Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Winne-To-Mee: Cancel-Culture oder Rücksichtnahme?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneWinne-To-Mee
Cancel-Culture oder Rücksichtnahme? 

Lesen Sie noch Karl May? ich erinnere mich, dass in meiner Jugend - lange ist es her - Verwandte und Bekannte die Bücher mit den grünen Rücken fein säuberlich im Wohnzimmer stehen hatten. Ich selber habe alle Winnetou-Bände gelesen, wobei ich bs heute nicht weiß, ob der damals von mir offiziell im Handel erworbene „Winnetou IV“ nun wirklich authentisch war. Eher nicht. Aber Hand aufs Herz:

Würden wir jetzt nicht über die Tatsache unterhalten, dass die böse Cacnel-Culture wieder zugeschlagen hat, wir würden doch nie im Leben über Karl May reden. Oder wann haben Sie den zuletzt mal bewußt gelesen und darauf geachtet, wie der Autor gewisse Dinge beschreibt?

Denn bevor wir in eine hitzige Debatte über das Für und Wider einsteigen, müsste man zuerst einmal sich die Zeit nehmen und zumindest den ersten Winnetou-Band lesen. Dass Karl May nie im Wilden Westen gewesen ist und diverse Zeiten im Gefängnis verbracht hat, bevor der große Ruhm einsetzte, müsste man auch noch in die Waagschale werfen. Karl May erzählt Märchen. Er malt sich den Wilden Westen aus, wie er nie war und vermutlich auch nie sein wird. Dieser erfundene Wilde Westen wird von einem sehr klarem Gut-Böse-Schema beherrscht. Es gibt die ehrenhafte und die schurkische Rothaut. Hier meldet sich schon mal ein Bauchschmerz: Nicht, weil das Wort Indianer verwendet wird, sondern weil hier der Rassebegriff mit reinspielt. Immerhin verfällt Karl May nicht in den Fehler, den Weißen als den guten Erlöser darzustellen, der die nicht ganz so intelligenten Rothäute hinters - Licht - … Oh. Nun ja, immerhin ist Santa ja nicht der Einzige, der schurkische Absichten hat. Es gibt immerhin das Gute und das Böse in beiden Lagern. Aber wir müssen uns daran erinnern: Die Original-Geschichten von Karl May sind Märchen. Märchen, in denen das Gute am Ende siegt und Winnetou unter den Klängen einer Glocke und dem Gesang des Ave Marias kurz vorm Tod noch zum Christentum … Ich sagte ja: Wir müssten erstmal die Originale lesen, bevor wir darüber urteilen können ob die hitzige Debatte um die kulturelle Aneignung nun gut ist oder nicht.

Nun ist „Der junge Häuptling Winnetou“ kein Produkt aus Karl Mays Feder sondern ein Prequel. Ein Produkt der heutigen Zeit, dass aber so aussehen und zumindest so klingen soll wie die Winnetou-Filme, die ohne Beanstandungen auch noch mindestens einmal im Jahr im Fernsehen wiederholt werden. Der aktuelle Film ist ein Produkt der aktuellen Zeit. Jetzt ist es schwierig, über einen Film zu reden, den ich nicht gesehen habe, ich kann mir daher kein Urteil darüber erlauben wie gut oder schlecht der Film die Tonalitäten der alten Filme aufnimmt oder ob die Darstellung im Film wirklich so schlimm ist, wie die Kritiker*innen das meinen? Immerhin läuft der Film noch im Kino und ist sogar als „besonders wertvoll“ ausgezeichnet worden. Das eigentlich müsste ich tun, das Ansehen des Films und das Lesen des dazugehörigen Buches, um Vorwürfe der negativen Darstellungen beurteilen zu können. Das kann ich nicht.

Beurteilen kann ich allenfalls die Reaktion des Verlages, das Kinderbuch vom Markt zu nehmen. Vielleicht war das ein wenig zu überhastet, hat man zu früh versucht den Kritiker*innen-Mob zu beruhigen. Die Frage ist: Für wen ist das Buch eigentlich gedacht? Wenn ich das so sehe, dann eher für Erstleser. Es gibt große Bilder und Hauptsätze. Ich würde die Probe aufs Exempel machen wollen, das Buch besorgen - noch ist es ja zu kriegen - und es mal im Bekanntenkreis den Kleinen zu zeigen. Ich vermute, die meisten Kinder werden keine Sekunde über Darstellung von indigenen Völkern nachdenken, sondern Winnetou als klassischen Helden erleben. So, wie Karl May ihn zeichnete: Edel, großmütig.

