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«Der Skorpion» - Comics von Stéphen Desberg und Enrico Marini

Der Skorpion»Der Skorpion«
Comics von Stéphen Desberg und Enrico Marini

»Der Skorpion« – dies ist der Spitzname von Armando Catalano, einem ebenso athletischen wie charmantem Abenteurer. Als Archäologe verdient er sein Geld damit, frommen Adligen Reliquien von Heiligen zu verkaufen, deren verschollene Gräber er durch seine Kenntnisse alter Schriften ausfindig macht. Dies klingt nach «Indiana Jones» – doch führt sein abenteuerliches Leben im Rom des 17. Jahrhunderts.

Der Skorpion Band 1Im folgenden beziehe ich mich auf die sieben bisher im Carlsen Verlag publizierten Bände.
 
 Seine «Beutezüge» in die Katakomben Roms verlangen Geschick und führen nicht selten zu Scharmützeln mit den Schweizergardisten des Papstes. Aber wie wenn dieser Alltag nicht abenteuerlich genug wäre, entfaltet sich das eigentliche Geschehen erst, als die giftkundige Zigeunerin Mejai versucht, den Skorpion zu ermorden. Klar, dass der Skorpion dies persönlich nimmt und herauszufinden versucht, wer hinter dem Anschlag steckt.

Dabei unterstützt ihn der schlagkräftige Husar, sein «Geschäftspartner». Mit seinem Husarenkostüm stellt er eine nette optische Abwechslung dar und ist – als idealtypischer «Sidekick» – für die humorvollen Sprüche zuständig.
Mit einiger Mühe findet der Skorpion schliesslich heraus, dass es Trebaldi ist, der sogenannte Adlerkardinal, der ihn tot sehen will. Damit nicht genug, Trebaldi hat auch weitgreifende Intrigen gesponnen, um an die päpstliche Macht zu gelangen. Äusserlich erinnert Trebaldi stark an den von Richard Pryce verkörperten Kardinal Richelieu («The Three Musketeers», 1948), doch wirken Richelieus Intrigen gegenüber den Machenschaften Trebaldis eher harmlos.

Trebaldi, Mitglied der geheimen «neuen Familien Roms» treibt in Rom den Umbruch voran, um ein Glaubensregime zu errichten: Er hat eine eigene Garde aufgestellt, die Mönchskrieger, welche in rote Umhänge und mit goldenen Masken bekleidet die Stadt langsam immer mehr in Angst und Schrecken versetzen.

In diesem Rom bewegt sich der Skorpion souverän und leichtfüssig zwischen Adel, Kirchenmännern, Freudenhäusern und Tavernen der eigentlich lebensfrohen Stadt. Der Skorpion bewegt sich frei zwischen oben und unten, gesellschaftlich wie buchstäblich: Er kennt sowohl die unterirdischen Katakomben als auch die Fluchtwege über die Dächer der Stadt. Da ist es nur passend, wenn er gegenüber dem Hauptmann der Schweizergarde im ersten Band erklärt: «Für mich gibts weder Himmel noch Hölle!» Diese Aussage deutet auch darauf hin, dass der Skorpion sich (abenteurertypisch) nur an seine eigenen Regeln hält und im Grunde keiner der Gruppierungen der Stadt zugehörig ist. Der tierische Spitzname kommt übrigens von einem Mal auf seiner Schulter, das einem Skorpion ähnlich sieht und von der Kurie als Teufelsmal gewertet wird. Obwohl der Skorpion diese Wertung durchaus selbst immer wieder mit einem bitteren Unterton anspricht, so zeigt er doch manchmal einen eigentümlichen Stolz darauf, schliesslich macht ihn dies einmalig.

Bei seinen Aktionen kreuzen sich seine Wege immer wieder mit denen Mejais und mit jenen einer von ihm unentdeckten Beobachterin mit roten Locken, die wie ein Mann gekleidet ist und fechten kann. Mejais Anfeindungen zum Trotz kann es der Skorpion als der galante Abenteurer, der er nun mal ist, nicht lassen, sie mehrmals vor dem Tod zu bewahren.

Als Trebaldis Sieg unaufhaltsam scheint, greift der Skorpion, der sich grundlos attackiert fühlt, nach einem letzten Strohhalm. Er folgt einem vagen Hinweis und begibt sich auf eine Reise in den Orient, um dort den Beweis dafür zu finden, dass das von Trebaldi in Rom präsentierte Petruskreuz eine Fälschung ist.


