Die Rache der Deutschen
Die Rache der Deutschen ... an den Alliierten ist nicht Uwe Boll. Wer das behauptet, der hat sich noch keinen Film von Ulli Lommel angesehen. Der einstige Fassbinder-Epigone, der Ende der 70'er nach Amerika ging, hat in seiner Zeit dort solch unsäglichen Müll gedreht, dass man diesen im Grunde nur ertragen kann, wenn man sich im Delirium befindet. Da ist sein US-Erstling THE BOOGEY MAN (1980), den er im Rahmen der damaligen Slasherwelle drehte, noch der erträglichste, wenngleich auch schon ein Langweiler.
Nebenbei: Um seine Qualitäten schon vorab zu ergründen – im Jahre 2004 schenkte uns Ulli Lommel den legendären deutschen Trashheuler DANIEL DER ZAUBERER. Noch Fragen?
The Raven (2006)
"Ich habe Kopfschmerzen."
"Dann geh' doch zum Zahnarzt."
Oh Mann, wenn ich solche Dialogsätze höre. Kann man davon auf den ganzen Film schließen?
Über die Jahre entwickelte Ulli Lommel ein Faible für Serienkiller und drehte eine ganze Reihe über solche, die real in der Kriminalgeschichte der USA verankert sind. Einigen davon werden wir noch begegnen. Hier nun kommt THE RAVEN ins Spiel. Basierend auf dem klassischen Gedicht von Edgar Allen Poe spinnt Lommel die nicht vorhandene Geschichte von Lenore, die als Waisenkind in ein Kloster kam und von ihrem Opa schon als Kleinkind die Gruselgeschichten von Poe vorgelesen bekam. Sie entwickelt sich zu einer Frau, die bis zum heutigen Tag von einem Mörder verfolgt wird, der all jene umbringt die sich in ihrem Umfeld befinden.
Wie das alles zusammen passt? Keine Ahnung, das wird mir vermutlich auch Lommel nicht erklären können. Der Film ist eine Collage aus Gegenwart, Vergangenheit, verschiedenen Orten und Personen. Die Sprünge sind kaum nachvollziehbar. Während der Ganzen Zeit schwebte mein Daumen über dem Aus-Knopf der Fernbedienung. Unfassbar, aber ich habe den Quark durchgestanden, der meines Erachtens nicht den Funken von Intelligenz besitzt.
Filmisch ist das Ganze eine Zumutung. Die Mordsequenzen sind so stümperhaft inszeniert, dass man nur verständnislos den Kopf schütteln kann. Dabei röchelt der Killer, als hätte Darth Vader sich im Film verirrt. Lustig auch - der Killer sticht unzählige Male auf die Opfer ein, man sieht jedoch kaum Blut und Stichwunden. Nach der Tat schleift er seine Opfer weg, aber es bleibt nicht ein Blutstropfen zurück. Jeder Mord wird begleitet von Blicken auf Strommasten und einigen blutrot über das Bild geschriebenen Flüchen, die in der deutschen Fassung von einer hässlich dröhnenden Stimme übersetzt werden. Immer wieder diese Strommasten, ein paar am Himmel ziehende Vögel, eine Kreatur mit Krallenhänden die Auto fährt. Poe selbst steht an einem Pult und kritzelt auf einem Papier, dabei werden Passagen seines Gedichtes zitiert. Vor ihm liegt die erwachsene Lenore und träumt den ganzen Quatsch - oder doch nicht? Der Film gibt keine Antwort auf diese Frage.
Ehrlich, wer behauptet, schon schlechte Filme gesehen zu haben, der hat THE RAVEN bisher noch nicht vor Augen gehabt. Diverse Filme von Ulli Lommel sehen genauso mies aus. Nein, ich komme zu der Ansicht, dass Ed Wood ein filmisches Genie und ein Meister der Erzählkunst war. Lommel hingegen ist weder witzig noch unfreiwillig komisch, er ist weder spannend noch mitreißend. Seine Filme sind einfach nur langweilig und dumm. Da verbietet sich ein Vergleich mit Uwe Boll sogar, der selbst dann, wenn er schlecht sein will, diese Tiefe niemals erreicht.
Lommels Hauptinteresse gilt Serienkillern, was schon sein Frühwerk DIE ZÄRTLICHKEIT DER WÖLFE (1973) nahe legt, in dem er sich mit Fritz Haarmann auseinander setzt. So war der BOOGEY MAN nur eine konsequente Fortführung. Er begann wenig später einen Zyklus um die Serienmörder der USA. THE VALLEY INTRUDER setzt sich mit Richard Ramirez (Adolph Cortez) auseinander, der Mitte der 80'er vor allem Frauen tötete, alle im Namen des Satans.