Das nimmt den Kritiker*innen nicht den Wind aus den Segeln, aber der Verlag hätte in kindgerechter Form auch als Vorwort darauf hinweisen können, dass die Wirklichkeit etwas Anders ausgesehen hat. Wobei man dann auch mal „Was ist was“ oder andere Sachbücher für Kinder untersuchen müsste - gehen diese auf die Ausrottung der sogenannten Indianer ein?

Man kann natürlich zetern und wettern gegen die sogenannte „linksgrünversiffte  Bagage“, die schon Kinder mit Problemen belasten möchte. Nur: Dadurch, dass man Probleme - die Kindern Angst machen, davon gibts momentan ja leider viel zu viele - nicht benennt, werden diese nicht gelöst. Man kann stundenlang über den Begriff der „kulturellen Übernahme“ streiten und dabei vergessen, dass das eigentlich das Normale ist. Wenn Menschen sich begegnen, tauschen sie sich nicht nur sprachliche und schriftlich aus, sondern ein Kulturaustausch gehört ebenso dazu. Wenn wir anfangen uns Sorgen über Dreadlocks zu machen, können wir ja gleich Tattoos und Piercings in einen Sack rein und draufhauen. Ich wünschte mir einfach bei solchen Diskussionen generell, dass man vom Material ausgeht und das dann kritisiert - heutzutage ist es aber weitaus angenehmer seine Meinung über Etwas zu verbreiten, was man nicht kennt. Bitte zurück zur Sachlichkeit. Danke.

Kommentare  

#1 G. Walt 2022-08-27 19:23
Dazu fällt ein wenig ein. Wenn ein Verlag ein Buch zurückzieht ist das seine Sache. Aber die Gründe sind schon seltsam. Hajo Schumacher regte neulich an, solche Bücher dennoch erscheinen zu lassen, aber mit erklärendem Vorwort. Warum nur diese Bevormundung? Traut man den Lesern keine eigene Einordnung mehr zu? Muss eine Meinung zu einem Buch auch vorgeben sein?

Ich beobachte das woke Gehabe seit einiger Zeit. In meinen Augen Journalisten-Getue. Auch diese Gender-Kacke. ARD und ZDF tun sich dabei auch besonders hervor. Irgendwie - so glaube ich - denken Journalisten alles vorgeben zu müssen.
#2 Fantomas 2022-08-28 16:22
Nein, es geht nicht um Zetern und Wettern.
Da dreht eine Produktionsgesellschaft einen Kinderfilm mit Figuren aus dem Karl May Kosmos, vermutlich weil der Name Winnetou immer noch zieht, und ein Verlag macht ein Buch zum Film und ein Winnetou-Puzzle. Mehr gäbe es dazu eigentlich nicht zu sagen, aber ein paar Cancel-Culture-Typen fühlen sich durch dieses Kinderbuch angeblich wegen Rassismus und kultureller Aneignung in ihren Gefühlen verletzt. Lachhaft! Wenn hier jemand in seinen Gefühlen verletzt wurde, dann wohl vor allem die Kinder, die sich viel-leicht schon auf das Buch und das Puzzle gefreut hatten.
Leider haben diese Cancel-Culture-Leute mit ihrer Kampagne bereits Erfolg gehabt. Nicht nur wegen der dummen Reakttion dieses Verlages. Das ZDF hat die Benutzung des Wortes Indianer in seiner Kommentarfunktion verboten. Weiterungen sind zu befürch-ten, wenn das Wort Indianer allgemein zum Unwort werden sollte. Die Karl May Bücher sind voll von dem Wort Indianer. Hoffent-lich werden nicht auch die Karl May Festspiele dazu übergehen, das Wort zu vermeiden. Sollte das geschehen, werden es die Cancel Culture geschafft haben, Karl May dauerhaft zu beschädigen.
#3 Laurin 2022-08-28 17:02
Zitat @G.Walt:
"Warum nur diese Bevormundung? Traut man den Lesern keine eigene Einordnung mehr zu? Muss eine Meinung zu einem Buch auch vorgeben sein?"