Der Skorpion Bd. 4Und obwohl Mejai es dem Skorpion sehr übel nimmt, dass ihre Kunst bei ihm versagt hat und ihm schwört, ihr Werk eines Tages zu vollenden, beschliesst sie, ihn und den Husar auf dieser zu begleiten. Schliesslich hat Rochnan, der unerbittliche Befehlshaber der Mönchskrieger, nicht nur den Skorpion, sondern auch Mejai auf der Abschussliste.
Auch Rochnan umgibt übrigens ein Geheimnis, denn niemand kennt sein Gesicht, das hinter einer Goldmaske verborgen ist.
Auf der Reise, die den Skorpion und seine Begleiter über Istanbul ins Heilige Land führt, überschlagen sich die Dinge, d. h. die Allianzen wechseln in schneller Folge. Der Skorpion gerät nicht nur ins Visier von Rochnan und der Rothaarigen, sondern auch von rivalisierenden Schatzjägern und blutrünstigen islamischen Fürsten.

Bemerkenswerterweise werden hier nicht fiktionale Figuren um historische Persönlichkeiten gruppiert, um ein möglichst authentisches Porträt einer Zeit zu malen. Vielmehr erzählen Désberg/Marini eine spannende Geschichte, die zwar im 17. Jahrhundert verortet ist, in der aber alle Figuren bis hin zu den Päpsten völlig frei erfunden sind.

Alle Bände verfügen über eine Einleitungssequenz, die ein für die Handlung bedeutsames Geschehen in der Vergangenheit abbilden und die von einer Farbe dominiert sind. Am Ende eines Bandes steht meist ein veritabler Cliffhanger.

Ich muss gestehen, als ich Band 1 das erste Mal im Comicshop sah, war es mir fast zu plakativ, zu kitschig irgendwie (den Skorpion halte ich nicht für das originellste Tier, das man zu seinem Zeichen nehmen kann). Als ich dann die ersten drei Bände in der Bibliothek entdeckt hatte, haben mich aber die Charaktere und die grossartigen Zeichnungen (trotz der Verschwörungstheorien) so gepackt, dass ich die restlichen Bände umgehend kaufen musste.

Das Setting der Story ist eine eher ungewöhnliche Variante im Mantel-und-Degen-Genre (Archäologe, Rom), und obwohl einige der Wendungen relativ früh vorhersehbar sind, ist die Reihe dennoch nie langweilig.

Was den Comic in erster Linie zu einem Erlebnis macht, ist die fesselnde Arbeit von Enrico Marini, der seinen Zeichnungs- und Malstil in dieser Reihe im Vergleich zu früheren Werken («Gipsy», «Raubtiere») noch eine Stufe «feiner» gestaltet. Er beherrscht nicht nur den sicheren Tuschestrich, sondern ist vor allem auch ein Meister der Farbgebung. Seine kraftvollen Farben strahlen eine eigene Faszination aus, sei es in römischen Gärten, orientalischen Ruinen oder Mejais Kleidung. Zuweilen könnte man Marinis Bilder wohl für kitschig halten, doch sind sie dafür einfach zu gut. Meiner Ansicht nach ist diese Darstellungsweise ideal, um einem Abenteurer-Charakter wie dem Skorpion gerecht zu werden, da sein Wesen von der Dynamik der Bilder gleichsam gespiegelt scheint. Ausserdem stellt er die Figuren auffällig oft mitten in der Bewegung dar. Seine Bilder verfügen so über eine hohe Dynamik (und erinnern an Klassiker wie etwa Will Eisners «Falken der Meere»), sodass man stellenweise fast glaubt, einen Trickfilm verfolgen zu können.

Die Reihe ist nichts für Menschen, die sich mit der katholischen Kirche identifizieren, da diese in der Darstellung von Trebaldis Machenschaften und den Mönchskriegern stark kritisiert wird. Sie bietet aber ein farbenprächtiges Lesevergnügen für all jene, die sich an der einen oder andern Verschwörungstheorie nicht stören und die sich gern in den Bann von eleganten, aktiven Abenteurerfiguren und deren Entourage ziehen lassen.

Bilder
Titelbilder Band 1 und 4 (www.amazon.de)


Der Skorpion.
Bd. 1 bis 7. Hamburg: Carlsen Comics, 2001–2007.


Bd 1: Das Teufelsmal
2: Das Geheimnis des Papstes
3: Das Petruskreuz
4: Der Dämon im Vatikan
5: Das heilige Tal
6: Der Schatz des Templers
7: Im Namen des Vaters.


Bisher sind auf Deutsch sieben Bände erhältlich, der achte (erschienen 2007) ist bislang nur auf Französisch erhältlich (Le Procès Scorpion).

 

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