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Ein neuer Tag, ein neuer Datenskandal: Warum regt uns das nicht mehr auf?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneEin neuer Tag, ein neuer Datenskandal:
Warum regt uns das nicht mehr auf?

VISA hat Kundendaten an Hacker verloren? Achselzucken. Amazon hat zugelassen, dass Betrüger mit gefälschten Identitäten Dinge bestellen konnten? Ach, passiert hat. Hinter unserem Rücken haben Firmen unsere Daten weiterverkauft? Na ja, wie haben ja nichts zu verbergen...

Jetzt sind intime Sprachdateien von Alexa in die Hände eines Unbefugten gelangt.

Und wir so: Weiter gehts, wir lassen uns doch Alexa nicht vermiesen, keine Angst, keine Angst, Rosmarie. Oder wie auch immer man heißen mag.

Wir hören permanent in den Medien von Datenskandalen, von Betrügern, von manipulierten Bankautomaten. Fast täglich lesen wir, dass eine große Firma mal wieder - obwohl sie es beim letzten Mal fest versprochen hatte, dass gerade das nie wieder passieren würde und neue Sicherheitsmaßnahmen in Aussicht stellte - mal wieder Daten verloren hat. Dass die entwendet wurden, dass Unbefugte mit Kontodaten versorgt wurden - ja, das alles ist furchtbar und schrecklich. Aber solange das Sankt-Florian-Denken in unseren Köpfen verankert ist, solange ist das zwar irgendwie gruselig - und wir haben schon alle mal eine Geschichte von einem Freund gehört, der gehackt worden ist, ja, wirklich furchtbar sowas. Aber es betrifft uns persönlich ja erstmal nicht.

Denn: Es ist ja nicht uns persönlich passiert. Es sind ja nicht unsere Daten, die da entwendet wurden. Das sind Daten von US-Bürgern, von Franzosen, von Briten... Aber es sind nicht unsere persönlichen Kontodaten. Es ist ja nicht uns passiert. Und daher lehnen wir uns zurück und klopfen uns auf die Schulter: Unsere Sicherheitsvorkehrungen sind ja sowas von extrem. Da passiert schon nichts. Nein, uns doch nicht. Zwei-Faktoren-Verifzierung? Haben wir ja nicht nötig. Ebend. Uns kann das nicht passieren.

Daher machen wir uns auch keine Gedanken darüber, was wir eigentlich wo mit unseren Daten anstellen. Wir neigen dazu unsere Daten an einer Stelle zu versammeln. Amazon liefert uns alles, was wir so brauchen - vom frischen Obst bis zur Drohne. Programme und Musik kommt von Apple. Google versorgt uns mit Suchergebnissen und Online-Speicherplatz, wenn wir nicht gerade schon Dropbox nutzen. Im analogen Einkaufsleben verhalten wir uns eigentlich nicht unbedingt so. Sicher, wenn es in einer Stadt nur einen Saturn gibt und keinen Media-Markt - wobei das eh eine Sauce ist - und der das breitere Angebot für Elektronik hat, dann kauft man da natürlich ein. Wenn der ALDI um die Ecke näher ist als der REWE, dann suchen wir vermutlich den ALDI auf. Weil der ALDI aber vermutlich nicht alle Produkte hat, die wir brauchen - vegane Schokolade vielleicht schon noch, aber koschere Weine? - kaufen wir dann noch woanders ein. Wir wechseln zwischen DM und Rossmann. Zwischen dem Biobäcker und dem Backwaren-Billigheimer. Oder zwischen dem einen Billigheimer und dem anderen.

Moment, das machen wir doch online auch? Einmal bei Amazon einkaufen, einmal bei Apple, einmal eventuell sogar noch das Microsoft-Office online verlängern. Sicherlich. Aber Amazon, Apple, Microsoft, Fortnite und Co. sitzen auf unseren Daten, die wir bei der Registrierung eingegeben haben. Und sie haben unsere Kontodaten. Beim Bäcker um die Ecke werde ich vielleicht mal mit Namen begrüßt und man weiß schon, was ich kaufen werde - weil ich immer das Körnerbrot deluxe ohne Gluten nehme und die Verkäufer*innen ein gutes Gedächtnis haben. Ja, es gab in der Vergangenheit auch EC-Kartendienstleister*innen, die die EC-Daten weitergegeben haben. Keine Frage. Wer die in die Hände kommt, kann munter das Konto abräumen.

Wer Zugang aber zu unseren digitalen Konten hat, hat Zugang zu unseren Träumen, Wünschen und unseren Gefühlen. Unsere Kaufhistorie alleine zeigt nicht nur, was wir uns leisten konnten - woraus sich Rückschlüsse auf unser Gehalt schon mal stellen lassen - die Wunschlisten zeigen, was wir uns leisten wollen. Unsere Rezensionen offenbaren wie wir über Dinge denken und unsere Sterne zeigen, wie wir Dinge bewerten. Es sind nicht nur die Kontodaten, die bei den Firmen gesammelt sind. Es ist unsere digitale Historie. Und kommt dazu, dass Alexa noch verrät, über was wir im Vertrauen mit anderen im Haus gesprochen haben - eine KI könnte ohne weiteres ein digitales Double von uns erstellen und das agieren lassen. Big Data, Baby.

Weil wir uns das aber nicht ins Gedächtnis rufen, weil wir uns einfach nicht darum kümmern, wo unsere Daten hinkommen - weil wir auch denken, dass große Firmen automatisch große Datensicherheit bedeuten - und natürlich weil uns das alles nicht selbst betreffen kann, deswegen haben wir längst den Protest eingestellt. Wir nehmen stillschweigend hin, dass Daten aus Firmen verschwinden. Erst dann, wenn es uns selbst betrifft, wenn wir selbst gestochen werden, fühlen wir uns wütend und auch hilflos. Allerdings: Es liegt an uns Maßnahmen zu treffen und es liegt auch an uns, bei jedem Datenskandal nicht einfach mit den Schultern zu zucken. Vorsatz fürs Neue Jahr? Aktiv werden. Wie auch immer. Aber: Nicht mehr kopfschüttelnd meinen, das sei halt der Preis, den wir für das Digitale bezahlen müssten.

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