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Club der untoten Männer

Schrott auf DVD und BluRayClub der untoten Männer

Was ist ein schlechter Film? Nun, diese Betrachtung ist sehr subjektiv, denn es liegt immer im Empfinden des Zuschauers.

Filme die ich schlecht finde muss ein anderer nicht zwangsläufig auch so ansehen. Für mich sind zum Beispiel die weitaus meisten der heutigen A-Filme schlecht. Da wird es manch einen Leser geben, der nun die Stirn runzelt und ein Fragezeichen über dem Kopf trägt.

Eine Mystery-TV-Serie, in der Vampire die zentralen Figuren sind, ist nichts Neues. Da muss man kein Augenmerk drauf legen, auch wenn diese Kreaturen längst nicht mehr so eindimensional dargestellt werden wie im vorigen Jahrhundert. Oder doch? Es ist das Umfeld, welches dieses Werk unterscheidet. Normalerweise würde man Abstand nehmen, wenn man nicht einer solchen Szene angehört.

The Lair, Staffel 1The Lair, Staffel 1 (2007)
(The Lair, Season 1)
Regie: Fred Olen Ray – mit David Shae, Peter Stickles, Dylan Vox, Beverly Lynne, Colton Ford, Jesse Cutlip, Brian Nolan

THE LAIR spielt im Schwulenmilieu. Zu meiner Überraschung hatte sich meine Stammvideothek die erste Staffel in den Verleih gestellt. Man findet selten Discs der Labels Pro-Fun Media oder Edition Salzgeber in Verleihvideotheken. Die Ausleihzahlen sind unterirdisch. Vielen Menschen ist es peinlich mit solchen Filmen zum Tresen zu gehen. Die Leute könnten ja denken man sei homosexuell. So etwas stempelt einen Menschen heutzutage immer noch als negativ ab. Mir ist das egal. Mein Interesse an Filmen, die nicht der Norm entsprechen, hat mich schon immer dazu getrieben bei den Videothekaren Stirnrunzeln zu verursachen. So gehe ich dann mit einem Arthaus- und einem Pornofilm nach vorne, ist halt interessant.

Über THE LAIR unterhielt ich mich kurz mit der mir vertrauten Dame hinter dem Tresen. Es sei ein Versuch gewesen, die Staffel habe man günstig einkaufen können. "Queer Cinema" ist nicht gefragt, zumal die Veröffentlichungen sehr oft nicht synchronisiert sind. Das trifft auch auf diese Serie zu. Mir ist das prinzipiell nicht wichtig. Ich hatte schon von Pro-Fun Media die exzellente BBC-Lesbenserie LIP SERVICE genossen, auch nur untertitelt. Übrigens bin ich nicht homosexuell, aber ich bin für jedes Thema offen.

Was mich etwas befremdete, bevor ich mir das Zeug angeschaut habe, war der Name des Regisseurs. Fred Olen Ray ist nicht gerade ein Garant für Qualität. Er ist ein Billig- und Schnellfilmer. Nach einigen Amateurfilmen Ende der 70'er drehte er seit den 80'ern kruden C-Film-Müll. Wie sich jeder denken kann, der meine Artikel verfolgt hat, gefallen mir diverse seiner Filme trotzdem. Er arbeitete einige Zeit mit Jim Wynorski zusammen, wobei er der eindeutig Schwächere von Beiden war. Aber so einer macht eine Schwulen-Vampir-Mysteryserie? Oh my god ...

Billig ist es. So manches No-Budget Produkt sieht teurer aus. Es gibt fast keine Straßenszenen, beinahe Alles wurde in karg ausgestatteten Räumen abgedreht. Es gibt keine namhaften Darsteller, was der Serie aber eindeutig zum Vorteil gereicht. Um so authentisch wie möglich zu sein castete man in der Szene. Und jene Leute besaßen keine Hemmungen.

Bevor ich nun zum Inhalt komme muss ich sagen, dass ich bisher eben nur jene ausgeliehene "first season" gesehen habe. Es gibt derer drei. Sie wurden für den US-Sender "Here!" produziert, einem Kanal für Homosexuelle. Die zweite Staffel ist bei uns noch erschienen, von der dritten ist mir nichts bekannt. Auch muss ich gestehen, dass mir das Ganze gefallen hat. Ich kann mit dem Look von Z-Filmen eben gut leben und so bereitet mir auch das hier gezeigte Ambiente keine Schwierigkeiten. Nur bei den Sexszenen habe ich meistens zur Seite geschaut. Homosexuelle mögen mir verzeihen, aber in mir regt sich dabei Ekel. Das bedeutet nicht, dass ich etwas gegen Leute habe, die gleichgeschlechtliche Liebe bevorzugen.

