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Andere Eltern: Helikopter-Eltern planen eine Kita

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneAndere Eltern
Helikopter-Eltern planen eine Kita  

Es wäre ja alles so schön, wenn die anderen Eltern nicht wären. Wer jemals aus Versehen oder gegen seinen Willen in WhatsApp-Gruppen von Kindergärten oder Schulen hinzuaddiert wurde, wird wissen: Die Diskussionen über die geringsten Kleinigkeiten können tage-, wenn nicht sogar wochenlang andauern. Abgesehen davon, dass man diese Gruppen leider nicht ignorieren kann, sonst bekommt man ja die notwendigen Informationen nicht mit.

"Andere Eltern" - die sind schon eine Plage. ZDF-Neo hat die Serie dazu.

Das beißend-spöttische Brennglas begutachtet die angesagte, hipppe und durchaus „woke“ Szene in Köln. Beobachtet Eltern, die das Beste für ihre Kinder wollen oder für die Kinder, die da noch kommen werden. Denn die zusammengetrommelte Gruppe hat den Traum eine eigene Kita auf die Beine zu stellen. Begleitet wird sie von einem Fernsehteam, die Regisseurin ist ausgerechnet die Mutter der Initiatorin. Dass dabei die Ansichten und Meinungen auseinandergehen, ist mehr als natürlich. Dass die Serie dann auch sehr kontrastreiche Charaktere - den zynischen, rassistischen Anwalt, die überaus harmoniesüchtige Yogalehrerin - zusammenbringt ist für eine Comedy ja durchaus typisch. Der Verdacht lastet: Vermutlich ist die mittlere Oberschicht auch genau mit diesen Charakteren durchsetzt. Typisch auch: Mal wieder kommt diese im Format der Mockumentary daher, aber anders als sonst sieht man hier bisweilen auch das Filmteam an sich. Wenn etwa der Kameramann vom Vordersitz gescheucht wird, weil ein Ehekrach tobt und der Ehemann nicht unbedingt vorne sitzen will. Ab und rennen also Diejenigen durchs Bild, die mit für das Bild verantwortlich sind. Was dann doch eine erfrischende Abwechslung des Stils ist. Wenn dann die Regisseurin teilweise auch noch sehr bedeutungsschwangere Sätze ins Mikrofon raunt, dann sind wir endgültig in einem deutschen Dokuformat angelangt. Pathosgestriefte Sätze über die allgemeine Befindlichkeit, von der dann zugleich auf die Welt gezogen wird. Vermutlich war sich Precht zu schade dafür.

„Andere Eltern“ hat den Schauspielenden eine Menge von Improvisations-Spielraum gelassen. Beim Dreh wurden die Schauspielenden mit der jeweiligen Situation konfrontiert, aber es gab keine festlegten Dialoge. Was sicherlich zu etlichen Nachdrehs geführt haben dürfte. An einigen Stellen knirscht es dann auch etwas, wenn etwa die Erkrankung der Regisseurin auf die letzte Minute eingeführt wird. Sichtlich überrascht sind alle, als der Wassersprenger in der Kita angeht. Andererseits führt das dazu, dass die Dialoge sehr nah an der Wirklichkeit sind. Zudem: Das Leben hat eh kein Drehbuch.

Die verstörendsten Szenen der Serie sind die Szenen, die aus der Augenhöhe von Kindern gedreht wurden. Ohne, dass man Kinder direkt sieht oder sie erlebt. Allenfalls akustisch ist da noch eine Ahnung von Kindheit. Wenn die Kamera sich aber auf dem Niveau eines Dreijährigen bewegt, ist das Unbehagen groß. Wir erinnern uns vielleicht nicht mehr bewußt an diese Sichtweise, aber für Kinder ist sie die Norm. Allerdings zeigt dieses Stilmittel auch, worum es eigentlich geht: Es geht um Helikoptereltern, die gemeinsam eine Kita in Köln auf die Beine stellen wollen. Sie sind nah, aber sie sind unheimlich nah, wenn sie mit den Gesichtern vor der Kamera erscheinen - grauenerregend nahe. Zugleich aber auch seltsam abwesend.

Was die Charaktere betrifft: Vielleicht erscheinen sie in den ersten Folgen zu sehr schablonenhaft. Allerdings entwickeln sie sich in den nächsten Folgen noch. Vor allem sind sie nahbar. Genau wie das deutsche Spießertum so reden könnte, so könnte es sich in der aktuellen Zeit verhalten.  Dabei kommt die beißende-spöttische Kritik auf sanften Sohlen. Mal ist es nur ein Satz. Mal ist es eine Geste. Mal ist es eine Bildmontage, die zeigt,  dass die vorgegebenen Idyllen - oder das, was als Idylle erreicht werden soll - keine sind. Im Grunde sind die Lebensentwürfe von allen Eltern gescheitert. Ob Tochter-Mutter-Beziehung, ob ein Leben im Musikbusiness, ob es der Versuch ist ein Kind zu bekommen, die Bessenheit von der Yoga-Idee. Da diese Entwürfe gescheitert sind, werden sie im Laufe der Serie durch die anderen Eltern noch stärker als gescheitert hervorgehoben, es ergeben sich aber auch neue Entwürfe, die vielleicht ein Ausweg aus der verfahrenen Situation sein könnten. Am Ende der Serie ist aber dann doch wieder das zusammen, was zusammen leidet. Vielleicht, weil man es nicht besser verdient hat oder vielleicht auch, weil man sich nicht traut neue Dinge auszuprobieren.  

Erst in der letzten Folge der ersten Staffel sehen wir dann die Kinder, um die es ja eigentlich gehen sollte. Es wird dauernd über sie geredet. Es wird sich dauernd um ihr Wohl gesorgt. Aber wie die Bildsprache das in den Vorspännen und Zwischensequenzen klarmacht: Sie kommen nicht vor, weil sie nicht der Fokus des Handelns sind. Gerade da ist das spöttische Brennglas im Einsatz: Selbst, als die Kita fertig ist, die Erzieherin gefunden worden ist, selbst dann noch sind es nicht die Kinder die im Mittelpunkt stehen. Es sind die Probleme der Erwachsenen, die sich am Ende mit einem Pistolenschuss entladen. Es sind halt immer die anderen Eltern, die nerven. Es ist nie das eigene Verhalten, das andere Eltern nervt.

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