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Ich und mein Affe: Matt Ruffs »Bad Monkeys«

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneIch und mein Affe
Matt Ruffs »Bad Monkeys«

Ein Verhörraum. Eine junge Frau. Ein Doktor. Die junge Frau sitzt im Gefängnis, weil sie Jemanden umgebracht hat. Allerdings - so laut ihrer Aussage - den Falschen. Das sieht sie durchaus ein, allerdings präsentiert sie auf Nachfrage des Doktors eine seltsame Geschichte. In ihr dreht es sich um die sogenannten Bad Monkeys, die von einer namenlosen Organisation gejagt werden. Menschen, die Böses tun und deren Beseitigung die Welt ein Stück besser macht.

Sie erzählt etwas von Waffen, die Schlaganfälle und andere natürliche Todesursachen verschießen. Und dass es da noch eine andere Organisation gibt, die genau das Gegenteil macht. Beweise für ihre Geschichte lassen sich nicht finden. Ist sie daher einfach nur komplett durchgedreht? Schließlich wird die Geschichte je länger sie erzählt wird, immer bizarrer.

„Bad Monkeys“ wird lange Zeit diesen Schwebezustand wahren. Ist die Geschichte, die Jane Charlotte ihrem Doktor erzählt nun ein reines Hirngespinst? Hinweise darauf gibt es genug. Sie deckt sich zwar in Einzelheiten mit bekannten Fakten, aber dann auch wieder nicht. Sie räumt immerhin auch an etlichen Stellen ein, dass sie nicht unbedingt gelogen, aber die Wahrheit vielleicht ein wenig gedehnt hat. Dennoch bleibt sie bei ihrer Geschichte. Es gibt die Organisation. Es gibt Waffen, die für Herzinfarkte sorgen können. Es gibt eine Überwachungsabteilung - die vielleicht jetzt gerade dem Verhör zuhört. Und so weiter und so fort. Jane als Agentin im Auftrag des Guten. Das ist ihre Geschichte.

Matt Ruffs Roman ist genau das: Ein Agentenroman. Ein Roman mit fantastischen Elementen, aber jeder James-Bond-Film bewegt sich schon nicht mehr auf dem Boden der Realität. Ruff legt zudem ein rasantes Tempo vor, beginnt zwar in der Kindheit von Jane, aber treibt die Handlung mit einer gewaltigen Energie und einem Funken von Ironie voran. Dadurch, dass Ruff das Dialog-Format nutzt, dass der Doktor immer wieder nachfragt, bekommen wir Lesenden ein intimes Gespräch vorgestellt. Während die Geschichte von Jane und er Vergangenheitsform erzählt wird, blendet Rufff bei den Szenen im Verhörraum direkt in die Gegenwart um. Was nochmal einen eigenen Sog erzeugt. Man möchte einfach wissen: Was um alles in der Welt geht hier vor? Ist die Geschichte von Jane nun wirklich wahr? Oder gibt es, wie der Doktor im Laufe der Zeit andeutet, nicht auch eine einfachere Erklärung?

Schließlich hat Jane in ihrer Vergangenheit ihrem Bruder Phil übel mitgespielt: Sie hat auf einen Mann gedeutet und geflüstert, dass er es wäre, der Phil in den nächsten Tagen entführen wird. Jane beteuert, dass es nie ihre Absicht war, Phil wirklich in Schwierigkeiten zu bringen - obwohl sie ihn schon öfters mal alleine gelassen hat, statt auf ihn achtzugeben. Dass der Mann dann tatsächlich Phil entführte … Woher sollte sie das wissen? Beteuert sie. Dass Phil noch am Leben ist und zur anderen Seite gehört - dass könnte eine Schutzbehauptung sein, um mit der Schuld an sich umzugehen. Wie der Rest ihrer Geschichte auch.

Dass Janes nicht gerade die verlässlichste Erzählerin ist, wird im Laufe der Seiten vor dem finalen Schluss schon klar. Aber bis dahin sind wir als Lesende uns selbst nicht so sicher: Wem sollen wir glauben? Wem vertrauen? Das Motto der Organisation: Wir machen die Welt - fesch in Latein natürlich - trifft in gewissem Sinne auch auf uns zu. Entweder wir glauben Janes Geschichte oder wir konstruieren uns eine Geschichte, die aus dem offenbar wird, was zwischen den Zeilen passiert. Also das, was der Doktor meistens anmerkt. Oder wir nehmen das Ganze als das, was es vielleicht auch ist: Als ein Action-Abenteuer im Stil von James Bond, bei dem es gar nicht so wichtig ist, was jetzt stimmt oder nicht. Und bei einer guten Agentengeschichte gehört nun einmal der ein oder andere Twist dazu. Wie zum Beispiel auf einmal auftauchende böse Doppelgänger. Oder Drogen, die die Realität verändern können.

„Bad Monkeys“ ist relativ kurz. Also im Vergleich etwa zu „Fool on the Hill“ oder „GAS“. Das ist einerseits von Vorteil, weil man den Roman durchaus schnell an einem Tag durch haben kann. Andererseits würde man auch gerne mehr erfahren - mehr aus dieser absurden Agentenwelt mit Clowns, X-Drogen und Bad Monkeys. Wobei natürlich die Logik manchmal nicht so ganz vorhanden ist in diesem Roman. Vor allem gegen Ende des Ganzen nicht. Aber wie schon wiederholt erwähnt: Die Logik-Lücken eines James-Bond-Films interessieren uns auch nicht weiter, wenn die Geschichte rasant und gut erzählt ist. Und das ist sie zweifelllos. Zudem: Es ist der perfekte Einstieg in die Romane von Matt Ruff. Wer „Bad Monkeys“ mochte wird „GAS“ sicherlich lieben.

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