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Die Befreiung des NPCs: Epic NPC Man und Free Guy

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDie Befreiung des NPCs
Epic NPC Man und Free Guy

Es gibt diese eine Szene in „Free Guy“, in der klar wird, warum es wohl kein Computerspiel ohne Nicht-Spieler-Charaktere geben kann. Auf Englisch sind es die Non-Player-Characters. Da versammeln sich in einem Café die bisherigen passiven Charaktere und hinterlassen den aktiven Spielern eine leere, sehr öde Welt. Gebäude stehen leer, die Straßen sind unbelebt, So macht das Computerspiel keinen Spaß.

Während es in „Free Guy“ eine ausreichend logische Begründung dafür gibt, warum auf einmal passive Charaktere eine Persönlichkeit entwickeln, ist das in „Epic NPC Man“ nicht der Fall. Und auch die Genren sind unterschiedlich: Auf der einen Seite eine Art von GTA-Klon, auf der anderen ein Fantasy-Online-Rollelnspiel wie World of Warcraft. Erhellend sind aber beide Medien, wenn es um Computerspiele an sich geht. Oder um das Verhalten von Menschen in Computerspielen.

Fangen wir erstmal mit dem eher leichtherzigen „Epic NPC Man“ an. Schauplatz ist Honeywood, eine x-beliebige Fantasy-Stadt. Wir sind hier „Dungeons and Dragons“ wohl näher als „World of Warcraft“. Drehort der Serie ist übrigens eine Art Freilichtmuseum im wunderschönen Neuseeland. Von dem sieht man eigentlich recht wenig, denn eigentlich ist der Schauplatz meistens das Haus von Greg, dem Knoblauchfarmer. Ja, Knoblauchfarmer. Mit einer der ersten Charaktere, die einen in Honeywood erwarten und der als NPC immer denselben Text und dieselben Quests abspult. Dass er Quests anzubieten hat, sieht man an dem Ausrufezeichen über seinen Kopf. Das Spiel ist also doch schon etwas älter. Stimmt. Die Serie an sich, gedreht von „Viva La Dirt League“ - ein Comedy-Kollektiv - hat schon zwei, drei Jährchen auf dem Buckel. Aber da es um Verhaltensweisen von Spieler*innen generell geht, macht das nichts. Denn ich garantiere: Jeder, der auch nur annähernd „World of Warcraft“ oder ein ähnliches Rollenspiel gespielt hat, wird die aufgegriffenen und aufgespießten Klischees wieder erkennen.

Es ist dem Zuschauenden jetzt nicht so ganz klar, warum Greg und einige NPC-Figuren sich mehr oder weniger selbst bewußt sind. Aber Greg weiß, dass es Abenteurer gibt - die sich manchmal recht bizarr benehmen - und dass er eine Rolle zu spielen hat. Abgesehen davon, dass seine Schafe offenbar in seinem sehr ungesichertem Stall gehalten werden, so oft wie er darum bittet, dass der Abenteurer sie doch wieder beschaffen wollen würde. Fetch-Quest? Richtig. Ebenfalls weiß er, dass er geskippt werden kann und kaum Aussicht darauf hat, aus seiner vorgeschriebenen Rolle auszubrechen. Dennoch verhält er sich ab und an nicht so, als ob er ein NPC wäre. So haben er und der Dorfschmied eine kleine Fehde untereinander. Greg unterhält sich mit der vor Ort stationierten Wache, in einer Szene reißt ihm sogar die Geduld - er bedrängt einen Abenteurer, damit er endlich mal seinen Text abspulen kann. Einige NPCs in diesem fiktivem Rollenspiel sind sich ihrer selbst weniger bewußt. Und Greg ist auch nicht klar, dass es Routinen und Loops gibt. Es gibt also kein richtiges Regelwerk oder eine Erklärung, warum die Seriencharaktere sich manchmal so, manchmal so verhalten. Offenbar kann sich Greg aber an „vergangene Leben“ erinnern, wenn er umgebracht wird.

