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BesserEsser - nachhaltige Ernährungs-Unterhaltung?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»BesserEsser«
Nachhaltige Ernährungs-Unterhaltung?

Ginge es nach dem ZDF, dann würden wir alle längst bessere Esser sein. Denn Erkläre-Lege, Experte aus der Nahrungsmittelindustrie, erklärt uns seit einigen Jahren im Fernsehen, wie die Lebensmittelindustrie uns beduselt. Wir wissen ja schon, dass die Lebensmittelindustrie nur unser Bestes will: Unser Geld. Und dass das, was wir im Supermarkt, im Restaurant oder auch zu Hause auf den Tisch stellen, nicht unbedingt das ist, was als „gesund“ gehandelt wird.

Mit „die Tricks der Lebensmittelindustrie“ beglückt uns nicht nur das ZDF mit solchen Sendungen, sondern auch andere öffentlich-rechtliche Sender kommen so ihrem Verbraucher-Aufiklärungs-Ideal nach. Da bleibt die Frage: Zu welchem Sinn und Zweck eigentlich?

Die eigentliche Antwort wäre: Damit wir als Verbraucher*innen jetzt bei jedem Besuch im Supermarkt oder im Restaurant genau wissen, was wir kaufen oder bestellen wollen. Denn schließlich haben wir ja alle „gelernt“, dass gewisse Dinge nicht so gut sind. Kolumne zu Ende.

Wenn es da nicht so Einwände gäbe. Einer nennt sich „Television is easy, Print is hard“. Es bezieht sich auf die Tatsache, dass wir Inhalte, die auf Bildschirmen auftauchen eher als Unterhaltung ansehen. Das führt dann dazu, dass beim Blended Learning auch neben den Videos meistens noch Aufgaben auf Papier oder zumindest mit der Tastatur erledigt werden müssen. Denn eigens erarbeitete Inhalte prägen sich auch viel eher ein als wenn man nur Dinge hört oder sich anschaut. Deswegen finde ich es zwar immer nett, wenn bei einer Präsentation gesagt wird, man bekäme später noch das Print-Out. Generell besser wäre aber das Print-Out vorher auszugeben, damit man sich selbst noch Notizen macht. Man muss ja nicht alles auf das Print-Out draufschreiben.

Wer also nur ein Video anschaut, egal im Fernsehen oder im Internet, in dem Jemand erklärt, wie man besser essen sollte, der hat selten Stift und Papier bereit oder ist in der Stimmung etwas wirklich zu lernen und zu begreifen. Es ist ja eher so, dass man sich genüsslich im Sessel zurücklehnt und sich berieseln lässt. Ab und mal ein „Aha“ von sich gebend und nach dem Anschauen des Videos fühlt man sich denn erhaben, weil man ja erstens nie und nimmer die Fehler gemacht hat, die Andere machen. Zweitens wird man jetzt ja auch nicht mehr die Fehler machen, die man bisher gemacht hat. Also zumindest bis zum nächsten Einkauf … hmm … wie war das noch mal? Möglichst frisch, möglichst regional und … hey, Nutella im Sonderangebot!

Bei all den Videos, die aufklären wie die Lebensmittelindustrie funktioniert - was ja generell nichts Schlechtes sein muss - kann man sich sowieso nicht alles merken, was uns Erkläre-Lege und Konsorten auftischt. Am nächsten Tag hat man das Meiste eh schon wieder vergessen, weil … vielleicht auch weil diese Videos zwar Aufklärung betreiben, es aber dabei belassen. Normalerweise bekommt man bei Ernährungs-Schulungen ja gesagt: „Also das und das und das in Zukunft nicht, aber dafür das und das und das und hier noch Rezepte für einfachen Nachmachen.“ Eine Komponente, die bei den meisten Videos dieser Art einfach fehlt. Und selbst, wenn man sich die Ernährungs-Docs anschaut, sind das allenfalls Ratschläge für einen einzelnen individuellen Patienten oder Patientin, die da angeboten werden. Dafür fehlt dann hier das Aufklärungsmoment, bei dem gezeigt wird wie Dinge in der Industrie entstehen. Eigentlich müssten es da was geben, was beide Formate vereint … Nein, ich habe auch nichts parat.

Nimmt man die Videos der Marke BesserEsser als reine Unterhaltung - Leges Humor ist auch nicht für alle geeignet - dann passt das schon. Vielleicht nimmt man noch den ein oder anderen Fakt mit. Allerdings sollte man bedenken: Was für den Einen eine „gesunde Ernährung“ ist, ist für den Anderen „ungenießbares Zeug“. Ernährung ist immer eine individuelle Geschichte. Deswegen gibt es dafür Expert*innen, die genau das mit ihren Patient*innen auf individuelle Basis durchexerzieren.

Dass die Lebensmittelindustrie unser Bestes, unser Geld will - das könnte man wissen. In einer optimalen Welt würden wir das Wissen, was wir haben auch anwenden: Regional einkaufen, wissen, was wann angebaut wird und auch, wie die Industrie Dinge verarbeitet. Und dass der Nutriscore auch nicht das Gelbe vom Ei ist. Bis dahin sind Erklär-Videos nette Unterhaltung. Mehr auch nicht.

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