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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Wyoming und dem Wahlrecht für Frauen?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Wyoming und Frauen?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 10. Dezember fand ein bemerkenswertes Jubiläum statt, dass seltsamerweise kaum Beachtung in der Welt findet.

Am  10. Dezember 1869, führte das Territoriumsparlament von Wyoming – tief im amerikanischen Westen, wo Great Plains und Rocky Mountains aufeinandertreffen – das aktive und passive Wahlrecht für Frauen ein. Damit war Wyoming der erste Staat der Welt, der diesen bedeutenden Schritt hin zur Gleichberechtigung tat.

Keine der großen europäischen Nationen, sondern ein Gebiet, das als „hinterwäldlerisch“ angesehen wurde, buchstäblich als „Wilder Westen“, wurde zum Bannerträger des Fortschritts – und zwar Jahrzehnte bevor Staaten wie England, Deutschland und Skandinavien nachzogen.
Es geschah mitten im Goldrausch von Wyoming, in der Kistenbretterstadt South Pass City, wo eine couragierte Frau namens Esther Morris im Vorfeld der Wahlen zum Territoriumsparlament im Rahmen einer Wahlparty sowohl dem Kandidaten der Demokratischen als auch der Republikanischen Partei das Versprechen abnahm, im Fall seiner Wahl ein Gesetz zur Gleichberechtigung der Frauen einzubringen.

Esther Morris war eine eindrucksvolle Frau, groß, kräftig, durchsetzungsfähig. Allein ihre Erscheinung konnte ihr Gegenüber einschüchtern.

1869 wurde der Demokrat William Bright, ein ehemaliger Saloonkeeper, für den South Pass-Distrikt ins Parlament von Cheyenne gewählt. Er stand zu seinem Wort und brachte das versprochene Gesetz ein. Wohl zu seiner eigenen Überraschung, wurde es angenommen. Dieser erstaunliche Erfolg – im Parlament saßen schließlich nur Männer, die mehrheitlich dafür stimmten – unterliegt bis heute historischen und politischen Annalysen, deren Gehalt im Grunde zu vernachlässigen ist. Es zählte das Resultat. Vom 10. Dezember 1869 an durften die Frauen Wyomings zur Wahlurne gehen und selbst für öffentliche Ämter kandidieren. Die erste Frau, die davon Gebrauch machte, war jene Esther Morris, die 1870 zur Friedensrichterin gewählt wurde – die erste Frau der USA in einem solchen Wahlamt.

Eine amerikanische Historikerin schrieb über diesen Vorgang: „Dank eines völlig ungebildeten Mannes … wurde die Regierung des Territoriums Wyoming die erste in der Welt, die Frauen das Wahlrecht einräumte. … William Bright besuchte niemals eine Schule. Eher nebenbei lernte er lesen, schreiben und rechnen. Er war in Alexandria (Virginia) geboren und diente während des Bürgerkrieges in der Unionsarmee. 1850 arbeitete er als Maurer in Washington D.C. 1860 gehörte er zur Polizei der Hauptstadt.

Er ließ sich später mit seiner Frau Julia in Salt Lake City nieder und ging 1867 nach Wyoming, wo in den Rocky Mountains Gold entdeckt worden war. Nach Versuchen als Goldgräber, eröffnete er einen Saloon.”

Als der Goldrausch vorbei war, ging Brights Gasthaus pleite. Er zog mit seiner Familie nach Denver.

Dieses Gesetz blieb auch gültig, als das Wyoming-Territorium 1890 zum Bundesstaat der USA wurde. Es war sogar die Bedingung der Territoriumsregierung; denn es gab in jener Zeit noch kein Frauenwahlrecht auf Bundesebene. Juristisch gesehen hätte die Regierung in Washington Gesetze von neuen Bundesstaaten, die nicht dem Bundesrecht entsprachen, aufheben können. Aber Wyoming erklärte, daß es in diesem Fall seinen Antrag auf Aufnahme in die Staatengemeinschaft zurückziehen würde. Also blieb das Frauenwahlrecht unangetastet. So verfuhren später auch einige andere westliche Territorien. Denn – und das ist ebenfalls bemerkenswert – es waren überwiegend die Gebiete im amerikanischen Westen, die als erste Frauen für politisch gleichberechtigt erklärten. Das sich dieser tiefgreifende globale Wandel im sogenannten „Wilden Westen“ anbahnte, zu einer Zeit, als der amerikanische Kongress in Washington im 14. Verfassungszusatz den Begriff „Bürger“ und „Wähler“ ausdrücklich als „männlich“ definierte – war historisch gesehen keineswegs so überraschend: Die Pionierfrau hatte sich in den Gebieten an der Wildnisgrenze bewährt. Die frühen Kolonisten hatten begriffen, dass der Aufbau von dauerhaften Farmen und Siedlungen im Westen nur mit Hilfe ihrer Frauen möglich war. Die Frauen hier forderten dafür ihre Rechte ein. Daher war der weltweit lange verlachte Kampf der „Sufragetten“ im amerikanischen Westen besonders erfolgreich.

Konsequenterweise waren es die westlichen Staaten der USA, die als erste Frauen zu hohen politischen Amtsträgern wählten. Wyoming ging auch hier voran, als Nellie Ross 1925 Gouverneur des Staates wurde, die erste Regierungschefin der Welt.

Seither nennt sich Wyoming stolz – und mit Recht – der „Equality State“ – der Staat der Gleichberechtigung.

Über die gesamte Geschichte der Frauenrechtsbewegung in Amerika habe ich im Frühjahr einen viel beachteten Vortrag an der Hermann-Ehlers-Akademie gehalten: „Bonnets und Petticoats“.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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