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Gewinner und Verlierer. Was macht eine SF-Serie erfolgreich?

Das Romanheft, das Universum ... und die Dinge dazwischen - Die Multimedia-KolumneGewinner und Verlierer
Was macht eine SF-Serie erfolgreich?

Während die SF-Fans in Deutschland gespannt auf Mark Powers Band 2500 warten, erreicht uns eine Mitteilung aus dem Mohlberg-Verlag.

Dort wird dieser Tage im Rahmen des hauseigenen Nostalgieprogramms die Serie Perry Rhodan neu aufgelegt.

Jeweils drei der alten Bände werden in einem Softcover zusammengefasst. Bei der Überarbeitung will man sehr behutsam vorgehen, allerdings sollen die Texte "den Lesegewohnheiten der heutigen Zeit angepasst werden".

Wenn sich der Erfolg einstellt, ist eine Fortsetzung nicht ausgeschlossen. Als Bearbeiter soll Manfred Weinland fungieren. Perry Rhodan war neben Jim Parker eine der ersten deutschen SF-Serien, konnte sich letztendlich aber nicht gegen die übermächtige Präsenz von Mark Powers am Markt behaupten.

Mark Powers 2500Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche Fehler damals begangen worden sind. Vereinfacht gesagt handelt es sich um vier Bereiche: serieninterne Fehler, konzeptionelle Fehler, Fehler bei der Auswahl der Autoren und Fehler, die beim Verlag liegen.


A) Verlag
Beginnen wir mit dem letzen Komplex.

Perry Rhodan erschien damals im Moewig Verlag. Dort hatte man zwar schon Erfahrung im Bereich des SF-Heftromans sammeln können. Seit 1957 erschien Terra. Utopische Romane und seit 1958 gab man auch den umfangreicheren Terra Sonderband heraus. Damit gehörte man neben Pabel, Semrau und dem Lehning-Verlag zu den wenigen Verlagshäusern, die Erfahrung im Bereich der SF sammeln konnten. Allerdings erschienen bei Terra bis 1961 hauptsächlich Nachdrucke von Leihbüchern sowie Übersetzungen anglo-amerikanischer Autoren. Eine Serie innerhalb der Reihe hat es nicht gegeben.

Ganz anders die Situation bei Pabel. Hier war man 1953 mit Utopia als erster deutscher Verlag in den SF-Bereich vorgestoßen. Schon ein Jahr später legte man mit dem Utopia Großband nach und gab erstmals auch deutschen Autoren die Möglichkeit, im Heftroman erstzuveröffentlichen. 1956-58 erschien kurzfristig zusätzlich Utopia Kriminal, das sich aber nicht auf Dauer durchsetzten konnte. Wichtig auch, dass Pabel innerhalb der Utopia Reihe jahrelang Romane der Serie Jim Parker veröffenlichte, also schon über Serienerfahrung verfügte. Dazu kam, dass im gleichen Haus auch andere Serien wie z.B. die Fledermaus erschienen. Rückblickend erscheint es schon mutig von Moewig, dem Pabel-Verlag auf seinem ureigensten Gebiet Paroli bieten zu wollen.

B) Autoren
Auch hier muss man sagen, dass die Chancen von Perry Rhodan von vornherein nicht besonders groß gewesen sind. Betrachten wir doch einmal die Autoren der Serie. Nur K.H.Scheer brachte durch seine ZBV-Romane so etwas wie Serienerfahrung mit. Clark Darlton dagegen war bis dato eher durch sein Wirken im Fandom und als Übersetzer und Redakteur in Erscheinung getreten. W.W.Shols war ein erfolgreicher Leihbuchautor, verfügte aber über keinerlei Serienerfahrung, das gleiche galt für seinen Nachfolger Kurt Brand. Kurt Mahr und William Voltz waren junge Autoren, die vorher nur einige wenige Romane verfasst hatten. Shols wechselte denn auch schon nach wenigen Monaten zu Mark Powers, hatte die Zeichen der Zeit richtig erkannt. Unverständlicherweise hatte man im Vorfeld Freder van Holk, den einzigen deutschen Autoren, der vorher eine Serie (Sun Koh)  in Form von Fortsetzungsgeschichten geschrieben hatte, nicht in das Autorenteam aufgenommen.

