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Ein Plädoyer wider die Synchronisation

"Whats that for a mist, that I see?“
Beverly Crusher m.d.,

USS Enterprise

„Was ist das für ein Mist, den ich da sehe“
Schiffsärztin Beverly Crusher,
USS Enterprise
Das Romanheft, das Universum ... und die Dinge dazwischen - Die Multimedia-KolumneEin Plädoyer wider die Synchronisation
- Warum Originalfassungen in der Regel besser sind –

Deutschland ist Weltmeister im Synchronisieren von Filmen. - Na und?

Keiner beherrscht Lippensynchron besser als wir Deutschen.

Jedweder, der dank DVD oder Urlaub polnische, spanische oder sonst wie geartete Synchronfassungen gesehen hat, weiß das ...


... aber trotz der perfekten Synchro geht unheimlich viel verloren. Von einigen Fehlern mal abgesehen, entsteht oft ein komplett anderer Film.

Das ist der Mist.

Solche Fehler wie in einleitenden Zitat sind lustig, aber kein allzu großes Übel. Daher will ich darauf kaum herumreiten. Viel schlimmer sind andere Dinge an Synchronfassungen.

Ich will mal mit Beispielen um mich werfen.

Da wäre die Sidney Lumet Verfilmung von Mord im Orient Express. Richard Widmark sprach mit starken amerikanischem Akzent, Ingrid Bergmann redet mit stark schwedisch Einschlag, während Sean Connery unheimlich schottisch angehaucht lispelt. Die Liste ließe sich fortsetzen. Inklusive Albert Finney als Belgier (Wallone) Poirot befleißigen sich alle eines mehr oder weniger ausgeprägten Akzents... Jetzt sucht diese Akzente mal in der deutschen Fassung! Sie machen einen Gutteil des Reizes des Films aus. Nur nicht in der deutschen Fassung. Alle sprechen mehr oder weniger Hochdeutsch.

Gleiches gilt für den Film „The Full Monty“ (dt. "Ganz oder gar nicht"). Der Film spielt im Norden Englands, in Sheffield, und einen Gutteil des Witzes und seiner Originalität bezieht der Film aus dem Akzent mit dem die Darsteller sprechen. In Deutsch ist das Hochdeutsch. Aber was hätte man machen sollen: Bayrisch, Platt oder Westfälisch? Das wäre albern.

Excalibur von John Boorman mag mein nächstes Beispiel werden. John Boorman hatte seinen Darstellern einen starken Touch in Richtung Shakespeare gegeben, was die Sprache angeht (was in der deutschen Fassung nicht mal ansatzweise berücksichtigt wurde).

Man rufe sich die Sequenzen in Erinnerung, als Merlin in der Zeit eingefroren und Artus im Steinkreis eingeschlafen war und vom verschollenen Mentor träumte. Artus fragt Merlin, ob er ein Traum sei. „A dream to some“ säuselt Williams in der Originalfassung, um dann richtig bedrohlich zu werden „A Nightmare to others!“.

Im Deutschen gibt Merlin alles korrekt wieder, aber weder säuselte die deutsche Stimme noch wurde sie im zweiten Teil des Satzes bedrohlich. Rezensenten beklagten oder lobten (je nach Geschmack) den Pathos in den Stimmen der Schauspieler. Als ich die deutsche Fassung sah, spürte ich davon nichts.

Aber darum geht’s mir im Moment eigentlich gar nicht.

Man erinnere sich der Schlacht in der Nacht zu Beginn des Films. Plötzlich erscheint Merlin (Nicol Williamson) auf dem Schlachtfeld. Er stapft selbstbewusst zwischen den Kämpfenden einher, als könne ihm nichts passieren.

In der Originalfassung flüstert er: „Uther“, denn Merlin als der Zauberer braucht nicht zu brüllen, um gehört zu werden. Der Schlachtenlärm übertönte ihn, aber Uther hörte den Zauberer, denn das war Teil der Macht Merlins.

Was war in der deutschen Fassung? Er sprach deutlich lauter, ja er rief schon fast „Uther!“ und übertönte den Schlachtenlärm.

Die Synchronisation raubt dem Film einen Teil seines Zaubers. Ich vermute, weil die Synchronregie den deutschen Zuschauer für zu dämlich hielt.

Auch ein Nachteil der Synchronisation ist, dass der deutsche Ton immer über dem Sound, dem Hintergrund liegt und ihn übertönt. So wird manchmal gar nicht verständlich warum ein Schauspieler den anderen nicht versteht. Beim Betrachten der Originalfassung wird das klar: Der Satz des Schauspielers geht im Hintergrundgeräusch unter.

