Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Futurama: Gut gealtert?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»Futurama«
Gut gealtert?

Good News Everyone: Disney+ hat sein Angebot für Erwachsene gestartet. Dass Disney damit das komplette Archiv aus den FOX-Beständen geöffnet hat, kann bezweifelt werden. Allerdings: Wer bisher Deadpool, Logan oder Stirb Langsam vermisst haben sollte, der hat jetzt endlich die Gelegenheit die Filme zu streamen. Und zudem hat Disney auch die bisher bei HULU oder Netflix vorhandenen Produktionen veröffentlicht.

Family Guy etwa war lange Zeit auf Netflix zu sehen, Hellstrom oder Solar Opposites liefen bisher auf HULU. Was bisher gar nicht online verfügbar war: Futurama. Oder Groening und Konsorten auf vollen Touren.

Dass Futurama es als Serie nicht einfach hatte - was für den Großteil von FOX-Serien zutreffen dürfte, oh, du mein Firefly - dürfte wohl bekannt sein. Wieviele Staffeln die Serie hat, das kommt darauf an, wie man die Filme zählt. Disney+ hat das Format von Comedy-Central übernommen: die vier DVD-Filme sind in einzelne Folgen aufgeteilt und ergeben so bei Disney+ eine Staffel. Falls jemand also die Wikipedia korrigieren möchte … viel Spaß bei der anschließenden Diskussion darüber. Viel wichtiger: Futurama ist jetzt für die alle diejenigen erlebbar, die vielleicht nichts von der Serie wussten oder die die Serie in guter Erinnerung behalten haben. Oder die einfach damals dachten, es würde sich nicht lohnen die DVDs zu kaufen, weil man die Serie ja - siehe Simpsons - eigentlich nie richtig komplett haben können würde oder von der Fortsetzung dann nichts mehr mitbekamen. Wie dem auch sei: Futurama ist jetzt gegen Geld abrufbar.

Muss man nochmal erklären, worum es in Futurama geht? Vermutlich, denn obwohl es ein bekanntes Meme mit Fry gibt - Shut up and take my money! - ist das popkulturelle Gedächtnis nicht unbedingt ein langzeitiges. Fry, ein Pizzabote aus unserer Zeit, fällt in eine Stasiskapsel und wird im Jahr 3000 daraus befreit. Dass die Welt sich nicht nur ein wenig, sondern auch sehr verändert hat sollte klar sein. Und so ist es üblich, dass man einen Chip eingesetzt bekommt, einer Arbeit zugeteilt wird und nach einigem Hin-und-Her landet Fry beim Lieferdienst Planet Express. Der Chef ist Doktor Hubert Farnsworth - schon etwas älter - und mit Fry verwandt. Also Fry ist eigentlich dessen Onkel. Wie auch immer: Fry begegnet der vermeintlich außerirdischen Leela, dem Bürokraten Hermes, dem Roboter Bender und der verwöhnten Amy. Später stoßen natürlich - analog zu den Simpsons - etliche andere Stammgast-Charaktere dazu. Soweit die Grundsituation, aus der sich Woche pro Woche ein Problem ergibt, das am Ende dann gelöst wird. Manchmal auf sehr unglaubwürdige Art und Weise, aber bei der SF-Comedy-Sitcom sollte man auf sowas gefasst sein.

Der Reiz der Serie besteht einerseits in dem Bezug auf sämtliche SF-Klischees und -Themen, die durch den Wolf gedreht werden. Schon in der zweiten Folge erfahren wir, dass es einen Themenpark auf den Mond gibt, es gibt zwar die Alien-Rasse von Omicron Persei 8, die irgendwelche Planeten erobert - allerdings hängt der Herrscher eher vor dem TV ab. Zapp Brannigan scheint als heldenhafter Captain-Kirk-Abklatsch gemeint zu sein - allerdings ist er arrogant und schlicht und einfach unfähig. Dass dann in etlichen Folgen die typischen SF-Themen aufgegriffen werden - Körpertausch, Bruchlandung auf einem Planeten, Wurmlöcher, Roboter, das Ende vom Planeten der Affen - verwundert einen nicht. Futurama macht sich eine Spaß daraus das Genre ordentlich durch den Kakao zu ziehen. Teilweise hört man in einigen Folgen tatsächlich die Soundeffekte aus Raumschiff Enterprise oder anderen Serien. Dabei ist das Ganze allerdings mit einem Augenzwinkern versehen. Zwar macht sich Futurama darüber lustig, es ist aber keine beißende Satire, die Fans des Genres verschrecken würde. Diese Komponente von Futurama ist gut gealtert, weil die Anspielungen nicht zu obskur sind. Sie sind eher aus dem Mainstream des Genres entnommen worden. Jeder kann etwas mit einer Anspielung auf den Terminator anfangen, auch, wenn er den Film nicht gesehen hat. Jeder kennt irgendwie Raumschiff Enterprise oder den Krieg der Welten.

