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The Sun Vanished: ARGs und ihre Faszination

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneThe Sun Vanished:
ARGs und ihre Faszination

»Hilfe. Es ist frühmorgens, aber die Sonne ist noch nicht aufgegangen.«

Das sind die ersten beiden Tweets des Accounts "TheSunVanished". Ein perfektes Kaninchenloch? Stimmt. Denn während man die nächsten Tweets liest, der Account twittert seit einiger Zeit täglich, wird klar: Wer auch immer den Account eingerichtet hat, derjenige spielt mit uns.

Schließlich geht für uns die Sonne jeden Tag auf, keine seltsamen Dinge flattern über unsere Häuser, keine Menschen stehen seltsam in der Gegend herum und keine Headlights scheinen uns in der Nacht zu suchen. "TheSunVanished" ist ein Beispiel für ein ARG - ein Alternate-Reality-Game. Ein Spiel, das anscheinend seine Wurzeln in der Realität an sich hat, aber das dann doch seine eigene Welt erschafft. Und dazu die Palette von Twitter ausreizt: Es gibt mindestens einen weiteren offiziellen Account, es waren Umfragen gestartet, Videos hochgeladen, es gibt Retweets und der Inhaber des Accounts antwortet auch auf Fragen.

Bei einem ARG verwischen sich die Grenzen zwischen dem, was real passiert und dem, was fiktiv erschaffen worden ist. ARGs spielen sozusagen mit den Realitäten und erschaffen im besten Fall eine eigene, die den Mitspieler mitreißt. Dabei legen die ARGs Wert auf Interaktivität. Blogs, Foreneinträge, Twitteraccounts, Facebookfanpages, natürlich Youtubevideos und sogar Telefonhotlines: ARGs spielen auf der Tastatur der Interaktivität. Häufig sind Rätsel zu lösen, Codes zu knacken, Hinweise zu deuten. Je rätselhafter desto besser. Dass die Mitspieler dann auch erstmal herausfinden müssen, welche Regeln für das Spiel gelten ist auch ein mitreißender Faktor.

Dass sich das Internet als Spielplatz für ARGs bestens eignet, steht außer Frage. Die immanenten Verlinkungsstruktur, in der von einem Ort zum anderen gesprungen werden kann, die vielen Orte, an denen Hinweise versteckt und verstreut werden können - das alles bietet sich für ein weitreichendes Fabulieren geradezu an. Dass ARGs darüberhinaus auf den ersten Blick auch mit wenig Ressourcen erstellt werden können - was vielleicht dazu führte, dass Buchverlage sie in den 2012ern gerne als Marketinginstrument eingesetzt haben - ist ebenfalls ein attraktiver Punkt für diese Art von Erwachsenenspielen.

Allerdings erweisen sich ARGs dann doch als aufwändiger als gedacht. Die Organisatoren müssen verabreden, wer dann was wo postet. Dazu braucht man einen Redaktionsplan, man muss sich miteinander absprechen. Wenn, wie im Fall von EvermanHYBRID oder TribeTwelve ein kleines Team hinter den ARGs oder den Webserien mit ARG-Elementen steckt, dann kann es bisweilen passieren, dass die Youtubevideos für einen längeren Zeitraum pausieren oder dass der Handlung auf halber Strecke die Puste ausgeht. Was leider zum Großteil beim sogenannten "Slenderverse" auf Youtube passiert ist - wobei dort wohl auch die leider realen Morde im Namen des erfundenen Slender-Mans eine Rolle spielen. In der letzten Zeit sind wieder einige Kanäle zu neuem Leben erwacht, vielleicht nutzen die Macher jetzt die Chance noch vor dem kommenden Hollywood-Film zum Thema die Geschichten zu Ende zu erzählen.

Daneben zählt auch und vermutlich haben Buchverlage das schmerzhaft erfahren müssen: Es reicht nicht Kaninchenlöcher zu schaffen und Rätsel im Internet zu hinterlassen. Man muss auch eine Geschichte erzählen können, die Mitspieler fesseln können. Nicht jeder, der im Marketing arbeitet, vermag das. Und nicht jeder Autor wird beim Verfassen seines Romans gleich daran gedacht haben, das passende ARG mitzuliefern. (Vermutlich wird er gar nicht wissen, dass es so etwas gibt.) Zudem: Man muss sich schon auf diese Art des Spiels einlassen können und vor allem auch Spaß daran haben.

Die Faszination von ARGs liegt gerade darin, dass sie die Grenzen verschwimmen lassen. Wir wissen zwar, dass die Sonne nicht wirklich verschwunden ist, wir wissen, dass die Welt so funktionieren wird, wie sie immer funktioniert. Jedenfalls nehmen wir an, dass sie das tun wird. Sind wir uns aber dessen wirklich so sicher? Und könnten sich im Internet nicht doch Hinweise darauf verbergen, dass es andere Realitäten gibt? Andere Wirklichkeiten? Mit denen wir Kontakt aufnehmen könnten? Aber wir wissen doch, dass letzten Endes alles nur ein Spiel ist. Oder?

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