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Das Aldidente-Kochbuch – bevor Discounter hip waren

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDas »Aldidente-Kochbuch«
Bevor Discounter hip waren

1996 bräunte sich nicht nur die Freundin einer Hamburger Band in der Südsee, sondern war die Bundesrepublik einer Faszination erlegen, die mit den Grundstein für einen Imagewandel legte. Die Nachwirkungen kann man bis heute festellen, denn wer heutzutage bei ALDI, LIDL oder PENNY einkauft gehört kann nicht einer bestimmte gesellschaftlichen Schicht zugeordnet werden. Wer vor 1996 bei ALDI einkaufte, musste den Pfennig zweimal umdrehen.

Sprich: Wer in der Nachbarschaft vor dem ALDI gesehen wurde, der war arm.

ALDI hatte einen schlechten Ruf. Die Filialen waren klein, meistens auch nicht besonders sauber, Lebensmittel waren nicht in schicken Regalen ausgestellt; nein, sie lagen in Pappkartons auf Europaletten. Zwar gab es auch Regale, aber die waren eben – nun. Laut den Gründern von ALDI sollte die Hausfrau nach dem Krieg für ihr Geld ordentliche, solide Qualität bekommen. ALDI war „der Billigheimer“, der „wahre Jakob“. Bei ALDI kaufte man nicht ein. Man ging in Supermärkte. Wer bei ALDI einkaufte, der befand sich auf der untersten gesellschaftlichen Stufe. Der Volksmund bezeichnete die ALDI-Einkaufstüte als „Türkenkoffer“. Man sah auf diese Leute herab. Denn man selbst hatte es ja nicht nötig. Man war etwas Besseres.

Dann aber erschien mit „Aldidente“ ein Zwischending zwischen Koch- und Sachbuch, ein Buch, in dem Rezepte abgedruckt waren, die man mit den Aldizutaten zubereiten konnte. Heutzutage lockt das keinen mehr hinter dem Busch hervor bei all den Kundenmagazinen. Aber die Autorinnen Astrid Paprott und Regina Schneider waren mit die Begründer dieses Konzeptes. „Ein Discounter wird erforscht“ so der Untertitel. Das tut das Buch auch: In augenzwinkernden Kolumnen schildern die Autorinnen die Welt von Aldi Es ist ein durchaus liebevoller Blick auf diese Kultur, allerdings auch verbrämend. Die Wirklichkeit wird damals anders ausgesehen haben.

Was aber durchaus stimmt ist, dass auf einmal die bürgerliche Schicht ALDI für sich entdeckte. Zwar noch nicht in dem Maße wie jetzt, aber es galt auf einmal als schick sich mit der Unterschicht sehen zu lassen. Eine gewisse Arroganz und Hochmut wird auf jeden Fall dabei gewesen sein. Aber auch die Entdeckung, dass die bisher so geschmähten Eigenmarken durchaus essbar waren, dass die Sonderangebote sich sehen lassen konnten und man Geld sparte. Wobei: ALDI führte damals nur Eigenmarken. Mehr nicht. Marken, die genauso gut wie das Original sein konnten, aber billiger. Allerdings mussten die neuen Kund*innen erst allmählich daran gewöhnt werden. Heutzutage haben Supermärkte genau das selbe Angebot.

Blättert man heute durch die Seiten, könnte einem glatt die Nostalgie packen. Wer etwas Älter ist, der wird sich an den Wahnsinn erinnern, der bei ALDI stattfand als die ersten PCs erschwinglich waren. Es gab einen Aufstand. Jeder wollte einen ALDI-PC. Weil er billig war. Solide. Er lief. Keine Sperenzchen, keine Extratouren, ein Produkt, dass seinen Preis in Geld wert war. Mehr nicht. Sicher, wir wissen, diese Reduktion der Wirklichkeit auf simple Prinzipen beruhigt. Aber dass das im Grunde genommen auch noch heute der Kern der Marke ALDI ist, dass ist das Geheimnis des Erfolgs der Gruppe.

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