit dramaturgisch unbewusst die Büchse der Pandora öffnet, wird oft übersehen.
Ich weiß noch genau, wie ich als kleines Kind zum ersten Mal Raumschiff Enterprise im Fernsehen verfolgte, und mir selbst in jenem jungen Alter schon recht häufig dachte, dass die Gefahr, in welcher Kirk und Crew waren, einfach dadurch zu entschärfen gewesen wäre, das Außenteam einfach wieder hochzubeamen. Auch den Episodenschreibern war das offenbar bewusst, weshalb in jeder zweiten Folge der Transporter recht früh kaputt ging, oder der Enterprise der Saft ausging, oder der Dramaturg sich transportunterbindende atmosphärische Energiestürme ausdenken musste. Alles nur, um der Allmacht der Technik wieder etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. Und irgendwie fand ich das damals schon recht lächerlich und lästig.

Ein anderes Beispiel, das mir noch sehr gut in Erinnerung ist, betrifft Perry Rhodan. Ich glaube, es war in den hohen 1800er Bänden, als die Erde von den Dscherro besetzt wurde, und ich habe noch ganz genau einen der zahlreichen kritischen Leserbriefe im Kopf, in welchem dessen Verfasser skalpellscharf die Grundannahme jenes Handlungstrangs sezierte, genau erklärte, dass die Schutzeinrichtungen Terras so eine plumpe Belagerung niemals zulassen würden. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde dieser Brief nichtmal mit einem Satz von der Redaktion kommentiert oder beantwortet. Das Abdrucken des inhaltlich vollkommen zutreffenden Briefes in der Form wirkte auf mich wie ein hilfloses Schulterzucken mit schiefem Lächeln eines Ertappten. So nach dem Motto: Tja, was kann man machen? Sei halt so nett und bringe zur Lektüre unserer Serie einen Kugelraumer voll guten Willen mit...

Mir fallen spontan zig weitere derartige Beispiele ein, symbolisch am besten trifft es wohl eine Szene aus einem Indiana Jones (?) Film, in welcher der Held einem wild und bedrohlich säbelschwingenden Gegner gegenübersteht, dem einige Sekunden beim Rumfuchteln zusieht, nur um dann trocken seinen Colt zu ziehen und den Fuchtler – zusammen mit der Dramatik der Szene – einfach über den Haufen zu schießen.

Oder nein – am allerbesten trifft es ein einziges Wort: Handy...

Bei Infininauten möchte ich solchen Sachen so weit wie möglich gegensteuern. Nur weil Lizz Athanget seit 800.000 Jahren das All durchkreuzt, ist noch lange nicht gesagt, dass der Stand der Technologie, welcher ihr zur Verfügung steht, kontinuierlich angestiegen ist in all jener Zeit. Man braucht nur in unserer Geschichte der Menschheit etwas nachschlagen, um festzustellen, dass oft mit dem (Ver-)Fall einer Zivilisation auch viele derer errungener Technologien zumindest zwischenzeitlich wieder verloren gehen. Nicht anders verhält es sich in meiner Serie.

Lizz selbst mag vieles sein, aber was sie nicht ist und nie war, ist ein „Raketenwissenschaftler“. Mit dem Aussterben der Menschheit ging sehr vieles an Technik, Wissen und prinzipieller „interstellarer Infrastruktur“ verloren. Die EXTRABALL ist dahingehend zwar irgendwie so etwas wie eine Arche Noah der Technologie, aber auch den Infininauten stehen nur mehr Bruchstücke jener hohen Technologie zur Verfügung, die in der Galaxis zur Zeit der Blüte der Menschheit (in der Serie zur Zeit als Lizz 250.000 – 300.000 Jahre alt war) vorzufinden war.

Speziell unkalkulierbar übermächtige Gerätschaften wie Transporter oder Replikatoren werde ich in der Serie tunlichst meiden. Auch sonst versuche ich, mich weitestgehend an wissenschaftliche Fakten zu halten, ohne allerdings zu trocken in die „Hard Science Fiction“ zu kippen. Wobei ich ohnehin kaum Gefahr laufe, das zu tun, da mir selbst leider nennenswert tiefes Verständnis von Physik fehlt, aber die Grundlagen, die mir bekannt sind, werde ich auch einzubauen versuchen.

Ich werde bei den Infininauten an realen (d.h. nicht-fiktiven) Bezeichnungen und Einheiten festhalten, vor allem aus der (Astro‑)Physik. Auch die Informatik (somit alles von den kleinsten Bordcomputern der EXTRABALL hin bis zum Roboter Leetus) werde ich möglichst realistisch abhandeln, gleichwohl mich nicht scheuen, ein bisschen in Richtung möglicher zukünftiger Entwicklungen in dem Bereich zu spekulieren.

Meine generelle Herangehensweise, um Übertechnisierung im Zaum zu halten, wird sein, für jede Fortentwicklung gegenüber unserer heutigen Zeit beim Technikeinsatz bei einer Sache eine andere Sache zu „enttechnisieren“. Somit sollte unterm Strich nicht allzu viel Techniküberschuss übrigbleiben. Und ich sollte mich beim Verfassen der Romane nicht dramaturgisch verrenken müssen.

Nächste Woche, im vorletzten „regulären“ Artikel dieser Making-of-Serie vor Erscheinen von Band 1 der Infininauten, möchte ich darüber schreiben, warum Innenillustrationen integraler Bestandteil des Projekts sein werden, und wie und warum ich glaube, dass Illus einen Roman nicht nur beiwerkhaft schmücken, sondern tatsächlich bereichern können.

Infinite Grüße!

Wolfgang 

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