Einen Inhalt wiederzugeben erspare ich mir. Es gibt keine lineare Handlung. Das ganze Ding zeigt uns den gestörten Killer, der lollilutschend durch die Gegend zieht und sich inspirieren lässt. Kann er einen Bezug zu dem Opfer herstellen, dann verfolgt und tötet er es. Dabei werden wir aus dem Off mit den Gedanken des Mörders konfrontiert. Diese sind derart menschen- und vor allem frauenverachtend, dass der deutsche Vertreiber Marketing Video sich genötigt sah, auf einer Tafel vor dem Film klarzustellen, dass es sich nur um die Gedanken des Mannes handelt und diese in keiner Weise mit dem Label in Verbindung zu bringen sind.
Diese Gedanken begleiten uns den ganzen Film. Dialoge sind eine Rarität. Es ist eigentlich eine interessante Herangehensweise, doch mit der Zeit nervt es nur. Die Stimme ist zudem stark verzerrt, sodass ein Verstehen schwer gemacht wird. Eigentlich gibt es nur Adolph Cortez als Darsteller, der gesamte Rest ist Staffage, entweder als Opfer oder als Zufallsbegegnung. Ich hatte mir den Film nur angesehen, weil das Cover in der Headline Jamie Bernadette angab. Ja, sie ist auch drin, für rund fünf Minuten, bis sie umgebracht wird.
Wirklich nervtötend, neben dem ständigen proletenhaften Offgesülze, ist die handwerkliche Arbeit. Die Farbgebung ist unter aller Kanone. Mag sein, dass Lommel damit die Dreckswelt zum Ausdruck bringen will, in der sich sein Protagonist bewegt, aber da der Film als Ganzes wenig Sinn ergibt, sitzt der Zuschauer irgendwann nur noch verärgert und gelangweilt davor. Ständig wird man mit Großaufnahmen des Gesichtes gefoltert, aus dem der Lolli einfach nicht verschwindet. Bei Kojak war das lustig, hier ist es nur nervtötend. Der öde Soundtrack, reiner instrumentaler Minimalismus, schafft zu keiner Zeit etwas Atmosphäre. Bitte, wer soll denn so etwas durchalten, auch wenn der Film nicht sonderlich lang ist?
THE VALLEY INTRUDER ist einer der miesesten Filme die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Er ist weder spannend noch wachrüttelnd, weder unterhaltsam noch intensiv. Er ist einfach nur dumm und langweilig. Ich denke, Uwe Boll würde einen solchen Müll niemals drehen.
Wie kommt man eigentlich darauf aus ZOMBIE NATION den Titel ZOMBIE WOMAN zu kreieren? Und wenn man schon eine Umtitelung vornimmt, dann sollte diese stimmig sein. ZOMBIE WOMEN wäre korrekter gewesen. Aber was soll's, der Film ist derartige Gedankenspiele eigentlich nicht wert.
Ist schon dreist was Lommel hier präsentiert. Auch wenn es diverse Abweichungen gibt, so haben wir es versteckt mit einer unverfrorenen Neuverfilmung von MANIAC (1980) zu tun. Besonders beeindruckt war Ulli wohl von der Schlusssequenz, in der die Schaufensterpuppen lebendig wurden und den Mann töteten. Hier lässt er halt die Opfer des Killers aus den Gräbern steigen.
Es geht um einen Polizisten der zum Serienkiller wird. Wie? Warum? Er wurde von seiner strengen Mutter ständig unter Druck gehalten. Na ja, wenigstens mal etwas zur Erklärung. Ein Handlungsverlauf ist wie immer bei Ulli nicht zu erkennen. Der Kerl hat einen jungen Mann als Partner auf Streife. Jener ist befremdet ob der Tatsache, dass er ständig Zeuge wird, wie sein Mitfahrer Frauen entführt, sie in eine Lagerhalle bringt und wenig später mit einer riesigen prall gefüllten Reisetasche wieder heraus kommt. Er meldet es, doch die Kollegen auf dem Revier wissen um das kranke Hobby und decken es. Da sie Ergebnisse vorweisen müssen verhaften sie kurzerhand einen stadtbekannten Spanner und setzen ihm körperlich so zu, dass er die Morde gesteht. So kann der Polizist weiter machen, bis eine Voodoo-Priesterin die Opfer wiedererweckt. Jene rächen sich gar fürchterlich an ihrem Mörder.
Einen Film wie diesen sollte man schon gesehen haben, wenn man Filme um Serienmörder negativ beurteilen möchte. Ulli Lommel kann jede vernichtende Kritik noch toppen. Immer mehr frage ich mich wie es kommt, dass der so viele Filme drehen darf und wie es ihm gelingt Leute zu finden, die in diesem Quatsch mitspielen wollen.
Diese ständigen Orts- und Zeitwechsel machen es unmöglich selbst dem simpelsten Handlungsstrang zu folgen. Offenbar ist es auch für ihn zu schwer. Er verheddert sich in unlogischen Abläufen, vergisst angefangene Handlungsstränge und streut immer wieder Bilder ein, die in keinem Zusammenhang mit dem Geschehen stehen. Dieses Mal tritt er sogar selber auf, als Therapeut, der sich mit dem Polizisten auseinander setzen soll. Mitten in der Sitzung erfolgt ein Umschnitt auf einen anderen Schauplatz - Ende, wir kehren nie wieder zurück.
