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Am Ende reichte der Sand nicht ganz: »Moon Knight«

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneAm Ende reichte der Sand nicht ganz
»Moon Knight«

Zugegeben: Ich war sehr gehypt, als Marvel verkündete, sie würden aus „Moon Knight“ eine Serie machen. Überrascht war ich allerdings auch ein wenig, denn „Moon Knight“ ist nicht gerade der typische Superheld. Vor allem: „Moon Knight“ war in den Comics nicht zimperlich. Noch überraschter wäre ich gewesen, wenn Marvel eine Punisher-Serie angekündigt hätte … Die beiden Protagonisten - Helden ist ein schwieriger Begriff an der Stelle - sind sich ja sehr ähnlich.

Söldner. Gnadenlos. Beiden geht es darum, Rache auszuüben. Wobei „Moon Knight“ im Auftrag des ägyptischen Mondgottes Konshu handelt. Wie also hat Marvel jetzt das Ganze aufgezogen?

Es beginnt mit Steven Grant, der in einem ägyptologischen Museum arbeitet. Steven ist ein Nobody. Zwar weiß er viel über das antike Ägypten, aber das ist dann auch das Einzige, was ihn so interessiert. Nur: Er hat immer wieder Erinnerungslücken und findet sich an Orten wieder, die ihm fremd sind. Was in der ersten Folge rasch geklärt wird: Im Körper von Steven existiert noch Mark Spektor, ehemaliger Söldner, der für alle Geheimorganisationen irgendwann mal gearbeitet hat. Mark hat allerdings einen Vertrag mit dem Mondgott Konshu - er hätte damals das Abschlachten der Ägyptologen durch seinen Partner nicht anders überlebt. Es gibt also Steven, es gibt Mark - der mit Layla verheiratet war - und es gibt, so stellt sich am Ende der Serie raus, noch eine dritte Persönlichkeit. Während sich Steven mit der Tatsache abfinden muss, dass er eine weitere Persönlichkeit in sich trägt - reichlich Konfliktstoff an sich schon - droht noch Gefahr durch Ammet. Wer „American Gods“ gelesen hat, wird sich daran erinnern, wie die alten Ägypter sich das Leben nach dem Tode vorstellten. Richtig, da war was mit Herzen und einer Feder und einer Waage. Pendelte die Waage sich nicht aus, dann gab es kein nettes Leben im Paradies, sondern die Seele wurde von Ammet verschlungen. Und genau diese Gottheit droht nun auf die Erde losgelassen zu werden. Hätte den Nebeneffekt, dass jemand, der in Zukunft Verbrechen plant, sofort ausgelöscht wird und nur noch die Guten übrigbleiben. Was allerdings Konshu verhindern möchte …

„Moon Knight“ hat mit Oscar Isaac und Ethan Hawke zwei großartige Schauspieler. Vor allem, wie Isaac die jeweiligen Persönlichkeiten darstellt ist wirklich ein Erlebnis. Darüberhinaus hat die Serie Kameraeinstellungen, die man bisher so nicht in Marvel-Serien sah. Allein die vielen Einstellungen, die mit Spiegelbildern zu tun haben oder Beginn von Folge Fünf, in der die Kamera sich um Osiris und die Konshu-Statuette herumdreht - wenn Oscar Isaac zuerst IN das Wasser fällt, aber dann die Kamera sich so bewegt, dass er nach OBEN gezogen wird. Ja, die Serie hat definitiv innovative Kameraarbeit zu bieten. Die Actionszenen - na ja. Das Problem hier ist, dass aus Plotgründen die ein oder andere Szene nicht gezeigt wird. Immerhin: So blutig habe ich eine Marvel-Serie auch noch nicht erlebt und das passt ja zum Mond-Ritter. Besonders punkten kann die Serie immer dann, wenn sie mit den Realitäten spielt und den Zuschauenden raten lässt: Was ist denn jetzt Realität und was nicht? Hat sich Mark das alles eingebildet und sitzt - wie in Folge Vier angedeutet - einfach nur seit Jahren in einer psychiatrischen Klinik fest? Wie kam es eigentlich zu der Erschaffung der Persönlichkeiten? Was um Himmelswillen hat es mit diesen Nilpferd auf sich?