In einer nicht näher genannten Stadt häufen sich seltsame Mordfälle. Die Opfer sind ausschließlich Männer welche nackt aufgefunden werden. Sie starben an Blutverlust und weisen Wunden am Hals auf. Sheriff Trout (Colton Ford) steht vor einem Rätsel, denn die Männer stammen nicht aus der Stadt und besitzen keine Personalien. So werden die Verbrechen schlicht die "John Doe Morde" genannt. Unterdessen versucht der Reporter Thom Etherton (David Shae) auf eigene Faust zu recherchieren. Von einem Mann namens Frankie (Brian Nolan) erhält er ein Amulett sowie den Hinweis auf einen Nachtclub namens "The Lair", einer stadtbekannten Bar für Schwule. Zuhause bekommt er Ärger, denn sein Partner Jonathan (Jesse Cutlip) hat ihn beobachtet und vermutet, dass Thom einen neuen Liebhaber hat. Von Eifersucht getrieben stiehlt Jonathan das Amulett und geht in die Bar, wo er Frankie zur Rede stellen will. Er wird jedoch das Opfer eines Vampirs, stirbt aber nicht, wird gefunden und ins Krankenhaus gebracht, wo er in einer Art Wachkoma dahin vegetiert. Thom versucht mit seiner Kollegin Laura (Beverly Lynne)  seinen Freund zum Reden zu bringen, doch jener reagiert auch auf seine Anwesenheit nicht.

Im "The Lair" herrscht Damian (Peter Stickles), ein 200 Jahre alter Vampir. Seine rechte Hand ist Colin (Dylan Vox), der jedoch unverhohlen darauf spekuliert Damian auszuschalten und dadurch selbst Oberhaupt der Familie zu werden. Damian verliert ein wenig seine Kraft und Übersicht, als er in Thom die Reinkarnation jenes Mannes zu erkennen glaubt, der ihn damals zum Vampir machte und den er abgöttisch liebte. Jener hatte ein Bild von Damian gemalt. Als er ihn zum Vampir machte, brachte dieser ihn im Affekt um. Das Bild aber wurde verflucht und spiegelt fortan den Zustand von Damian wider. Damian hypnotisiert Thom und lockt ihn so in das Lair. Seine Hoffnung erfüllt sich jedoch nicht. Um ihn vor seinen Widersachern zu schützen bringt er Thom in den Keller. Währenddessen erwacht Jonathan aus der Lethargie, kann sich aber an nichts erinnern. Er wird trotzdem entlassen, Laura begleitet ihn. Nun ergreift Colin die Initiative. Er entwendet das Bild von Damian, zieht Frankie auf seine Seite und bringt Laura unter Hypnose dazu Jonathan zu ermorden. Der Junge könnte ein unliebsamer Zeuge werden, sollte die Erinnerung wieder einsetzen. Der Mordversuch misslingt jedoch. Sheriff Trout muss die Frau verhaften, auch wenn er zu ahnen beginnt, dass sie den Mord nicht vorsätzlich begehen wollte. Er sucht zusammen mit Jonathan das Lair auf um dessen Erinnerung zu wecken. Derweil hat Colin Damian überwältigt und mauert ihn ein. Thom kann sich befreien und stößt zu seinem Freund. Der Sheriff und sein Gehilfe werden von den Vampiren getötet. Jonathan entblößt seine Vampirzähne und beißt Thom.

Damit endet die erste Staffel. Mehrere hübsche Cliffhanger machen durchaus Appetit auf die zweite - für jene, die es ertragen können. Es ist nicht leicht, mit den billigen Sets, der statischen Kameraführung und den gezeigten homosexuellen Handlungen umzugehen. Letztere möchte ich in ihrer Wirkung und Authenzität nicht beurteilen, denn dazu fehlt mir der Zugang.

Auch wenn die Story vor Klischees nur so trieft, so ist sie doch nicht ganz unclever geschrieben und dargebracht. Bemerkenswert ist durchaus das Einflechten der Geschichte vom "Bildnis des Dorian Gray", welches recht schlüssig geschieht. Fred Olen Ray ist normalerweise kein guter Autor und Regisseur. Auch hier macht er einige Fehler, doch ich möchte behaupten, dass es sich bei THE LAIR um eine seiner besseren Arbeiten handelt.

Fraglos muss man die Darsteller loben. Sie sind allesamt erfahrene Schauspieler, wenn auch eben hauptsächlich in Szenefilmen tätig. So wirken sie sowohl im Aussehen wie im Darstellerischen authentisch. Gleichwohl beginnt ein Außenstehender wie ich irgendwann zu zweifeln. Sämtliche Kerle tragen ideal gewachsene und trainierte Körper zur Schau. Muss es so sein, ist das real? Oder scheut man sich gar normal aussehende Leute als Homosexuelle darzustellen? Man bedient hier ein öffentliches Klischee, meines Erachtens nicht gerade förderlich um Mauern zu überwinden. Absolut glaubhaft finde ich das Einflechten von Brittany Lynne als Laura, die eine freundschaftliche Beziehung zu Thom unterhält und auch an dessen Leben Anteil nimmt. Sie ist tatsächlich der einzige weibliche Charakter in der Serie und wirkt doch nicht wie ein Fremdkörper.

