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Love, Death and Robots: Kurz, knackig - mehr auch nicht?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneLove, Death and Robots:
Kurz, knackig - mehr auch nicht?

Kurzgeschichtensammlungen sind Wundertüten. Sie werfen den Leser innerhalb eines Absatzes in ein Universum, entwickeln über wenige Seiten hin eine Geschichte und entlassen den Leser bestenfalls mit dem Verlangen mehr von diesem Universum zu erfahren.

Zugegeben: Bestseller sind diese Sammlungen selten.

Dabei sind diese Kurzgeschichten überaus wertvoll: Sie ermöglichen Autoren sich auszuprobieren, ermöglichen Ideen zu entwickeln, die nicht für einen ganzen Roman reichen. Vignetten.

Kurzgeschichten im Fernsehen sind nichts Neues: Twilight Zone, Tales from the Crypt, Gänsehaut ...  alles Anthologien, die abgeschlossene Geschichten erzählen. Früher im Fernsehen. Mit Black Mirror und den Verfilmungen der Kurzgeschichten von Dick auf Amazon kam das Format dann auch im Streaming an. Von daher dürfte es nicht überraschen, wenn Netflix eine neue Anthologien-Reihe in den Ring schickt. Was mit Black Mirror funktionierte, sollte ja dann auch mit einer neuen Reihe funktionieren.

Allerdings ist genau das die Frage. Denn während die anderen beiden genannten Beispiele ein Thema haben - die Kurzgeschichten von Dick sind zwar verschieden von den Themen her, aber sie spiegeln den Stil und die Themen des Autors wieder. Die Folgen von Black Mirror sind von einer dystopischen Sicht auf das geprägt, was wir momentan an Technik nutzen und begreifen - sie halten uns in der Tat einen schwarzen Spiegel vor. Das ist bei Love, Death and Robots - ich möchte immer ein Sex an die erste Stelle stehen, es wird seinen Grund haben - allerdings anders.

Es ist in der Tat eine Wundertüte. In der einen Folge besuchen drei Roboter eine postapokalyptische Welt. In der anderen erfahren wir, was passiert wäre, wäre Hitler an unterschiedlichen Ursachen verstorben. Eine weitere: Farmer in Mechanzügen bombardieren eine Horde von Aliens. Schnitt: Eine verstörende Geschichte um einen Mord und eine Zeugin - mit sehr viel Sex. Zack: Ein Raumschiff springt über die Grenzen des Universums hinaus. Schwarz: Kampfarena mit Außerirdischen und Gemetzel pur. Augenaufschlag: Ein Künstler erklärt sein letztes großes Meisterwerk. Blinzeln: Intelligenter Joghurt rettet die Menschheit ...

Alles Geschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten - eines haben sie gemeinsam: Sie sind kurz, die längste ist eine Viertelstunde lang und sie sind animiert. Dabei reicht der Stil von Cellshading bis zu Computerspielcharakteren. Und man muss teilweise schon verdammt genau hinschauen, um festzustellen, dass die Werwolf-Geschichte etwa nicht mit richtigen Schauspielern gedreht wurde. Einzige Ausnahme: Die Geschichte mit dem Eisfach - da ist der Großteil tatsächlich mit realen Schauspielern gedreht worden.

Durchaus ist ein Lob fällig. Es ist ein Risiko, eine solche Reihe zu produzieren. Das phantastische Genre mag mit Game of Thrones einen Sprung in den Mainstream genommen haben - ja, The Walking Dead, geschenkt. Allerdings: Die Anthologie ist nicht ohne Grund für Erwachsene freigegeben. Gewalt, Sex - bisweilen Rock and Roll im Hintergrund als Begleitmusik - und ab und an vielleicht auch ein wenig Drogen. Diese Anthologie könnte durchaus auch auf Adult Swim gegen vier Uhr Morgens laufen. Doch stattdessen sind die Folgen auf Netflix zu sehen. Und dass Netflix durchaus mit der Reihenfolge der Episoden experimentiert, die man zu sehen bekommt - nach welchen Kriterien auch immer - mag als Randnotiz noch von Interesse sein.

Allerdings - und das ist der Nachteil dieses Wundertüten-Formates: Wenn eine gemeinsame Grundlage, ein gemeinsames Thema fehlt, dann ist die Gefahr groß, dass sich die Anthologie-Reihe verzettelt. Oder dass Geschichten erzählt werden, die eigentlich so gesehen keine Geschichten sind sondern visuelle Vignetten. So interessant die Ästhetik von der Geschichte mit der Zeugin auch ist - sie ist eher eine Vignette. Sie hat zwar einen Schluss, einen überraschenden auch noch dazu, aber es ist, also ob dem Autor auf den letzten Seiten die Puste ausging und er rasch irgendwas hinkritzelte nur, damit die Deadline rechtzeitig erfüllt ist.

So witzig die Geschichte mit den Alternativen Toden von Adolf Hitler auch sein mag: Auch sie ist eher eine Vignette. Eine hübsche Idee, in einem sehr niedlichem Zeichentrickstil umgesetzt, aber eine richtige Geschichte? Ja, sicher, es gibt einen Rahmen, der die einzelnen Abschnitte zusammenhält. Eine Geschichte kann man das aber eher nicht nennen. Es ist eine Handlung. Mehr nicht.

