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Regionale Netzwerke: Das nächste Ding?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneRegionale Netzwerke:
Das nächste Ding?

Bekanntlich braucht jeder ein Jodeldiplom. Dann hat man nämlich was Eigenes. Und weiß, wie man bei der Morgenröte die Zeiten anwenden muss. Der Dienst Jodel hat allerdings nichts mit Musik zu tun, feiert aber momentan seinen Millionsten User. Ebenfalls erlebt nebenan.de einen kleinen Aufschwung und mehr und mehr scheint da nach der großen weiten Welt der Sozialen Netzwerke eine eigene, kleinere zu entstehen.

Nun sind Nischennetzwerke nichts Neues. Ello entwickelte sich zu einem eher künstlerisch angehauchtem Netzwerk, Wize ist das Netzwerk für ältere Leute - man tituliert zwar was mit "lebenserfahren", aber die Inhalte sind eher für Senioren gedacht - und XING ist halt für Business. Alles also nichts Neues. Ebensowenig wie Location-Based-Services, die momentan nicht die Hauptrolle im Medienmix spielen - Swarm/Foursquare haben ihren Charme etwas eingebüßt, seitdem Facebook die Einloggfunktion für Orte übernahm.

Momentan schlägt das Pendel allerdings wieder in die andere Richtung: Nachdem wir erfreut darüber waren, dass wir uns mit der ganzen Welt vernetzen können, stellten wir fest, dass das zwar nützlich ist - aber ab und an möchte man mal auch mit den Menschen aus dem Viertel zu tun haben. Zwar bieten sich dafür die guten alten Nachbarschaftstreffs, die verschiedenen Angebote von Kirchengemeinden und Städten an. Doch so wichtig auch die persönliche Begegnung ist: Ab und an hat man einfach nicht die Zeit dafür. Oder hat jetzt eine Frage, die dringend geklärt werden müsste.

Jodel bezeichnet sich als hyperlokale App - dieser Begriff ist leider nicht aus der Welt zu räumen, die Vokabel "Hyper" bezeichnet eigentlich etwas, was über, darüberhinaus greift oder ist, das macht mit dem Wort lokal dann nicht unbedingt Sinn. Jodel kombiniert die Location-Based-Services - hier nach Städten angeordnet - mit dem Hoch- oder Runterwerten von Beiträgen. Falls sich jemand an Digg erinnert: Das Prinzip ist ähnlich. Damit sollen Beiträge, die wirklich interessant sind, nach oben gespült werden. Dass das natürlich nicht so unbedingt immer funktioniert ist klar: Masse ist nicht gleich Qualität. Und seit Neuestem gibts noch die Themen-Bereiche, die Channels. Also das, was man früher mal mit Chatroom bezeichnete. Es ist halt nicht alles Neu unter der Sonne.

Sehen wir mal von der Technik ab, Technik ist nicht immer wichtig: Wann macht solch ein Dienst wie Jodel oder Nebenan.de - ein soziales Netzwerk für das eigene Viertel - eigentlich Sinn? Abgesehen davon, dass man natürlich mit der Sehnsucht nach dem Regionalem, dem Greifbareren in solchen Netzwerken hantiert, was kann man damit anstellen, was man nicht sonst auch mit Facebook oder Instagram machen könnte? Lokale FB-Gruppen gibts en masse. Wenn ich eine Aktion im Viertel planen möchte, kann ich das auch per Facebook ankündigen. Technisch ist das, was die Dienste machen nun eher im klassischen Bereich.

Nebenan.de wirbt damit, dass nur wirkliche Personen aus der Umgebung Teil des Netzwerkes werden können. Es gibt eine Verifizierungs-Option, die das sicherstellen soll. Ob das wirklich funktioniert ist die Frage, aber natürlich ist das im Angesicht von anonymen Accounts bei Facebook oder Twitter eine verlockende Alternative. Endlich kann ich - einigermaßen - sicher sein, dass es den Menschen, mit dem ich online kommuniziere auch wirklich gibt. Andere Dienste halten es so ähnlich und das ist sicherlich ein Anreiz.