Bei Referenzen an die Popkultur oder an reale Themen ist das schon etwas schwieriger. Wenn sich eine Serie zu sehr auf zeitaktuelle Themen verlässt, versinkt sie im Orkus des Desinteresses. Oder weiß jemand heute noch, worum es bei Ally McBeal ging? Auch Sex in the City ist zu sehr in den Neunzigern verhaftet, als dass die Serie es wirklich bis in die heutige Zeit als bedeutungsvolle und wichtige Erzählung geschafft hätte. Da halfen auch zwei Kinofilme nicht wirklich. Wer die ersten Folgen von American Dad wirklich genießen möchte, muss das Klima im Amerika von George W. Bush nach dem Anschlag auf das World-Trade-Center berücksichtigen - ansonsten wird man mit manchen Anspielungen nichts anfangen können. Bei Futurama haben Groening und Co. etwas mehr darauf geachtet, dass die popkulturellen Anspielungen und die Themen der realen Welt nachhaltiger sind. Offensichtlich sind Folgen wie die über die Liebe zwischen Roboter und Mensch an die LGBTQ+-Community gerichtet und nicht schwer entschlüsselbar. Wenn in einer Folge erklärt wird, woher eigentlich das heißgeliebte Soft-Getränk Slime herstammt, dann wird hier auch auf die Produktionsbedingungen von unseren Getränken angespielt. Ein ganzer DVD-Film dreht sich um die Frage, ob es richtig ist das Reservat einer bedrohten Spezies für den Bau eines Vergnügungsparkes zu opfern. Wenn Futurama den Finger auf den Punkt legen möchte, dann wählt die Serie Themen aus dem damaligen Zeitgeist, die auch jetzt noch Bedeutung haben. Je aktueller die Serie wird, desto eher ist sie natürlich auch noch in unserer Welt verankert.

Futurama wird und wurde ja auch von Leuten gesehen, die es eher nicht so mit SF hatten oder haben. Was im Mainstream-Ansatz der Serie begründet ist. Sowohl in den popkulturellen Anspielungen als auch in denen der SF.  Futurama ist da näher bei den Simpsons - deren erste Folgen man ja auch immer noch anschauen kann auch wenn man bestimmte Dinge der damaligen Zeit nicht mehr präsent hat. Vielleicht liegt darin auch der Unterschied zwischen Disentchanted und Futurama. Abgesehen davon, dass Disentchament horizontal erzählt und über die Staffel einen Erzählungen spannt und Futurama auf Einzelepisoden beharrt - also bis auf die vier DVD-Filme. Während Disentchantment zwar auch Themen der Fantasy oder Märchen aufgreift und diese auf den Kopf stellt, basieren diese bis auf das übliche Personal nicht auf dem Mainstream. Es gibt kein brennendes Auge auf einem Turm, es gibt keine dunklen Reiter, es gibt keine Familien, die sich um einen Thron streiten und Drachen sind ja auch äußerst selten. Es ist auch nicht so, als ob Disentchantment Problem der Gegenwart in eine Fantasy-Welt transportiert und sie dann ausführlich diskutiert. Dafür hat Futurama immerhin 22 Minuten Zeit.

Und ironischerweise hat Futurama bewiesen, dass es das mit dem Fantasy-Genre besser bewerkstelligt hat als die ganzen Staffeln von Disentchantment. Das Finale von Benders Game findet ja in einer Fantasy-Welt statt und dort werden genau die Themen weitergeführt, die in der Folge bisher auftauchten. Es geht ja bekanntlich um künstliche Verknappung eines Brennstoffes - und wie Farnsworth anmerkt: Wenn der Brennstoff überhaupt nicht mehr existiert, wäre das ein Anlass dafür, bessere und ökologischere Varianten zu erfinden. Satz und Sieg. Es geht um Leelas Wut und um die Beziehung zwischen Farnsworth und Mom. Das Finale von Benders Game hat die Struktur vom Herrn der Ringe entliehen, mischt ein wenig Dungeons and Dragons dazu und kann sich Seitenhiebe natürlich nicht verkneifen. Jedoch: Es ist nicht abgehoben vom Rest der Folge. Es ist auch nicht reiner Selbstzweck. Und das kann man Disentchantment schon etwas vorwerfen: Teilweise scheinen die Autoren nicht zu wissen, was sie noch mit den Figuren anstellen sollen. Futurama hat das Problem jedenfalls nicht. Man kann spitzfindig anmerken: Da die Charaktere sich kaum weiterentwickeln hat Futurama da kein Problem. Allerdings: Entwickeln sich die Charaktere in Disentchantment nun wirklich? Genau: Auch nicht.

Alles in allem: Futurama zu entdecken lohnt sich immer noch. Klar, zwischendurch hat die Serie auch Folgen, die nicht so super sind oder manchmal die Glaubwürdigkeit arg strapazieren. Welche Serie hat die nicht. In 22 Minuten rollt die Serie in einer Folge genügend SF für den Fan ab und andererseits behandelt sie ein Thema, das relevant ist. Meistens. Es gibt auch Folgen, in denen Groening einfach nur dem Affen Zucker gibt. Hat jemand zufällig mitbekommen, wie das mit Calculons Zwillingsroboter in Alle Meine Schaltkreise ausgegangen ist? 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.