Bei Pabel ging man viel routinierter und umsichtiger an die Autorensuche. Zuerst sicherte man sich die Dienste van Holks, der quasi im Alleingang die ersten Romane von Mark Powers schrieb und so entscheidend zur Serienkontinuität beitrug. Zusätzlich wurden dann einige enge Freunde wie W.P. Hoffmanns zur Mitarbeit eingeladen. Nachdem nach einem Vierteljahr feststand, dass Mark Powers ein Erfolg werden würde, ergänzte man das Team um einige der damals erfolgreichsten und bekannsten Leihbuchautoren. Dazu gehörten der inzwischen bei Perry Rhodan ausgestiegene Shols, aber auch J.E. Wells und vor allem Jay Grams, der mit seinen dunklen SF-Romanen eine der bemerkenswertesten Erscheinungen in der damaligen Leihbuchszene war. Und auch Alf Tjörnsen, der bereits jahrelang bei Jim Parker geschrieben hatte, stieß jetzt zur Mannschaft. Zusätzlich gab man dann jungen vielversprechenden Autoren wie H.G.Francis, Manfred Wegener, Staff Caine (=Hermann Peters) und Peter Theodor eine Chance. Diese Mischung setzte sich letztendlich durch, war wohl weitaus interessanter als der "Einheitsbrei" der Konkurrenz.

Heinz MohlbergC) Die Konzeption
Die Erfahrung zeigt, dass alle erfolgreichen Heftserien nach dem selben Muster gestrickt sind. Egal ob John Sinclair, Jerry Cotton oder eben Mark Powers, immer besteht jedes Heft aus einem in sich abgeschlossenen Einzelabenteuer. Auch die durchaus einmal vorhandenen Doppelbände verändern das Muster nicht. Dabei handelt es sich halt um auf den doppelten Umfang gebrachte Romane. Es gibt zwar einen Helden oder besser ein kleines Heldenteam, das die Klammer zwischen den einzelnen Romanen herstellt, aber keine fortlaufende aufeinander aufbauende Handlung.

Dafür gibt es mehrere gute Gründe:
  • Heftromanleser suchen kurze Entspannung zum Beispiel während einer Zugfahrt. Da kann man sich nicht mit Vorkenntnissen aus 10 oder 20 Romanen belasten. Bei den Einzelabenteuern kann jederzeit mit jedem Band eingestiegen werden, bei einer fortlaufenden Handlung wäre dies nicht möglich.
  • Für eine fortlaufende Handlung muss ein enormer Mehraufwand betrieben werden. Zusätzlich zu den Autoren muss eine Art Koordinator Exposés für jeden einzelnen Roman verfassen. Damit wird die Kreativität der einzelnen Autoren empfindlich eingeschränkt. Ausserdem muss im Laufe der Zeit eine enorm wachsende Menge von Daten zu Handlungsträgern, Orten, Völkern, Technik usw. zusammengetragen und für die einzelnen Autoren jederzeit abrufbereit gehalten werden. Das alles sind erhebliche Mehrkosten, die auf den Preis der Hefte aufgeschlagen werden müssen. Berufstätige Autoren sind ausserdem kaum in der Lage bei einer fortlaufenden Handlung mit unbedingt einzuhaltenden Abgabeterminen mitzuwirken.

Also Verlag, Autoren und Leser wird bei einer fortlaufenden Handlung erheblich mehr abverlangt als bei in sich abgeschlossenen Einzelabenteuern.

D) Serieninterne Fehler

Hier könnte man jetzt eine ganze Menge Dinge aufzählen. Ich möchte mich jedoch auf einige zentrale Beispiele beschränken.

Bei den Handlungsträgern gab es bedingt, durch die Serienkozeption einer über Jahrhunderte gehenden Menschheitsgeschichte ein ständiges Kommen und Gehen. Liebgewonnene Charaktere wurden ständig ausgemustert. Gravierende Beispiele waren die beiden Arkoniden Thora und Crest. Beides zentrale Figuren der Perry Rhodan Serie, die noch vor Band 100 rausgeschrieben wurden. Bei anderen Charakteren bediente man sich des Kunstgriffs der Lebensverlängerung mittels Zelldusche und später des Zellaktivators. Dies erscheint auf den ersten Blick ein genialer Trick. Aber: Welcher Leser identifiziert sich schon mit einem Unsterblichen?

Perry Rhodan, die Hauptfigur und der zentrale Handlungsträger der Serie, wurde zum Regierungschef der Menschheit gemacht. Als Hauptfigur muss er einerseits ständig im Mittelpunkt der Handlung stehen, als Regierungschef sich aber eigentlich ständig im Hintergrund halten, ansonsten wirkt sein Verhalten auf die Leser unrealistisch und nicht rollenkonform. Dies war ein zentrales Problem der Serie, das die Macher nie in den Griff bekamen.

