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Wenn Vampire in einer WG leben: What we do in the Shadows

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneWenn Vampire in einer WG leben:
»What we do in the Shadows«

Es sind die kleinen Momente, die diese Serie auszeichnen. Etwa, wenn der Familiar Guillermo selbstverständlich in Plastik verpackte Leichen aus dem Haus schafft. Wenn auf die Frage nach einem Videorecorder Laszlo etwas ratlos „V - C - R“ vor sich hinsagt. Wenn die Differenzen zwischen den Clans auf einem schneebedeckten Football-Feld ausgetragen werden. Wenn Nandor in vollem Ornat Glitter einkauft.

In diesen Momenten wird den Zuschauenden wieder klar: Natürlich, alles erfunden. Also nicht nur, dass es eine Mockumentary an sich ist. Sondern auch, dass wohl kaum ein Fernsehteam vier Vampire Nacht für Nacht mit Kameras begleiten wird. Welcher Fernsehsender würde das ausstrahlen? (Spontan käme Eins da RTL2 in den Kopf ... Hust.)

Vier Vampire also. Drei davon entsprechen dem Bild des klassischen Vampirs, sind also nachtaktiv, schlafen in Särgen und saugen Menschen aus. Der Älteste von ihnen ist Nando, einst Herrscher eines fiktiven Reiches im Iran, ein Krieger, der aus der Zeit gefallen ist. Was für alle drei Vampire zutrifft. Mit moderner Technik haben sie es nicht unbedingt so. Nadja ist die einzige Frau im Trio und mit Laszlo, den sie zum Vampir gemacht hat, verheiratet. Dann gibt es noch Colin Robinson, der als Energievampir tagatktiv ist uns als Einziger einen regulären Job hat. Sein Jagdrevier ist das Büro, er saugt die Lebensenergie von anderen Menschen entweder durch langweilige, umständliche Wortschwalle ab oder nervt mit diversen Tricks. Schubladen ständig auf- und zumachen wäre einer davon. Oder unendlich langsam Bleistifte anspitzen. Colin ist vor allem in der dritten Staffel auf der Suche nach den Ursprüngen der Energievampire.

Guillermo ist kein Vampir. Er ist Nandors Familiar. Ungefähr das, was Renfield bei Dracula ist. Nur weniger verrückt. Immer bestrebt, ein Vampir zu werden - was Nandor steht verneint - ist er der hilfreiche Geist, ohne den der Haushalt der Vampire wohl nicht funktionieren würde. Irgendwer muss nicht nur die Leichen entsorgen, sondern auch die Kerzen entzünden, den Müll vor die Tür stellen und in Notfällen eingreifen. Dass Guillermo vermutlich von Van Helsing abstammt und die Reflexe und Instinkte eines Vampirjägers hat - nun. Dabei verbessert sich Guillermos Status im Laufe der Serie etwas: Geregelt Arbeitszeiten mit Pausen, der Status eines „Bodyguards“ … wobei sich dadurch nicht viel für ihn ändert.

Die Komik der Serie kommt vom Clash der Kulturen. Die Welt der Vampire ist zwar nicht unbedingt statisch, sie akzeptieren zwar schon die moderne Technik an sich, aber ihr Verhalten ist antik. Es gibt Regeln, an die sie gebunden sind - beim Umgang mit Werwölfen gibt es einen ellenlangen schriftlichen Codex - aber selbst davon abgesehen: Sie können nicht aus ihrer Haut. Es fällt ihnen auch in der Regel nicht unbedingt auf, weil sie meistens in einem Kosmos für sich leben. Da gibts die anderen Vampire, den Hohen Rat, Hexen, Geister - mit normalen Sterblichen hat allein Colin regelmäßig zu tun. Der aber auch außerhalb der modernen Welt steht und gesteht, dass er eigentlich gar nicht weiß, welchen Job er in der Firma eigentlich ausführt. Es ist ihm auch egal. Kein Wunder, dass Guillermo als vermittelndes Element gebraucht wird. Eigentlich ist es Guillermo, der stets Antworten auf die Probleme der Vampire hat. Was diese nun wiederum nicht bemerken. Als Guillermo eine Zeitlang aus der Vampir-WG auszieht, zieht das Chaos bei den Vampiren ein. Warum Guillermo der Familiar von Nando geworden ist, wird bisher nicht erzählt. Da Nandor aber gelegentlich eine sehr gutmütige Seite hat und Guillermo auch nicht der Typ des eiskalten Killers ist passen Beide recht gut zusammen. 

„What we do in the Shadows“ besitzt innovative Drehbücher, die aus dem Horror-Genre neue Aspekte herausholen. Wie wird man einen Werwolf am Besten los? Man wirft ein Stöckchen. Über das Dach eines Hochhauses. Geister sind überaus lästige Gesellen, Nadja hat eine regelrechte Phobie vor ihnen. Dazu kommen noch hervorragend geschriebene Dialoge und herausragende Schauspieler. Matt Berry als Laszlo ist eine Traumbesetzung. Vielleicht kennt man ihn ab der zweiten Staffel der „IT-Crowd“, er dort der Chef der Firma. Mark Proksch verkörpert den ständigen Miesepeter Colin, Nate aus „The Office“ und auch bei „Better Call Saul“ als Daniel auftretend. Natasia Demetriou ist eher in en UK als Comedian bekannt, sie spielt Nadja. Falls jemand „Four Lions“ gesehen haben sollte, dort tritt Kayvan Novak, Nandor, als nicht gerade sehr intelligenter Möchtegern-Terrorist auf. Und „Guillermo de la Cruz“-Darsteller Harvey Guillén ist zwar eher unbekannt, passt aber hervorragend. Im Original sind natürlich auch die verschiedenen Dialekte als Mittel für die Komik eingesetzt. Bis Staffel Sechs ist die Serie erstmal gesichert. In Deutschland die Serie auf Joyn+ zu sehen - da kommen auch die aktuelleren Staffeln zuerst - aber auch auf Disney+.

Im Einerlei der Sitcoms sticht „What we do in the Shadows“ durch die Schauspieler*innen, die Drehbücher, die Dialoge heraus. Natürlich ist es immer noch eine Sitcom. Aber keine Sitcom, die wie „Blockbuster“ ständig auf nervigen Klischees herumreitet und in der die Charaktere nicht vollständig durchdacht sind. Manches Debakel bei Netflix könnte sich davon eine Scheibe abschneiden. Zudem: Hausversammlungen, nervige Nachbarn, die Frage, wer den Müll rausbringt … das kennen wir alle irgendwie nur zu gut. Und auch die Diskussionen darüber. Insofern ist die Sitcom auch ein Spiegelbild des täglichen Alltags im Gewand der Horror-Groteske. Ein sehr gelungenes.

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