Was auch immer schön ist und in der Synchro zu absurden Szenen führt, sind Beteiligte mit unterschiedlichen Sprachen.

Ich mache das Mal an der Episode mit dem Templern aus Robin of Sherwood von Richard Crapenter fest. Im ZDF folgten wir damals gebannt den Abenteuern Robin Hoods mit Michael Praed.

Als die Tempelritter erschienen, guckte man die immer fragend an, wenn die was sagten. Man fragte sich: Warum?

Nun beim Betrachten der Originalfassung wurde das klar: Die Templer sprachen deutsch und französisch, was die Engländer natürlich nicht verstanden. Richtig absurd wird das dann, wenn ein Dolmetscher dabei steht und der Hochdeutsch in Hochdeutsch übersetzt und klar verständliche Sätze wiederholt.

Blöd!

Ein gutes Beispiel ist auch Walk The Line. Joaquim Phoenix spielt Johnny Cash, trifft den Tonfall, die Besonderheiten in Cashs Aussprache, aber was bleibt davon in der deutschen Fassung übrig.

Nichts. Leider.

Ich hatte, als ich das Kino verließ, zwar den Eindruck ein guten Film gesehen zu haben, doch mir fehlte das gewisse Etwas. Die Gesangsnummern ließen erahnen, dass Phoenix Johnny Cash nahe gekommen war. Aber wie nahe, konnte ich erst erkennen, als ich mir die DVD geholt habe und die Originalfassung sah.

Der John Wayne-Film North To Alaska (dt. Land der tausend Abenteuer) hat auch zumindest eine Sequenz, die der Synchron-Regie um die Ohren gehauen gehört.

George (Stewart Granger) und Angel (Cappucine) wollen Sam (John Wayne) eifersüchtig machen. Sie feiern ausgelassen. Sam sitzt in der anderen Hütte am Tisch und er wird immer wütender, bis er schließlich einen völlig unartikulierten Ruf ausstößt, den der Untertitel mit „Timber“ wiedergibt (was logisch ist, den Sam McCord war mal Holzfäller und unter großen Anstrengungen kann man zumindest erahnen, dass er wirklich „Timber“ ausruft).

In Deutsch brüllt er „Caramba“.

Diese Liste ließe sich beliebig mit schwerwiegenden und weniger schwerwiegenden Beispielen fortsetzen. Über Seiten und Seiten. Aber damit möchte ich es (vorerst) bewenden lassen.

Was mir noch sauer aufstößt ist, wenn die deutsche Synchronregie auch dann sprechen lässt, wenn gar nichts gesagt wird. Die Blues Brothers sind ein gutes Beispiel dafür.

Jake (John Belushi) und Elwood (Dan Aykroyd) sitzen in einem Nobelrestaurant um Mr. Fabulous (Alan Rubin) wieder in die Band zu holen. Als wäre das, was im Original saukomisch ist, für den deutschen Zuschauer nicht deutlich genug, werden Wortfetzen und Gegrunze der Originalfassung hinzugefügt.

Baah! Wie doof!

Aber auch zu diesen Zusatzsätzen gibt es diverse Beispiele. Zumeist in Komödien, um diese noch komischer zu machen.

In dem Bemühen lippensynchron zu sein, gehen oft auch Untertöne und Regungen verloren, die der Schauspieler im Original rüberbringt. Das emotionale Moment wird so oft begraben. Manchmal werden auch völlig andere Stimmungen von der deutschen Synchronstimme rübergebracht. Die Stimme des Originals löst manchmal sogar gegensätzliche Stimmungen aus.

Das passiert oft und gerade asiatischen Filmen. Seien es Streifen aus Hongkong, Japan, Korea oder Thailand. Auch Bollywood-Filme ereilt dieses Schicksal.

Norbert Langer mag auch die bessere Magnum-Stimme gewesen sein. Aber in Stone Cold (eben mit Tom Selleck) fällt auf, dass Norbert Langer wieder das gewohnte Magnum-Sonyboy-Feeling rüberbringt. Das stimmt aber nicht mit dem Original überein. Denn „Jesse Stone“ ist beileibe kein Sonny Boy in dem Streifen. Eher ein gebrochener, in der Provinz vergammelter Charakter. Das bringt Selleck rüber – Langer nicht.

Ich könnte auch hier mein Gejammer lange fortsetzen, aber ich denke, ich habe meinen Standpunkt deutlich gemacht: Schaut mehr Originalfassungen! Wir brauchen mehr Kinos, die OmU (= Original mit Untertitel zeigen). Genießt die Originale. Es lohnt sich wirklich. Ganz ehrlich.