In dem auf der Disc enthaltenen "Behind the scenes" sprechen der Regisseur und die Darsteller von einer bemerkenswerten Neuerung. Das mutet grotesk an. Hält man sich aber vor Augen, dass die Serie 2007 entstand, dann kann man es besser verstehen. Der Sender war noch jung und hatte bis dahin lediglich die Schwulenreihe DANTE'S COVE produziert (welche dem Vernehmen nach noch billiger aussehen soll – das geht eigentlich gar nicht). Überdies ist der Stoff auch heute noch unüblich. Die weitaus meisten Schwulen- und Lesbenfilme sind (lediglich) Liebesgeschichten.

Die Serie ist erstaunlich offen und zeigefreudig. Manche der Sexszenen bewegen sich hart an der Grenze. Fred Olen Ray, selber nicht homosexuell, besitzt beachtlichen Mut. Solcher Art Sachen sind nicht zwingend förderlich für eine Karriere. Es spricht auch für ihn, dass er keine Scheu zeigt sich in Gefilde vorzuwagen, die andere nicht für Millionengagen betreten würden. Der Vampirmythos wird im Übrigen recht moderat in die Moderne verlegt. Einige Veränderungen waren nötig. Um etwa die Stadt nicht mit Vampiren zu übervölkern können nur jene nach einem Biss zum untoten Leben erwachen, wenn der Beißer es will.

Habe kürzlich gesehen, dass es einen Sampler mit den ersten beiden Staffeln gibt, der unter 10€ kostet. Mal schauen, vielleicht werde ich mir das mal leisten. Ich möchte doch wissen wie es weiter geht. Dann kann ich gewiss auch einen zweiten Artikel schreiben. Eine Empfehlung möchte ich nicht aussprechen, dazu ist das Programm zu speziell. Außerdem verhindert das extrem billige Aussehen einen Genuss für den Normalzuschauer. Es handelt sich aber um eine interessante Erfahrung.

Längst sind solche Produkte nicht mehr nur in Nischen anzusiedeln. Der Erfolg einer Lesbenserie wie THE L-WORD, die es auf beachtliche 7 Staffeln brachte, zeigt es auf. Für bahnbrechender halte ich jedoch LIP SERVICE, die konsequent, emotional tiefgreifend und inhaltlich wie technisch hochwertig war, es aber leider nur auf 2 Staffeln brachte. Schade, denn die Serie fand ich wirklich großartig. Für männliche Homosexuelle bleiben solche Serien noch aus. Stoffe wie THE LAIR können ob der billigen Herstellung kaum ein größeres Publikum erreichen und bilden eh' wegen des Inhalts eine Ausnahme.


Kommentare  

#1 Heizer 2018-09-30 15:07
Mir würden hierzu ein paar Sachen einfallen, Norbert....aber lassen wir das. Es ist schließlich Sonntag.
Nur soviel: Der ZS sollte Dir eine Gefahren- und Erschwerniszulage zahlen.
Im übrigen legst Du hier eine erfrischende Offenheit an den Tag.
Respekt.
PS: Ich halte mich selber für ein abgeklärtes, cleveres Bürschen, das dreifach chemisch gereinigt wurde.
Aber nach dem Lesen Deiner Artikel weiß ich, dass ich nichts weiß.
Zumindest filmhistorisch.
#2 AARN MUNRO 2018-10-01 09:33
Ein schlechter Fim ist einer, der kein guter Film ist. Hmm, und was macht einen solchen aus?
Für mich ist das Folgendes: Phantasie, Kreativität, Intelligenz, Logik in der Handlung, etwas Action, gute Kulissen/Kostüme/Tricks, eine Prise Humor (nicht zuviel), überzeugender Plot vom Thema und der Ausführung her, Herausführung aus der Alltagswelt, gute Darstellung, also Schauspieler, die sich Mühe geben.Guter Schnitt, gute Beleuchtung, gute Kameraführung.Wenn das alles oder irgendetwas davon nicht erfüllt ist, dann ist der Film schlecht.Punkt.Ich finde ebenfalls viele A-Filme schlecht. Ach ja, Alltagspolitik sollte nicht drin sein, dafür gibt's dann ja Dokus. Und Serien fürs Fernsehen und Spielfilme lassen sich doch ohnhin kaum vergleichen von den Qualitäten her ...

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