„Moon Knight“ ist vollgestopft mit Themen, die einer näheren Untersuchung wert wären. Wäre die Welt wirklich eine bessere, wenn man Menschen vorab auslöscht, die Verbrechen begehen werden? Das ist das, was Ethan Hawkes Charakter, Avatar von Ammet, im Sinn hat. Wobei ich mich fragen: Wenn die Krokodilsgöttin seit knapp 2000 Jahren eingesperrt war, wie kann sie dann eigentlich einen Avatar requirieren und warum funktioniert eigentlich dieser magische Stab noch? Als Konshu nämlich eingesperrt wird, sind die Attribute des Anzugs von „Moon Knight“ ja verschwunden. Leider eine Frage, die wie ein andere Logikloch die Freude an der Serie etwas dämpft. Vor allem aber: Gerade weil die Serie voll von Dingen ist, die einer näheren Erkundung wert wären schmerzt es, dass sie nur sechs Folgen hat. Durchaus, „Moon Knight“ wurde als Mini-Serie angekündigt. Aber sechs Folgen? Bei der Fülle von Themen? Wirklich schade. Vor allem, weil man in der letzten Folge das Gefühl hat: Irgendwie hatte man da keine Zeit mehr oder nicht mehr die Sorgfalt gegenüber dem Rest der Serie.

Offenbar kommt Marvel in den Serienfinales nicht mehr ohne irgendwelche lauten, brüllenden CGI-Effekte aus. Es wäre auch mal schön, wenn man es eine Spur ruhiger zugehen würde. Es hätte genügt, sich auf den Kampf zwischen Moon Knight und seinem Gegner zu konzentrieren. Ich mochte Layla zwar in ihrer neuen Rolle, aber da war ja nun auch nicht unbedingt vorbereitet und mehr als „ich rette Moon Knight mal das Leben“ war da ja auch nicht. Okay, irgendwas mit einer Familie und einem Bus. Und ja, auch ich freue mich bei gigantischen Göttern, die wie Godzilla und King Kong aufeinander einschlagen. Aber wenn immer hektisch zwischen den Ebenen geschnitten wird, habe ich am Ende ja nicht so viel davon. Schade eigentlich. Am Ende bleibt ein Finale, welches nicht so ganz in sich stimmig wird. Da macht die Szene nach dem Abspann auch nur noch ein Fass mit weiteren Fragen auf. Die wir vermutlich nicht beantwortet kriegen werden.

Alles in allem: „Moon Knight“ ist durchaus einen Blick wert. Die Serie hat, soweit ich das sehe, keine weiteren Verbindungen mit dem MCU, was ja mal erfrischend ist. Die Soapabilität des MCU ist aktuell ein großes Problem. Denn wenn jede Serie eigentlich nur dazu da ist, um den nächsten Film vorzubereiten und der nächste Film nur da ist, um die nächste Serie vorzubereiten - ohne dass wirklich essentielle Fragen mal geklärt werden -  ermüdet das irgendwann einmal. Sicherlich gibt es irgendwann ein Finale der aktuellen Phase, aber bis dahin kriegen wir halt neue Figuren, die später in Filmen auftauchen. Und das Multiversum bietet auch jetzt eine Beliebigkeit an, die jedes größere Pathos in Frage stellt. Im Endeffekt geht es um Nichts mehr, weil es ja irgendwo in einem Universum noch eine Scarlett Witch oder einen anderen toten Helden, tote Heldin, geben kann. Das ist jedenfalls nicht das Problem von „Moon Knight“. Eher hat man hier wohl unterschätzt, wie reichhaltig die angesprochenen Themen sind. Ein Finale, das gehetzt und übereilt wirkt, nur um die Serie abzuschließen und am Ende dann doch offene Fragen hinterlässt - nun, das ist halt leider typisch Marvel. Aber bis dahin geht die Serie durchaus eigene Wege und manchmal - nur manchmal - reicht sie auch an „Legion“ heran. Immerhin.

Kommentare  

#1 Mainstream 2022-05-13 09:04
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Die Verbindung zum MCU wird dann hergestellt, wenn Moon Knight und/oder Steven Grant in einem der nächsten Kinofilme auftauchen wird. Wie vorab bekannt gemacht wurde.

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