Die Vignette mit dem Joghurt ist sicherlich ebenfalls witzig und bleibt im Gedächtnis - doch auch hier ein Pseudoende. Sicher: Es passiert etwas. So wie in überdrehten Kinderfilmen drei Minuten irgendwie die Protagonisten alles in Bewegung setzen und eine Lawine von Einfällen über den Bildschirm rollt. Zum Filmerlebnis trägt sowas in der Regel aber nicht bei. Und so passiert hier zwar nach dem Beginn der Folge auch etwas - aber es gibt nichts, worauf die Folge abzielt. Am Ende starten die Joghurt-Kulturen ins All und der Erzähler murmelt irgendwas Mysteriöses - mit großem M, mysteriös genügt hier ja nicht - vor sich hin und Abspann. Enttäuscht bliebt man zurück, weil man etwas Großes erwartet hatte und etwas Kleines bekommt.

Es mag vielleicht an den Autoren der Adaptionen fürs Bewegtbild liegen, denn beide eben zitierten Geschichten stammen von John Scalzi - und der kann es doch eigentlich. Gerade dass er es kann, zeigt ja die Geschichte mit den drei Robotern. Jetzt kann man einwenden: Hat man eine postapokalyptische Geschichte mit Robotern gesehen, hat man alle gesehen - schön, die Roboter sind Touristen. Die sich wie Touristen verhalten und Selfies schießen. Nicht so ganz verstehen, wozu ein Ball gut sein soll. Und über den Gag mit der aktivierten Katze lache ich immer noch. Diese Roboter haben Charakter, die Geschichte hat einen ordentlichen Anfang, eine gute Mitte, einen überraschenden Schluss.

Ja, die Geschichte mit der Astronautin - klar, Gravity. Mehr muss man als Einfluss nicht sagen. Es ist eine solide erzählte Geschichte mit einer glaubwürdigen Astronautin, die sich aus einer Schwierigkeitslage herausmanövrieren muss. Nein, ich verrate nicht wie, aber da muss man doch etwas schlucken. Und obwohl mir persönlich die Geschichte mit der Kampfarena gar nicht gefällt: Sie hat einen Anfang, eine Mitte, einen überraschenden Schluss.

Halt - ist es vielleicht dass, was die Geschichten dann doch verbindet? Der Twist am Ende? Aber den hat die Geschichte mit den Hitler-Toden nicht. Die Joghurt-Geschichte auch nicht. Die Werwolf-Geschichte? Die hat ein konsequentes Ende, aber überraschend? Eher nicht. Russland? Na ja auch nicht. Das Ende der Dracula-Episode ist so vorhersehbar, dass man es nicht überraschend nennen kann. Insofern: So ganz das verbindende Element ist es nun wirklich nicht.

Und ja, dem Einen mag diese Folge, dem Anderen jene besser gefallen. Was mir allerdings aufstößt: Meine Güte, das Frauenbild ist der heutigen Zeit einfach nicht mehr angemessen. Ja, es war wohl die Idee der Produzenten und Macher, etwas im Stil von Heavy-Metal zu produzieren - ein Zeichentrick-Episoden-Film, der aus irgendwelchen Gründen Kult sein soll. In den Achtzigern mag es okay gewesen sein, dass Frauen sexhungrige Monster im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne waren - wenn ihr die Folge gesehen habt, werdet ihr wissen, was ich meine. Ja, okay, es war auch damals nicht okay, es waren nur andere Zeiten und Ansichten. So.

So cool - hüstel - die Geschichte mit der Astronautin auch sein mag: Da hätte man auch einen Mann als Charakter haben können, soviel Unterschied ist da nun nicht. Also es hätte die Geschichte nicht verbessert oder verschlechtert, hätte man da den Charakter einfach ausgetauscht. Von der Müllhaldenfolge - ja, betont Redneck-Klischee, aber dennoch ... Und starke Frauen sind nicht starke Frauen, wenn sie in Mechs einfach Aliens abschießen und dann dennoch das Klischee der Hausfrau und Mutter erfüllen.

Liegt es an den Autor*innen der Kurzgeschichten? Oder an den Adaptor*innen für das filmische Medium?    Ja, die eine Kurzgeschichte ist halt der Traum jedes Military-SF-Fans und da sind die Figuren halt nicht gerade - hmm - ausgefeilt? Und es kommt halt auf die - hmm - äußeren Werte an? Dennoch: Die Produzenten und Macher haben die Geschichten ausgewählt und man kann ihnen durchaus eine rote Karte zeigen. Ja, ich mag es auch wenn gewaltige Monster aufeinander losgehen, aber wenn der Schwanz des einen Monsters das andere penetriert ... dann könnte das natürlich auch eine Überinterpretation ... andererseits, die beiden Frauenfiguren haben danach durchaus heißen lesbischen Sex ... ähm ... eher dann doch nicht.

Man wird kaum auf einen Nenner kommen: Wer sich die Auflistung von besten und schlechtesten Folgen anschaut, wird keine einzige Liste finden, die wirklich annähernd gleich ist. Und ja, es ist schön, dass Netflix solch ein Experiment wagt und man kann nur hoffen, dass die Macher in der zweiten Folge ihre Geschichten eventuell ein wenig gezielter in Hinsicht auf Frauencharaktere auswählen. Oder weibliche Aliens. Oder Transgender-Wesen. Vielleicht gelingt es am ehesten noch den Drei Robotern sich an die Spitze von allen Listen zu setzen. Die haben aber auch eine Geheimwaffe. Sie haben Katzen.

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