Synchronisation ist selbst bei Weltmeistern im Synchronisieren oft nur großer Mist, weil zuviel verloren geht, weil leichtfertig mit der Originalfassung umgegangen wird und weil das Bemühen um Lippensynchron mehr nimmt als es gibt. Im Grunde sind diese Fassungen fast genauso schlimm wie die der Polen, Türken und Spanier.

Kommentare  

#46 Mainstream 2010-08-04 12:12
-
Aber Laurin, ein Hamburger wäre auch absolut okay gewesen, weil der sich nicht,
wie irrtümlich immer angenommen, vom 'Ham' ableitet, sondern tatsächlich nach
den Auswanderern der deutschen Stadt benannt wurde. Stark, gell.

Zitat:
...das es genügend Leute gibt, die Filme im O-Ton bevorzugen, was ich persönlich nicht nachvollziehen kann,...
Dieses nicht nachvollziehen können, muss mir mal einer erklären.

Zitat:
Wollt ihr jetzt alle chinesisch lernen, und spanisch und französich???
Wer ist denn mit 'alle' gemeint? Oder willst Du jemanden einen Vorwurf machen,
das er, nur weil er englisch soweit versteht, um sich Filme im Original anzusehen,
dies dann auch tut?

Und Truffauts AMERIKANISCHE NACHT auf französisch zu sehen, war ein einzigartiges
Vergnügen. Mit Untertitel natürlich, weil ich kein Wort französisch verstehe. Jetzt
kommen vielleicht wieder die Argumente gegen die störenden Untertitel, oder?
Langsam bewegen wir uns hier im Kreis.
#47 Pisanelli 2010-08-04 12:24
Ehrlich gesagt, verstehe ich hier die "Aufregung" nicht so richtig. Jede DVD enthält inzwischen fast immer die Tonspur in der ursprünglichen Originalsprache. Wenn man also will, kann man sich das Original ansehen. Wer fremdsprachlich nicht so gut ist, kann sich ja Untertitel anzeigen lassen oder trotzdem in Deutsch gucken. Selbst die beste Übersetzung wird nie 1:1 gehen - dafür haben Sprachen nun mal kulturell immer feine Unterschiede, die man einfach nicht übersetzen kann - oder eben nur annähernd. Von daher halte ich jede Übersetzung für nicht 100%ig richtig.
#48 karl 2010-08-04 13:18
Ich habe mich viele Jahre lang gefragt, warum kein Sender z.B. die Serie "Red Dwarf" synchronisieren wollte. Nachdem ich mir die Originalfolgen bestellt und angesehen habe, weiß ich warum.

Der französische Kassenerfolg "Bienvenue chez les Ch'tis" hat mich auf deutsch amüsiert und man hat das Bemühen der Synchro gehört, trotzdem ist es einfach nicht gelungen, das typische Flair rüberwehen zu lassen.

Ein Plädoyer wider die Synchronisation verstehe ich allemal. Trotzdem bin ich froh, daß in deutschen Gefilden sehr viel "eingedeutscht" wird. Und genießen wir alle den Luxus, daß uns mit Bluray und DVD ( und etwaigen illegalen Wegen im Zwischennetz) diesbezüglich Tür und Tor mittlerweile schön weit offen stehen. Ich bin in einem düsteren Zeitalter aufgewachsen, wo Originalton bei Film und Serie kaum zu bekommen war.
Ist doch schön, wenn heutige Generationen amerikanische und britische Serien nur noch im Originalton sehen möchten.

Liefern einige aber dann ihre Kritiken in schriftlich gebrochenstem Deutsch ab, wage ich manchmal zu bezweifeln, daß die tatsächlich den Originalton wirklich verstehen können.
#49 Laurin 2010-08-04 14:14
mainstream: Wegen einem Bulettenbrötchen schneiden wir hier doch keinen ganzen Norddeutschen an, daß wäre Verschwendung :lol: !
#50 G. Walt 2010-08-04 14:53
"Wollt ihr jetzt alle chinesisch lernen, und spanisch und französich???

Wer ist denn mit 'alle' gemeint? Oder willst Du jemanden einen Vorwurf machen,
das er, nur weil er englisch soweit versteht, um sich Filme im Original anzusehen,
dies dann auch tut? "

Neeee. Dies klingt wiederum so als wolle man denen einen Vorwurf machen, die kein oder nur wenig Englisch können.

Wollt ihr jetzt alle chinesisch lernen, und spanisch und französich???

Wer ist denn mit 'alle' gemeint? Oder willst Du jemanden einen Vorwurf machen,
das er, nur weil er englisch soweit versteht, um sich Filme im Original anzusehen,
dies dann auch tut?

Neeee. Dies klingt wiederum so als wolle man denen einen Vorwurf machen, die kein oder nur wenig Englisch können.

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