Dafür aber spießt „Epic NPC Man“ genüsslich all die Fantasy-Klischees auf, die es so gibt. Das fängt mit dem Tutorial an: Jede kleine Bewegung wird enthusiastisch beklatscht - schließlich ist der Spieler, die Spielerin ja auserwählt. Ein wenig schwierig wird es, wenn dann am Ende des Honeywood-Handlungsstrangs auf einmal drei Abenteurer*innen auftauchen und Greg in Bedrängnis kommt. Denn er hat ja seinen vorgeschriebenen Pathos-Text - epische Emotionen sind episch - schon von sich gegeben. Es ist dann natürlich schwierig, dieses Gefühl des epischen Endes zu vermitteln - was normalerweise nur für einen Spieler gedacht ist - wenn auf einmal drei Spieler auftauchen. Dass böse Zauberer*innen damit prahlen, unbesiegbar zu sein, solange man den Schwachpunkt nicht findet … wobei der dann als kleiner Lichtkreis zu sehen ist … nun. Dass man gefälligst schnell aus einem Dungeon fliehen sollte, weil der Gegner in wenigen Minuten wieder geladen wird … auch das ist irgendwie vertraut. Spieler*innen, die ihren Charakter über eine Klippe jagen, nur um zu sehen was passiert oder die ausprobieren wie lange der Charakter unter Wasser ohne Atem aushalten kann … irgendwie hat das wohl Jede*r mal gemacht. Die Grenzen des Spiels auszutesten. Zu sehen was geht. „Epic NPC Man“ deckt die Schwächen, die kleinen Nickeligkeiten und einfach auch desöfteren die Unlogik von Spielen auf. Eine Unlogik, die aus der Sicht des NPCs entsteht, der nicht so ganz begreift, was das alles soll.

„Free Guy“ geht das Thema etwas ernster an. Der Bankangestellte Guy ist ein NPC, der Tag für Tag im Online-Rollenspiel „Free City“ dasselbe erlebt: Kaum hat er seinen Dienst in der Bank angetreten, kommt irgendein Gangster und raubt diese aus. Für ihn ganz normaler Alltag und ihm vorauseilendem Gehorsam lässt die Bank-Wache schon mal den Gürtel mit der Waffe auf den Boden fallen, wenn ein Gangster die Bank betritt. in den ersten Minuten des Films wird etabliert, dass Guy sich des Unterschieds zwischen NPC und Spieler*innen bewußt ist, aber er schert sich nicht groß drum. Das wird anders. als eine Spielerin auftaucht und Guy sich in sie verliebt. Im Laufe des klassischen Drei-Akte-Hollywood-Flms, der nicht bahnbewegend, wird auch klar: Die NPCs von „Free City“ haben in sich den Code einer KI. Denn eigentlich war der Ursache des Spiels eine komplett andere aber … ich füge mal die Abkürzung für „Idealismus gegen Kapitalismus und Idealismus siegt“ ein. Was auch mehr oder weniger die Hauptnachricht des Films ist. Abgesehen davon, dass Liebe natürlich alle Schranken überwindet.

Während Computerspiel-Verfilmungen wie „Detektiv Pikachu“ oder jüngstens „Sonic“ durchaus bewiesen haben, dass sie gehaltvoll sein können, beschränken sie sich aber jeweils auf ihr Universum. Es ist immer noch verblüffend, wie realistisch Pokemon aussehen können und dass Sonic auch schon mal ZU realistisch war, wird man mitbekommen haben. Aber diese Filme beschäftigen sich nicht mit dem, was Computerspiele ausmachen. Das ist ein Trend, den die beste Verfilmung eines nicht-existenten Videospiels sehr erfolgreich in die Wege geleitet hat: „Jumanji“. Hier wird ja alles das zum Thema gemacht, was man als Computerspieler kennt - oder von dem man schon mal gehört hat - selbst das mit dem Klippensprung oder den NPCs, die nach dem Abspulen ihrer Dialoge einfach nur rumstehen und warten, bis man die nächsten Schritte eingeleitet hat. Filme und Serien wie „Free Guy“ oder „Epic NPC Man“ verdanken „Jumanji“ eine Menge.

Und sie bringen die Zuschauenden zum Nachdenken. In dem diese sich erkennen, die typischen Verhaltensweisen nachvollziehen können. Gleichzeitig schaffen Computerspiele nicht nur eine eigenen Kultur, sondern geben Impulse auch an die bestehenden Kulturen weiter. Mario und Sonic erkennt Jede*r, selbst wenn er oder sie die Spiele nicht gespielt hat. In einer Zeit, in der wir uns kaum noch auf Dinge und Werte einigen können ist das immerhin mal ein tröstlicher Gedanke. Vielleicht sollten wir einfach alle Differenzen in der Welt mit Videospielen austragen. Es wäre eine angenehmere Welt.

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