Die "Schauspieler" sollte man besser nicht so genau beachten. Niemanden könnte man als solchen bezeichnen. Ein Vergleich zwischen dem Polizisten und Joe Spinell in MANIAC verbietet sich, obwohl die Figuren sehr ähnlich angelegt sind. Wenn es etwas an dem damaligen Skandalslasher gibt das erinnerungswürdig ist, dann die intensive Darstellung des Killers durch Spinell, an dessen Leistung der Mann hier nicht mal in hundert Jahren heranreichen wird.
Das Outfit der Zombiefrauen ist eine Erwähnung wert, denn so etwas habe ich zuletzt in einigen spanischen Trashheulern der frühen Siebziger gesehen. Rund um die Augen wurde die Haut geschwärzt - fertig. Zudem können die untoten Ladies sabbeln und machen sich Gedanken über ihre Zukunft.
Vielleicht will ich es einfach nicht wahr haben, weshalb ich mir immer wieder mal einen Film von Ulli Lommel gebe. Wenn ich es mir aber recht überlege, dann steht der langweilige THE BOOGEY MAN turmhoch über dem restlichen Schaffen dieses Mannes. Seine Filme sind Trash der unangenehmen Sorte. Sie sind von Unvermögen gekennzeichnet, selbstverliebt und unbelehrbar. Und es sollte einem zu denken geben, dass fast keine seiner Regiearbeiten in den IMDb-Userreviews mehr als zwei von 10 Sternen erhält. Der Standard ist ein Stern. Letztlich gilt nämlich - kennst du einen kennst du alle.
Besser ist es aber, man lernt sie gar nicht erst kennen.
Kommentare
Mir macht Herzogs Nosferatu mehr Spaß als der von Murnau, ich halte ihn für den schöneren Film, obwohl ich an sich Murnau sehr mag (Der letzte Mann ist fantastisch) und mit Herzog meist nicht viel anfangen kann, nicht mal wirklich mit Aguirre.
Und der damalige Neue Deutsche Film hat doch insgesamt sehr viel bewegt, und einige der schönsten deutschen Filme überhaupt hervorgebracht.
Auch Jesus Franco möchte ich ein wenig verteidigen. Er hat zwar auch jede Menge langweiligen Schrott gemacht, darunter auch dermaßen schlampige Filme, mit denen man belegen könnten, daß man auch erarbeitetes Können wieder komplett verlieren kann. jedoch gab es auch Phasen in denen er auch immer wieder Mal sehr gelungene Filme abgeliefert hat. Während sein Dracula mit Christopher Lee eher armselig daher kommt, besitzen seine weibliche Bram Stoker Version Vampyros Lesbos oder seine De Sade Hommage Eugenie de Sade, neben viel Erotik, auch so einige filmische Qualitäten. Der Mann hat sein Handwerk schließlich bei Orson Welles gelernt.
Ed Wood dagegen ist tatsächlich hoffnungslos, und nicht mal unfreiwillig komisch genug, um nicht todlangweilig zu sein.
Also mal ehrlich, würde ich Filme von Herzog oder Fassbinder usw. ehren und schätzen, wäre ich wohl extrem am heucheln. Die Filme guck ich mir nicht mal an, wenn man mir dafür Geld bieten würde.
Bei Jess Franco mache ich da aber gerne ein paar Ausnahmen.
Nun ja, da habe ich von Jess Franco ja einige Filme mehr, wie man auch aus meiner kleinen Franco Filmreihe ersehen kann, die vor einiger Zeit im Zauberspiegel präsent war.
Aber ich gebe durchaus zu, das ich für seine Filme schon in gewisser Weise in der richtigen Stimmung sein muss, um sie in den Player zu schieben.
Schlechte "Tag für Nacht" Szenen gibt es dagegen auch in teuren Filmen, das würde ich ihm und anderen Billig-Filmen kaum vorwerfen. Das war damals, wie z.B. auch miese Rückprojektionen, akzeptierter Standard.
Zum einen hat der damalige "NDF" dem deutschen Kino überhaupt mal wieder eine Aufmerksamkeit verschafft, die dieses davor über 30 Jahre vollkommen zu recht nicht mehr hatte, und zum anderen hat dieser eher unkommerzielle ausgerichtete NDF eben doch auch mit einigen Werken kommerziellen Erfolg gehabt. Herzogs Nosferatu etwa hatte hierzulande überraschenderweise mehr Zuschauer als Carpenters Halloween.
Noch erfolgreicher war im selben Jahr Die Blechtrommel, der mit fast 4 mio Zuschauern erfolgreicher war als Steiner - Das Eißerne Kreuz oder Das Boot. Fast soviel wie im selben Jahr Superman, und mehr als z.b. alle 4 Indiana Jones Filme in der BRD hatten.
Und auch Schlöndorfs "Terroristen-Schrott" fand etwa 1,2 Mio Zuschauer, nicht schlecht für so einen etwas sperrigen Film