Mir kommt diese ganze "Cancel-Culture vor, als wolle man hier schlicht bestimmte Dinge als "rassistisch" brandmarken, um dann gesellschaftlich und moralisch manipulieren zu können.

Zitat:
"Ich beobachte das woke Gehabe seit einiger Zeit. In meinen Augen Journalisten-Getue. Auch diese Gender-Kacke. ARD und ZDF tun sich dabei auch besonders hervor. Irgendwie - so glaube ich - denken Journalisten alles vorgeben zu müssen."

Sehe ich genauso. Nur sind es eben nicht nur die Journalisten.
#4 G. Walt 2022-08-29 13:53
@Laurin: Ich glaube schon, dass sich die Berufsjournalisten dabei am meisten hervortun. Zumindest begegnet einem dass beim öffentlich Rechtlichen. Bei den RTL-News ist mir das noch nicht aufgefallen.
Tatsache ist auch, dass im Alltagsgebrauch auch kaum gegendert wird. Wir sprechen in unserem Haus (Pflegeheim) immer von Bewohnern. Gelegentlich von Bewohnerinnen und Bewohnern, niemals jedoch von Bewohner*innen.
In der Tat schein das Gendern auch nur bei positiv besetzten Begriffen zu gelten. Nie habe ich gehört von Nationalsozialist*innen, Massenmörder*innen oder Gewalttäter*innen. Das Böse scheint im Genderreich ausschließlich männlich zu sein.
Einen Zwang zum Gendern sehe ich nicht, auch keinen diesen lesen zu müssen. Neulich musste für eine Fachweiterbildung eine Facharbeit schreiben. Die Vorgabe war mal solle geschlechterneutrale Sprache wählen. Das habe ich getan, in dem ich immer z.B. die Patienten geschrieben habe. AM Ende des Aufsatzes habe ich geschrieben, dass diese Schreibweise der besseren Lesbarkeit dient und durchaus beide Geschlechter gemeint sind. Die Facharbeit galt als bestanden.

Edie: geschlechtergerechte Sprache wurde in der Facharbeit verlangt
#5 Mainstream 2022-08-30 10:48
-
Wo, bitte schön, versuchen denn Journalisten zu 'bevormunden', wenn sie gendern?
Eine sehr eigenwillige Aussage.
Vielleicht einmal über den Tellerrand blicken.
Journalisten werden angegangen, wie hier, wenn sie gendern. Und sie werden von anderer Seite angeraunzt wenn sie es nicht tun.
Ich selbst verwende keine geschlechtsneutrale Sprache, mir tut es aber auch nicht weh, wenn es jemand tut.
Facharbeit trotzdem bestanden? Also, noch einmal die ernsthafte Frage: Wodurch entsteht der Eindruck sich belästigt fühlen zu müssen?

Ich hoffe inständig, dass die ÖR bald abgeschafft werden, natürlich auch die gesamte von ihnen geschaffene Infrastruktur. Da möcht ich dann die ganzen Eiferer erleben.
#6 G. Walt 2022-08-30 14:44
@Mainstream: Ich fand nicht das Gendern als Bevormundung, sondern die Aussage Herrn Schumachers, Vorwörter in vermeintlich umstrittenen Büchern würden es richten. Am besten du liest du meinen Kommentar nochmal durch, falls du auf diesen anspielst.
Das Gendern kommt nämlich erst im nächsten Absatz. Und ja, für mich ist es Belästigung, wenn ich einen Text deswegen nicht flüssig lesen kann oder mir beim Zuhören Übelkeit aufkommt. Wie sagte doch Heinz Rudolf Kunze: "Bei Gendersprache wird mir körperlich übel". Und weiter hält er es für eine Art von Tollwut. Okay, etwas krass ausgedrückt, aber im Grunde bin ich da bei ihm. Und ich werde diese Meinung auch äußern. Du darfst das gern anders empfinden.

Meinen Kommentar oben habe ich leicht korrigiert. Nicht geschlechterneutrale Sprache wurde in der Facharbeit verlangt, sondern geschlechtergerechte.

Zum ÖRR; Ich hoffe auch dass sich das bald irgendwie erledigt, zumindest in der jetzigen Form. Dann werden auch bestimmte Diskussionen verschwinden. Zumindest braucht es dann vielleicht keinen Intendanten mehr, der jährlich 400K Gehalt einstreicht.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.