Resumee
Vor dem Hintergrund dieser Analyse wird klar, warum es kam, wie es gekommen ist. Während Mark Powers seinen Siegeszug antrat, in zweiter und dritter Auflage sowie in Taschenbuchform erschien, verschwand der Erbe des Universum 1964 von der Bildfläche. Mit Band 199 "Arkons Ende" war alles vorbei. Pabel mit Powers und Utopia sowie der Nachdruckreihe Utopia Extra, wo Romane von van Holk, Shols, Grams und Tjörnsen neu aufgelegt wurden, und Utopia Grusel (wo Jay Grams federführend tätig war) beherrschte auf Jahre hinaus die deutsche SF-Heftszene.

Und was wurde aus den Autoren der Perry Rhodan Serie? K.H.Scheer startete Ende sechziger Jahre noch einmal den Versuch, seine ZBV-Serie innerhalb der Terra-Reihe fortzusetzen, was aber schon nach etwa zwanzig Bänden scheiterte. Später kehrte er zu seinen Wurzeln als erfolgreicher Autor von Piratenromanen zurück und war federführend bei der Heftserie "Seehelden" tätig. Clark Darlton, der schon immer ein Faible für Zeitreisen gehabt hatte, konzipierte zusammen mit Hans Kneifel die Serie "Zeitwürfel", wo Kneifel seine Helden nach Herzenslust durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte jagen durfte. Kurt Brand versuchte noch einmal mit einer eigenen Serie Poul Wet bei Kelter sein Glück. In den siebzigern gehörte er dann zu den Autoren der Grusel-SF im Erber Verlag. William Voltz zog sich ganz aus der SF-Szene zurück und arbeitete für ein Jugendmagazin. Kurt Mahr schrieb Sachbücher über die Auswirkungen der technischen Entwicklung auf das Leben von Morgen.

Rückblickend erscheint es folgerichtig, dass Mark Powers sich gegen Perry Rhodan durchsetzen konnte. Immerhin waren ja auch die Verantwortlichen bei Moewig schon von vornherein nur von der Erscheinungsdauer von etwa 50 Romanen für die Rhodan-Serie ausgegangen. Damit verglichen waren die 199 Bände ein schöner Erfolg. Vielleicht gibt es wirklich die in der Science Fiction so oft beschworenen Paralellwelten, in denen alles anders ist und vielleicht sogar Perry Rhodan Band 2500 erreicht. Dort stellt sich dann allerdings die Frage, wie war das möglich?


Bild: Mark Powers 2500 unter Verwendung des Powers Serienlogos und dem Cover von PR 2500

Kommentare  

#1 Laurin 2010-05-28 01:37
Ich weiß nicht was ihr wollt, ich hätte Mark Powers den Jubiband 1000 gegönnt :lol:, aber 2500...also nee :o .
Und auch hier wieder ein kleiner Seitenhieb, ich fand gerade im Bereich der Grusel-Romane die in sich abgeschlossenen Hefte gut, mußte ich mir doch so kein Heft antun das mir nicht liegt (wie diese Werwolf-Dinger) und lief nicht gefahr, den Faden zu verlieren. Und für eine ganze Weile lief das ja auch recht gut!
#2 Pisanelli 2010-05-28 10:00
Schöner Artikel - und bedenkenswert - da zeigt sich, wenn es mal anders herum dreht, dass es offensichtlich nicht ein wirkliches Erfolgsrezept gibt. Da kommen wahrscheinlich viele Umstände zusammen, die innerhalb eines bestimmten Zeitfensters plötzlich eine Serie durchstarten lassen. Ich denke, jeder Verlagsverantwortliche würde sich die Finger nach der "goldenen Formel" lecken - wenn man sie denn aufstellen könnte...
#3 Advok 2010-05-28 13:09
Hallo Uwe,
also ich finde nicht, dass Perry Rhodan tatsächlich so viele Fehler gemacht hat: Mit 199 Bänden ist sie immer noch die erfolgreichste Serie neben Mark Powers, und auch spätere Serien hatten weitaus weniger Bände.
Schade, dass das Team die vielen angedeuteten Bände über Band 199 nicht mehr umsetzen konnte.
#4 Hermes 2010-05-29 13:43
@ Advok

Da hast du schon recht. 199 ist eine ganze Menge. Und mit Band 200 sollte ja ein richtiger Kracher kommen! Irgendwas mit Andromeda glaube ich.

@ Pisanelli

Mit dem "Zeitfenster" hast du vermutlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Produkt und Zeitumstände müssen zusammenpassen, das perfekte Kozept an sich gibt es wohl nicht.

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