Richtig Sinn machen solche Netzwerke, wenn sie wirklich als Plattform für das Viertel genutzt werden - etwa, wenn man gerade eine Bohrmaschine ausleihen möchte, wenn es um den Einsatz für eine bestimmte Sache geht. Manche regionale Themen sind nicht unbedingt für alle Welt geeignet. In solchen Fällen Dann können solche Dienste sicherlich für eine schnellere regionalere Vernetzung sorgen und auch dafür, dass ein Corps de Esprits entsteht. Oder ein Gemeinschaftssinn.

Allerdings haben es diese Plattformen wie alle anderen neueren Angebote ein Problem: Wer sich sein Leben komfortabel komplett bei Facebook und Twitter und Instagram eingerichtet hat - der braucht schon einen sehr starken Anreiz um noch ein Netzwerk zu bedienen. Auch, wenn das eventuell wirklich nur rein privat ist: Es frisst einfach Zeit, sich nochmal neu einzuarbeiten, neue Kontakte zu finden - schließlich darf man nicht davon ausgehen, dass die anderen Freunde nun auch alle im neuen Netzwerk zu finden sind. Ob man selbst dann der Stein des Anstoßes zum Wechseln oder zu einem neuerlichem Netzwerk sein kann, ist die Frage.

Bleibt dann noch die Frage der Finanzierung: Noch scheint Werbung an sich keine Option bei den regionalen Netzwerken zu sein, irgendwann kommt die aber sicherlich auch. Und dann hätten wir auch wie bei Facebook das Problem, dass Daten - so anonym und geschützt sie auch sein mögen - natürlich für Werbezwecke ausgewertet werden. Natürlich verlockend für rein regionale Anbieter: Sie erreichen sicherlich ihre Zielgruppe vor Ort. Ob das aber dann wirklich anders aussehen wird als bei Facebook, Twitter und Instagram und Co. - fraglich. Bezahlmodelle sind vorerst wohl nicht vorgesehen - keine Abofunktionen oder keine Premium-Accounts. Was vielleicht die bessere Lösung wäre, aber dann haben wir das XING-Problem: Ich kann zwar einige Annehmlichkeiten im Bezahlmodus nutzen, komme aber mit dem Gratis-Angebot auch einigermaßen so klar. Insofern müsste man da schon wirklich große Anreize setzen, damit man von kostenlos auf kostenpflichtig umstellt.

Verständlich ist die Sehnsucht nach einer kleineren, überschaubaren Welt in diesen Zeit sicherlich. In den USA hat sich da als eine Option zu anderen Plattformen Discord etabliert. Eigentlich eine Alternative zu Skype und Teamspeak - also eher was fürs gesprochene Wort - bietet die Software aber auch einen Textchat und so etwas ähnliches wie Foren an. Dabei funktioniert die Abkapselung mit dieser Software so gut, dass leider in Deutschland einige Spacken diese zum Verabreden zum Posten von Fakenews nutzten und zu Hasspostings. Dafür kann die Software nun nichts, schadete aber leider etwas dem Ruf derselben.

Man darf gespannt sein, was da jetzt noch folgen wird. Dass Facebook und Twitter und Instagram jetzt einen enormen Schaden wegen der Datenskandale genommen haben - unbestritten. Die Mehrheit der Deutschen scheint allerdings nicht geneigt, sich von Facebook komplett zu trennen oder andere Alternativen zu bevorzugen. Wer Stunden damit verbracht hat, seine Heimat bei Facebook aufzubauen, trennt sich nicht leichtfertig davon. Verständlich ist es allemal. Ob die kleineren regionalen Anbieter längerfristig eine Alternative sein können, kann ich auch nicht vorhersagen. Es mag auch sein, dass wir wieder zu den guten alten Foren zurückfinden. Oder vielleicht kommt noch ein ganz neues extravangtes Netzwerk, von dem wir momentan noch nichts wissen. Ich jedenfalls werde jetzt nicht anfangen zu jodeln und meine Nachbarn im Viertel kenne ich von Sehen. Man muss ja nicht für alles digitale Technik nutzen.

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